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Folgen der Strafzölle Die USA gegen den Rest der Welt

Donald Trump verhängt Strafzölle auf Aluminium und Stahl - und selbst Parteifreunde sind erbost. Folgt nun ein Handelskrieg? Und was bedeutet das für die Verbraucher? Der Überblick.

Nach Ansicht von Donald Trump geht es quasi um die Existenz der USA. "Wenn unser Land kein Aluminium und Stahl herstellen kann", sagte der US-Präsident am Donnerstag, "hat man fast kein richtiges Land mehr." Im Beisein von Managern kündigte er dann heftige Strafzölle auf die Metalle an.

Die Börsen reagierten schnell, auf beiden Seiten des Atlantiks kam es zu deutlichen Kursverlusten. Handelspartner wie die EU kündigten Gegenmaßnahmen an. Und selbst Parteifreunde von Trump kritisierten die Entscheidung zum Teil erbost.

Wieso hat der Präsident sich zu dem drastischen Schritt entschlossen, was könnten weitere Reaktionen und langfristige Konsequenzen sein? Die wichtigsten Fakten:

Was sind Strafzölle?

Mit Abwehr- oder Strafzöllen versuchen Staaten, Einfuhren aus dem Ausland zu drosseln, die aus ihrer Sicht auf unfairem Handel beruhen. Der häufigste Vorwurf ist dabei Dumping, also der Verkauf von Waren unter einem angemessenen Preis. Mit dieser Methode können Länder versuchen, sich dauerhaften Zugang zu einem Markt zu verschaffen und die heimische Konkurrenz zu verdrängen.

Diesen Vorwurf erhebt Trump auch gegenüber ausländischen Stahl- und Aluminiumherstellern. Im Wahlkampf beschuldigte er das Ausland des Dumpings von "riesigen Mengen Stahl in den ganzen USA, was letztlich unsere Stahlarbeiter und Stahlunternehmen tötet".

Strafzölle werden zusätzlich zu den regulären Einfuhrzöllen verhängt. In den USA sollen sie nun 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium betragen.

Warum haben die USA die Zölle gerade jetzt verhängt?

Der US-Präsident ist schon sehr lange der Meinung, dass seine Heimat im Welthandel übers Ohr gehauen wird. Im Jahr 1990 sagte Trump, falls er einmal US-Präsident werde, werde er "eine Steuer auf jeden Mercedes-Benz packen, der in dieses Land rollt". Als er dann 27 Jahre später tatsächlich Präsident wurde, drohte er zum Amtsantritt mit einer Grenzsteuer, die auf Auto-Importe aus Mexiko fällig werden sollte. Dieser Plan gilt mittlerweile als verworfen, und auch sonst beließ es Trump lange bei Drohungen.

Im Januar kündigten die USA dann aber Strafzölle auf Waschmaschinen und Solaranlagen an, nun folgten Stahl und Aluminium. Damit scheinen sich in der Regierung handelspolitische Hardliner wie Wirtschaftsminister Wilbur Ross oder der Chef des Nationalen Handelsrats, Peter Navarro, gegen moderatere Kräfte wie Außenminister Rex Tillerson oder Wirtschaftsberater Gary Cohn durchzusetzen. Offenbar rangen sie bis zuletzt um die Details der jüngsten Entscheidung. Als Indiz dafür gilt, dass Trumps Auftritt zur Ankündigung der Zölle mit Verspätung begann.

Offiziell reagierte Trump jetzt auf Vorschläge, die ihm Handelsminister Ross zuvor in einem Bericht unterbreitet hatte. Das Timing könnte aber auch innenpolitische Gründe haben. Die Russlandaffäre und andere Probleme sorgen im Weißen Haus weiter für Chaos. In dieser Lage wollte Trump die Aufmerksamkeit möglicherweise auf ein neues Thema lenken.

Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Thyssenkrupp-Stahlwerk in Duisburg

Thyssenkrupp-Stahlwerk in Duisburg

Foto: Lukas Schulze/ Getty Images

Erfreulich ist Trumps Entscheidung vor allem für amerikanische Stahl- und Aluminiumproduzenten - schließlich werden sie dadurch vor ausländischer Konkurrenz geschützt. So legte etwa der Aktienkurs der AK Steel Corporation aus Ohio nach der Ankündigung um knapp zehn Prozent zu. Deutsche Hersteller wie Thyssenkrupp   oder Salzgitter   verzeichneten am Freitag hingegen deutliche Verluste.

Thyssenkrupp sieht nach eigenen Angaben jedoch nur begrenzte Auswirkungen auf das eigentliche Geschäft. "Wir haben nur ein geringes Engagement in den USA", sagte ein Unternehmenssprecher. Lediglich drei Prozent der US-Stahlimporte stammen aus Deutschland, die wichtigsten Lieferländer sind Kanada, Brasilien und Südkorea. Bei Aluminium kommt sogar weit mehr als die Hälfte der Einfuhren aus kanadischer Produktion.

Sorgen bereitet Trumps Ankündigung der deutschen Wirtschaft vor allem wegen möglicher Kettenreaktionen. Vergeltungsaktionen anderer Länder könnten auch andere Branchen treffen und nach Ansicht des Bundesverbands der Deutschen Industrie "weltweite Handelskonflikte und eine Spirale des Protektionismus" auslösen. Eine mögliche Folge ist auch, dass mehr Billigstahl auf dem EU-Markt landet, weil dieser weniger stark abgeschirmt ist.

