Dokumentarfilm "Bottled Life" Nestlés Geschäft mit dem Wasser

Wie profitiert der Nahrungsmittelkonzern Nestlé von der günstigen Verfügbarkeit von Wasser? Und wer leidet darunter? Der Dokumentarfilm "Bottled Life" hat dem Schweizer Weltkonzern einen großen Imageschaden beschert. Jetzt ist der Film auch in deutschen Kinos zu sehen.
Filmszene: Wie hier in Nigeria können sich viele ärmere Menschen das saubere Flaschenwasser nicht leisten.

Filmszene: Wie hier in Nigeria können sich viele ärmere Menschen das saubere Flaschenwasser nicht leisten.

Foto: Frenetic

Als die Schweizer Filmemacher Res Gehringer und Urs Schnell beim weltgrößten Nahrungsmittelkonzern Nestlé vorstellig wurden, stießen sie auf verschlossene Türen. Das geplante Filmprojekt sei "der falsche Film zur falschen Zeit". Bei einem seiner Kerngeschäfte - dem Verkauf von Trinkwasser in Plastikflaschen - wollte sich Nestlé nicht in die Karten schauen lassen.

Mittlerweile hat der Dokumentarfilm "Bottled Life"  diverse Film- und Medienpreise gewonnen, Nestlés Geschäftspraktiken wurden in vielen Medien diskutiert. Ein PR-Desaster für den Weltkonzern, der daraufhin doch noch auf die Fragen einging, die der Film stellt. Auf einer eigens eingerichteten Webseite  führt Nestlé quasi ein Interview mit sich selbst. Und antwortet auf Fragen wie diese: Stimmt es, dass abgefülltes Wasser nur ein Beispiel für erfolgreiches Marketing ist?

Filmemacher Gehringer ist für "Bottled Life" um die Welt gereist, als Reporter ist er immer wieder selbst im Bild zu sehen. Er besucht ein Flüchtlingscamp in Äthiopien, in dem Nestlé sich angeblich in der Wasserversorgung engagiert. Zumindest wird das auf der Homepage des Unternehmens so kommuniziert. Vor Ort stellt Gehringer fest, dass das Engagement schon seit einigen Jahren beendet ist. In einem Dorf in Pakistan trifft er auf Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Währenddessen fördert Nestlé dort Wasser aus einem Tiefbrunnen und verkauft es als "Nestlé Pure Life" zu einem Preis, den sich ein großer Teil der Dorfbewohner nicht leisten kann. Seit Jahren sinkt der Grundwasserspiegel des Dorfes, der Zugang zu sauberem Wasser wird immer schwieriger. Wegen der Pumpaktivitäten von Nestlé? "Unseren Kindern zeigen wir das dreckige Wasser nicht", sagt eine Dorfbewohnerin im Film, "sie würden es dann nicht trinken". Gehringer möchte die örtliche Nestlé-Fabrik besuchen - und zuckt resignierend mit den Schultern, als man ihm das Werkstor vor der Nase zuschlägt.

Nestlé Pure Life ist eine riesige Erfolgsgeschichte. Die Marke existiert seit elf Jahren: In Plastikflaschen abgefülltes Grundwasser, das künstlich mit Mineralien angereichert wird. Besonderen Absatz findet es in Ländern, wo die Wasserversorgung schlecht ist: als Produkt für mittlere und obere Einkommensschichten. Der Film suggeriert: Hier wird das Grundwasser abgepumpt und so das Grundrecht auf sauberes Trinkwasser verletzt, um Profit zu machen. Der Preis von einer Flasche Pure Life übersteigt das Tageseinkommen vieler Menschen in Pakistan.

Da Nestlé sich Interviews verweigerte, zeigt der Film nur verpixelte PR-Videos des Unternehmens. Der Zugang zum Wasser sei entscheidend für die Zukunft des Konzerns - und für die Zukunft der Menschheit, erklärt Verwaltungsratschef Peter Brabeck-Letmathe in solchen Videos. Sich selbst inszeniert er als globalen Kämpfer für die Wasserversorgung.

Es kann einem Dokumentarfilm nicht gut tun, wenn die beschuldigte Seite nur indirekt zu Wort kommt, auch wenn es in diesem Fall anders nicht möglich war. So wirkt der Film etwas einseitig, auch weil er sich nur auf Nestlé einschießt und andere Unternehmen oder die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen außen vor lässt. Bildlich bleibt "Bottled Life" eher unspektakulär. Das Filmprojekt besticht mit dem beklemmenden Thema - und ist ganz sicherlich nicht der falsche Film zur falschen Zeit. Im Gedächtnis bleiben Sätze wie dieser: "Nestlé ist ein Raubtier auf der Suche nach dem letzten sauberen Wasser dieser Erde", ausgesprochen von der UN-Wasserberaterin Maude Barlow. Das Thema wird indes nicht zum ersten Mal verfilmt: 2009 lief der US-Film "Tapped" in den Kinos, der sich ebenfalls mit dem Trinkwassergeschäft von Nestlé und anderen Weltkonzernen beschäftigt.

Die Debatte zwischen den Filmemachern und Nestlé findet nun online statt. Auf jede der Stellungnahmen des Unternehmens, das fast allen Aussagen des Filmes widerspricht, sind die Dokumentarfilmer eingegangen und haben wiederum eigene Stellungnahmen in ihrer Webdoku  veröffentlicht. Stimmt es, dass Nestlé für die Absenkung des Grundwasserspiegels in dem pakistanischen Dorf verantwortlich ist? Nein, schreibt Nestlé. Man gehe schonend mit den Wasserressourcen um. Die Filmemacher antworten: Die Absenkung sei eine Tatsache. Nestlé habe die Ergebnisse einer örtlichen Umweltverträglichkeitsprüfung nie veröffentlicht.

Und dann gibt es da noch die Frage nach dem Marketing: Wird Wasser in Plastikflaschen wirklich benötigt, oder ist Leitungswasser, wenn vorhanden, völlig ausreichend? Nestlé schreibt: Flaschenwasser habe seinen Platz in der Gesellschaft, in der Lifestyle immer wichtiger werde. Der Film beschäftigt sich in Teilen mit dem Nestlé-Wasser Poland Spring, das in New York extrem beliebt ist. Dabei, so der Film, ist das New Yorker Leitungswasser bemerkenswert sauber und gesund, es stammt aus den Bergen im Umland. Das teure Poland Spring dagegen wird aus dem Bundesstaat Maine angekarrt. Die ursprüngliche Poland-Spring-Quelle sei durch die Aktivitäten von Nestlé längst versiegt, die Umwelt leide. Nestlé besitze nun zahlreiche Grundstücke in der Region - wem der Boden gehört, der darf auch kostenlos Wasser abpumpen. Eine Tankladung Wasser koste den Konzern etwa 10 Dollar. Damit könnten dann 50.000 Dollar umgesetzt werden.

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