Interne Dokumente im Dieselskandal Zweifel an BMWs Saubermann-Image

Was wusste BMW über Absprachen im Dieselskandal? Interne Dokumente belegen, wie aktiv der Konzern mit Daimler und Audi über eine Dosierstrategie debattierte. Den Münchnern wird sogar eine Führungsrolle zugeschrieben.
BMW-Chef Harald Krüger (Mitte) eingerahmt von Daimler-Chef Dieter Zetsche (links) und VW-Chef Matthias Müller (rechts)

BMW-Chef Harald Krüger (Mitte) eingerahmt von Daimler-Chef Dieter Zetsche (links) und VW-Chef Matthias Müller (rechts)

Foto: CHRISTOF STACHE/ AFP

Unberechtigt unter Generalverdacht sieht BMW-Chef Harald Krüger seinen Konzern, seit die Autohersteller Volkswagen und Daimler mit dem Skandal um manipulierte Dieselmodelle und geheime Absprachen ringen. BMW habe nicht manipuliert, keinem Autokartell angehört.

Interne Dokumente, die dem SPIEGEL vorliegen, lassen Zweifel aufkommen, ob der Münchner Autohersteller tatsächlich nichts gewusst hat. So am Rande, wie BMW es darstellt, stand der Konzern wohl nicht. An der Debatte über eine Dosierstrategie für das Stickoxid-senkende AdBlue war BMW laut einer internen E-Mail aktiv beteiligt.

BMW, Daimler und Audi haben sich demnach abgestimmt, wie sie gegenüber Behörden eine geringere Dosierung von AdBlue (Harnstoff) erklären könnten. AdBlue ist nötig, um den Stickoxidausstoß in Dieselautos zu senken. Noch heikler für BMW: Dabei kam den Münchnern möglicherweise sogar eine führende Rolle zu.

In einer zwölf Seiten umfassenden Präsentation von BMW für den US-Markt vom 4. April 2007 stellt der Konzern dar, wie ein geringerer Einsatz von AdBlue zu argumentieren sei. Eine E-Mail zwischen Managern von Audi und Volkswagen vom selben Tag gibt die Hintergründe preis: Dies sei der "gemeinsam erarbeitete Vorschlag zur Plausibilisierung der Deckelung der AdBlue-Dosiermenge". Und weiter: "die Treiberrolle haben die Kollegen von BMW inne", schreibt der Verfasser, ein Manager aus dem Hause Audi.

Dabei hatte BMW zuletzt betont, Diskussionen mit anderen Herstellern über AdBlue-Behälter zielten aus Sicht des Konzerns auf den notwendigen Aufbau einer Betankungsinfrastruktur in Europa ab. Zugleich warnte BMW vor einer "Skandalisierung des Dieselantriebs". Eine spezifische Technologie sichere bei BMW niedrige Emissionen im Realbetrieb. Die "Bild am Sonntag" berichtet ebenfalls über die neuen Dokumente, die den Münchner Konzern in Verbindung mit der Abgasaffäre bringt. (Lesen Sie hier, gegen welche deutschen Autokonzerne bereits ermittelt wird.)

Technische Argumente für Dosierstrategie

Ob BMW die Dosierstrategie in seinen Fahrzeugen später auch angewandt hat, ergibt sich aus dem Dokument nicht. Der Konzern selbst bestreitet das. Bislang gibt es keine Tests, die darauf hinweisen.

Tatsache ist jedoch, dass sich die deutschen Autokonzerne VW, Audi, BMW und Daimler spätestens seit dem Jahr 2006 nach SPIEGEL-Informationen abgesprochen hatten, bei der Abgasreinigung von Dieselmodellen durch AdBlue aus Kosten- und Platzgründen möglichst kleine Tanks für den Harnstoff zu verwenden. Damit Autobesitzer dadurch nicht gezwungen würden, in kurzen Zeitabständen neuen Harnstoff nachzutanken, entwickelten die Automanager offenbar zusätzlich Dosierstrategien.

Eine sparsame Dosierung führt dazu, dass die Stickoxide weniger gereinigt werden. Je nach Systemeinstellung könnten so Abgasgrenzwerte möglicherweise nur auf dem Teststand eingehalten werden und auf der Straße nicht mehr.

Die nun offenbar gewordenen Unterlagen der Manager aus Aggregate-Entwicklung und Zulassung der Konzerne von 2007 zeigen auf, wie sie ihre Dosierstrategie erklären wollten. So sollten die Behörden mit technischen Argumenten überzeugt werden - unter anderem mit sonst entstehenden Ablagerungen oder einer unvollständigen Aufbereitung.

Betriebsmodi mit verschieden starker Stickoxidreinigung

Das Dokument enthält die Beschreibung zweier Modi, in denen AdBlue verschieden stark eingespritzt werden sollte: den Füllstandsbetrieb und die Onlinedosierung. In Ersterem, so halten die Manager fest, arbeite das System mit maximalem Wirkungsgrad. Ganz anders im zweiten Modus: Dort, so schreiben die Techniker, wechsele das Steuergerät in einen Dosiermodus, der sich grundlegend unterscheide. Weiter schreiben sie: "Nachteilig ist ein geringerer Wirkungsgrad in dieser Betriebsart." Dann wird demnach der Stickoxidausstoß nicht mehr so stark gesenkt.

Innerhalb eines Monats, bis Mitte Mai, sollte aus den zusammengestellten Argumentationen ein erstes Präsentationskonzept für die Behörden entstehen. Die Argumente allerdings, so warnten sie in ihrem Schreiben, seien "für die interne Diskussion gedacht" und sollten "in diesem Detaillierungsgrad keinesfalls der Behörde gezeigt werden!"

BMW weist Anschuldigungen im Zusammenhang mit den nun aufgetauchten Dokumenten zurück. Die Fahrzeuge des Herstellers entsprächen den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen. Die Präsentation von 2007 erlaube keine Rückschlüsse auf unzulässige technische Vorgehensweisen bei der Dieselabgasreinigung.

Das Ziel, so BMW, sei hier ausschließlich die transparente Aufbereitung der US-Gesetzesanforderungen gewesen. Die aufgeführten Betriebsmodi seien nicht per se mit gesetzwidrigem Verhalten gleichzusetzen. Entscheidend sei die Umsetzung durch die Hersteller. Tatsächlich unterscheidet sich das Abgasreinigungssystem bei BMW-Dieselfahrzeugen durch weitere Komponenten von dem anderer Hersteller.

Die Dosierstrategie zum Ausgleich der kleinen AdBlue-Tanks hatte zuletzt durch das aufgetauchte Schreiben eines VW-Managers auch den Zulieferer Bosch in Bedrängnis gebracht - und zugleich die mögliche Illegalität der Pläne aufgezeigt. Nach einem Treffen von Daimler, BMW, Audi, Volkswagen und Bosch im Jahr 2006 hielt ein VW-Manager fest: "Alle wollen eine Limitierung" der AdBlue-Einspritzung "wegen der begrenzten Größe der Harnstofftanks". Keiner wolle die wahre Motivation dieser Limitierung den Behörden berichten.

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