Trump gegen China "Dieser Handelskrieg kann noch viel hässlicher werden"

Hafen von Qingdao: "China stehen noch einige Möglichkeiten offen, Vergeltung zu üben."
Foto: STR/ AFPDer Ton ist gesetzt: "Sie haben das Abkommen gebrochen", polterte US-Präsident Donald Trump am Mittwochabend in Richtung des Verhandlungspartners. "Das können sie nicht tun. Sie werden dafür zahlen."
Sie, das ist diesem Fall China - die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, nach den USA. Und der größte Konkurrent im Kampf um die ökonomische Vorherrschaft auf dem Globus. Seit mehr als einem Jahr liefern sich die beiden Staaten einen Handelskrieg, indem sie Zölle auf die jeweiligen Produkte des anderen erhöhen.
Im Video: Trump attackiert China - "Sie werden zahlen!"
An diesem Donnerstag läuft eine neue Verhandlungsrunde an, die eigentlich eine Einigung bringen sollte, nun aber im Desaster enden könnte. US-Präsident Trump hat bereits angedroht, geltende Strafzölle auf chinesische Produkte ab diesem Freitag von 10 auf 25 Prozent zu erhöhen. China will in diesem Fall Vergeltung üben.
Der US-Ökonom David Weinstein hält die Folgen einer solchen Eskalation für dramatisch. Schon jetzt, so hat er ausgerechnet, müssen die amerikanischen Verbraucher für den Handelskrieg zahlen, weil die Produkte, die sie kaufen, teurer geworden sind.
SPIEGEL ONLINE: Professor Weinstein, Sie haben zusammen mit Forschern der Princeton University und der Federal Reserve Bank of New York untersucht, welche Folgen Donald Trumps bisherige Strafzölle auf chinesische Produkte für die US-Wirtschaft haben. Was ist herausgekommen?
Weinstein: Die amerikanischen Verbraucher müssen die gesamten Zölle bezahlen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Mehrkosten durch die Zölle fast zu 100 Prozent auf die Preise der davon betroffenen Produkte umgelegt werden. Entsprechend teurer werden diese Waren. Die chinesischen Exportunternehmen haben ihre Verkaufspreise für die USA so gut wie gar nicht gesenkt.

David E. Weinstein, 55, ist Professor für Wirtschaftswissenschaft an der New Yorker Columbia University. Hier leitet der Ökonom den Carl-S.-Shoup-Lehrstuhl für japanische Wirtschaft.
SPIEGEL ONLINE: Warum nicht?
Weinstein: Wir vermuten, das liegt an der Verunsicherung. Niemand weiß, ob der Präsident die Strafzölle in einer Woche noch mal erhöht, gleich lässt oder zurücknimmt. Also warten viele Hersteller lieber ab. Wenn sie einmal die Preise gesenkt haben, kriegen sie die danach nicht so einfach wieder nach oben.
SPIEGEL ONLINE: Um welche Beträge geht es?
Weinstein: Die Zölle beliefen sich Ende 2018 auf etwa drei Milliarden Dollar pro Monat. Unsere Regierung kassiert das Geld, die US-Verbraucher bezahlen es.
SPIEGEL ONLINE: Also eine Umverteilung vom Bürger zum Staat.
Weinstein: Aber die Bürger erleiden darüber hinaus einen weiteren finanziellen Schaden, zuletzt etwa 1,4 Milliarden Dollar im Monat.
SPIEGEL ONLINE: Wieso?
Weinstein: Weil viele Amerikaner notgedrungen teurere Produkte von Wettbewerbern kaufen. Ein Beispiel: Durch die Zölle steigt der Preis für ein chinesisches Produkt von 1000 auf 1100 Dollar. Also kauft ein Konsument ein vietnamesisches Konkurrenzprodukt für 1090 Dollar. Dem Staat bringt das keine Zolleinnahmen, und der Verbraucher muss 90 Dollar mehr bezahlen. All diese Verluste summieren sich zu 1,4 Milliarden Dollar auf. Und die Inflation ist wegen der Zölle um etwa 0,3 Prozentpunkte gestiegen.
SPIEGEL ONLINE: Die öffentliche Entrüstung darüber hält sich bislang in Grenzen. Warum?
Weinstein: Weil nur wenige Menschen die Verteuerung bemerken. Die Zölle betreffen vor allem Güter, die man nicht jeden Tag kauft, wie zum Beispiel Waschmaschinen. Oder auch Vorprodukte wie etwa Stahl. Wenn der Preis eines Autos sich durch die Stahlzölle erhöht, bringen die Menschen das nicht mit dem Handelskrieg in Verbindung. So ist das oft mit Protektionismus: Einige wenige Unternehmen profitieren davon erheblich - und viele Menschen verlieren ein bisschen Geld.
SPIEGEL ONLINE: Wie wirken sich Chinas Vergeltungszölle aus?
Weinstein: Unsere Sojaexporte nach China sind kollabiert. Die Regierung hat den Farmern zur Entschädigung ihrer Ausfälle bislang schon mehr als sieben Milliarden Dollar bereitstellen müssen. Und die gesamten Exporte der US-Wirtschaft nach China sind 30 Prozent niedriger als im Vorjahr.
SPIEGEL ONLINE: Für diesen Freitag hat Trump weitere Strafzölle angekündigt. Dann soll der Aufschlag für China-Importe im Wert von 200 Milliarden Dollar von 10 auf 25 Prozent steigen.
Weinstein: Dies wäre eine bedeutende Eskalation. 25 Prozent Zoll auf Produkte eines großen Handelspartners, das hat es in den Vereinigten Staaten seit den Dreißigerjahren nicht mehr gegeben. Dieser Schritt würde die Verbraucher noch stärker belasten. Und er könnte eine viel stärkere chinesische Gegenreaktion als bisher auslösen. Der chinesischen Regierung stehen noch einige Möglichkeiten offen, Vergeltung zu üben. Dieser Handelskrieg kann noch viel hässlicher werden.
SPIEGEL ONLINE: Was meinen Sie damit? Das Regime in Peking erhebt auf das Gros der Importe aus den USA doch schon Zölle.
Weinstein: Viele multinationale US-Konzerne haben Produktionsstandorte oder Tochterfirmen in der Volksrepublik. Der chinesische Staat kann diesen Unternehmen das Leben sehr schwer machen. Wissen Sie, im März 2018 hat unser Präsident getwittert: "Handelskriege sind gut und einfach zu gewinnen". 14 Monate danach ist klar: Dieser Handelskrieg ist nicht einfach zu gewinnen. Und so einfach es ist, einen Handelskrieg zu starten, so schwierig ist es, ihn zu beenden. Bisher ist nirgends die Rede davon, dass der Präsident die Strafzölle wieder zurücknimmt.

Die Zölle betreffen Güter, die man nicht jeden Tag kauft - zum Beispiel Waschmaschinen
Foto: Shannon Stapleton/ REUTERSSPIEGEL ONLINE: Und was ist mit Europa? Laut Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft könnte unsere Wirtschaft von einer Eskalation im Handelskrieg USA gegen China profitieren - weil europäische Produkte durch Strafzölle wettbewerbsfähiger werden.
Weinstein: Kurzfristig könnte Europa ein Gewinner sein. Aber die große Frage ist: Wenn unser Präsident die Zölle gegen China erhöht - wird Europa das nächste Ziel? In der kommenden Woche muss er darüber entscheiden, ob er zusätzliche Zölle auf Autos auf der EU einführt. Und er redet oft darüber, dass er die US-Autoindustrie beschützen will.