Bedenklich sind die Zölle zudem für Branchen, die viel Stahl verarbeiten, etwa die Autoindustrie. Ihre Vertreter hatten auch in den USA vergeblich vor den Strafzöllen gewarnt. Bei Herstellern wie Ford  , General Motors   und Fiat Chrysler   könnten die Produktionskosten pro Fahrzeug laut einer Studie der Investmentberatung Evercore ISI um 34 bis 68 Dollar steigen.

Betroffen ist auch die Bierindustrie, die Aluminium für Dosen braucht. "Wir drängen das Wirtschaftsministerium und US-Präsident Trump, die Auswirkung von Abwehrzöllen zu überdenken", sagte der Finanzchef des Herstellers Anheuser-Busch InBev, von dem das beliebteste US-Bier Budweiser kommt. Konkurrent MillerCoors warnte, es gebe "schlicht nicht genug" Aluminium auf dem heimischen Markt, um den Bedarf zu decken.

Auch der internationale Währungsfonds schaltete sich zuletzt ein. Die Zölle würden "wahrscheinlich Schaden nicht nur außerhalb der USA, sondern auch der US-Wirtschaft selbst" zufügen, erklärte IWF-Sprecher Gerry Rice.

Was bedeuten die Zölle für Verbraucher?

Die Strafzölle werden nicht etwa von den Herstellern im Ausland gezahlt, sondern von Importeuren der Waren in den USA. Diese dürften ihre höheren Kosten in vielen Fällen an die amerikanischen Verbraucher weitergeben.

Dieser Umstand sorgt auch in Trumps eigener Partei für harsche Kritik. "Wenn Sie ein Stahlwerk besitzen, war das ein toller Tag für Sie", kommentierte Nebraskas republikanischer Senator Ben Sasse die Entscheidung. "Wenn Sie Stahl konsumieren - und jede amerikanische Familie hat heute Abend im Laden etwas gekauft, das verschiedene Metalle enthält -, dann ist heute ein schlechter Tag für Sie."

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Auch die bislang sehr gute Lage der US-Wirtschaft könnte nach Ansicht von Kritikern durch die Strafzölle gefährdet werden. "Trump hat gerade einen Handelskrieg begonnen", schreibt die konservative "Washington Post"-Kolumnistin Jennifer Rubin. "Jede Rezession geht auf seine Rechnung." Es gebe "nahezu keine respektablen Ökonomen, sicherlich keine konservativen, die Zölle für etwas anderes als eine wirtschaftliche Katastrophe halten".

Droht nun ein Handelskrieg?

Sollten andere Länder mit ähnlichen Schritten reagieren, so könnte es zu einem sogenannten Handelskrieg mit immer neuen Vergeltungsmaßnahmen kommen. Entsprechende Drohungen gibt es bereits. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, die Europäer würden "nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird".

EU-Experten arbeiten bereits seit Monaten an einer Liste mit US-Produkten, die als Reaktion auf Abschottungsmaßnahmen mit zusätzlichen Zöllen belegt werden könnten. Zu ihnen zählen Bourbon-Whiskey, Harley-Davidson-Motorräder und Levi's Jeans, wie Juncker nach Angaben einer Sprecherin zuletzt bekanntgab.

Auch China kündigte an, seine Interessen zu schützen. Als ein mögliches Ziel chinesischer Schuttzölle gelten Sojabohnen aus den USA, deren größter Abnehmer die Chinesen bislang sind.

Ein Handelskrieg ist aber nicht unvermeidlich, zur Lösung solcher Konflikte gibt es die Welthandelsorganisation (WTO). Von rund 540 Beschwerden wurden vor der Organisation mit Sitz in Genf seit 1995 rund 200 Fälle erfolgreich geschlichtet, in etwa 350 Fällen gab es Urteile. Fraglich ist allerdings, ob die USA diesen Weg gehen: Trump hat in der Vergangenheit mit dem Rückzug aus der WTO gedroht. Im Fall der Stahl- und Aluminiumzölle argumentieren die USA zudem mit Fragen der nationalen Sicherheit, die außerhalb der WTO-Kompetenz lägen.

Zudem gibt sich Trump bislang siegesgewiss. Wenn ein Land wie die USA durch Handel mit fast jedem Land viele Milliarden Dollar verlöre, seien "Handelskriege gut und leicht zu gewinnen", schreibt der Präsident auf Twitter.

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Ein Blick in die jüngere US-Geschichte weckt allerdings Zweifel an dieser Behauptung: Als bislang letzter Präsident verhängte George W. Bush im März 2002 Schutzzölle auf Stahl. Auch damals gab es heftige Proteste, die WTO drohte mit Sanktionen im Gegenwert von zwei Milliarden Dollar.

Nachdem Bush sich davon zunächst unbeeindruckt zeigte, kündigte die EU unter anderem Einfuhrbeschränkungen auf Orangen aus Florida und Harley-Davidson-Motorräder aus Wisconsin an - US-Bundesstaaten, in denen Bush um seine Wiederwahl bangen musste. Nicht einmal zwei Jahre nach der Verhängung hob der US-Präsident die Stahlzölle wieder auf.

Mit Material von dpa und Reuters
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