Dieselgipfel im Kanzleramt Kommunen fordern wegen Luftverschmutzung Hilfe vom Bund

Wegen zu hoher Schadstoffwerte drohen in vielen deutschen Städten Diesel-Fahrverbote. Am Montag steht wieder ein Gipfel mit Kanzlerin Merkel an - die Kommunen fordern Geld vom Bund.
Kanzleramt in Berlin

Kanzleramt in Berlin

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Vor dem zweiten Dieselgipfel haben mehrere Kommunen stärkere Bundeshilfen gegen Luftverschmutzung in Städten gefordert. "Wir werden daran erinnern, dass der kommunale öffentliche Personennahverkehr erheblich unterfinanziert ist", sagte Städtetags-Präsidentin Eva Lohse. Bund und Länder müssten sich hier finanziell deutlich stärker engagieren.

Unter anderem Heilbronn, Kiel, Hamburg, Köln und Düsseldorf verlangten zudem konkrete Maßnahmen, um die Luft zu verbessern. "Ich erhoffe mir, dass der Bund die Kommunen mit der Problematik nicht allein lässt", sagte der Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer. Wesentliche rechtliche und technische Fragen könne nur der Bund lösen, sagte der SPD-Politiker.

Um die wegen zu hoher Stickoxid-Werte vielerorts drohenden Fahrverbote für Diesel-Pkw abzuwenden, berät sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Vormittag mit rund 30 Oberbürgermeistern sowie mehreren Ministerpräsidenten im Kanzleramt. Bei dem Treffen soll es vor allem darum gehen, was die Kommunen selbst zur Luftreinhaltung tun können. Ansätze dafür sind laut Regierungssprecher Steffen Seibert etwa die Umstellung von Bussen und Müllwagen auf umweltgerechtere Fahrzeuge, bessere Angebote im öffentlichen Nahverkehr und Radverkehr und Ähnliches mehr.

Diskutiert wurde vor dem Treffen auch eine Erhöhung des Anfang August beim Dieselgipfel mit der Autoindustrie angekündigten Fonds. Hierfür hat der Bund 250 Millionen Euro zugesagt, die gleiche Summe sollen Autohersteller einzahlen. Aus dem Fonds sollen Pläne für saubere Luft in 28 hochbelasteten Regionen entwickelt werden. Nach SPIEGEL-Informationen steht bereits fest: Die Städte bekommen zusätzliche 500 Millionen Euro mehr, um Elektrobusse und -autos anzuschaffen und die Stickoxidkonzentration zu senken. (Lesen Sie hier die Übersicht: So stehen die Parteien zum Auto.)

Kölner OB Reker für Hardware-Updates

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) verlangte vor dem Gipfel weitere Zusagen für bessere Luft in den Innenstädten. "Das heißt nicht nur eine Software-Lösung, sondern auch eine Hardware-Lösung", sagte sie mit Blick auf die Autoindustrie. Solche Umbauten an Motoren lehnt die Branche ab. Die Autobauer hatten bloß Software-Updates für neuere Diesel - und Umtauschprämien für ältere Modelle zugesagt. Auch Merkel sprach sich im SPIEGEL gegen Hardware-Updates aus, obwohl etwa das Umweltbundesamt die Wirkung von Software-Updates anzweifelt.

Der deutsche Städte- und Gemeindebund forderte, "dass jetzt schnell die Weichen in Richtung nachhaltiger, sauberer Mobilität gestellt werden". Der Dieselmotor sei zur Einhaltung der Klimaziele derzeit aber nicht zu ersetzen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Wir brauchen daher saubere Motoren und müssen alle verfügbaren technischen Möglichkeiten zur Nach- und Umrüstung nutzen", forderte er. Dieselmotoren stoßen meist weniger CO2 aus.

Opposition warnt vor Show-Veranstaltung

Merkel hatte der Autobranche am Sonntagabend im TV-Duell mit Kanzlerkandidat Martin Schulz "Vertrauensbruch" vorgeworfen. "Ich bin stocksauer", sagte sie. Die Industrie müsse den Schaden wieder gut machen, die 800.000 Arbeitsplätze müssten aber sicher bleiben. Der Diesel werde weiter gebraucht, um die Klimaziele zu erfüllen, sagte die Kanzlerin. Ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz sagte, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge, von denen unter anderem Handwerker getroffen würden, müssten vermieden werden.

Die Opposition warnte vor dem Gipfel dagegen vor einer Show-Veranstaltung. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer befürchtete eine "Veranstaltung ohne Mehrwert". Die dort anvisierten Maßnahmen würden erst in den nächsten zwei bis fünf Jahren greifen - und brächten somit nichts gegen drohende Fahrverbote. Auch die Autobranche sitzt dieses Mal nicht am Tisch.

Laut einer Studie der Umweltorganisation ICCT sind neun von zehn Diesel-Pkw der modernen Abgasnorm Euro 6 auf der Straße schmutziger als bei Tests im Labor ermittelt. Die von ihnen freigesetzten Stickoxide können unter anderem Atemwege und dem Herz-Kreislauf-System schädigen. Reutlingen, Kiel und Köln sind laut Umweltbundesamt nach Stuttgart und München am stärksten von Überschreitungen der Grenzwerte betroffen.

apr/dpa/AFP
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