E.on und der Rückbau von Atommeilern Die Furcht vorm großen Schlupfloch

AKW Grohnde: Wie sicher sind die Reserven für den Rückbau?
Foto: Julian Stratenschulte/ dpaHamburg - Gut 14,5 Milliarden Euro hat E.on nach eigenen Angaben zurückgelegt, um sich für diese Aufgabe zu wappnen: Sieben Atomkraftwerke muss der Konzern in den kommenden Jahrzehnten abreißen, dekontaminieren und den strahlenden Müll sicher entsorgen. Doch die Bundesregierung fragt sich, ob das Geld reicht und wie sicher die Rückstellungen noch sind.
Aus einem neuen Rechtsgutachten geht nun hervor, dass es durchaus Grund zur Sorge gibt. Denn Deutschlands größter Energieversorger will sich obendrein auch noch aufspalten. Und von den zwei Firmen, in die sich E.on trennen will, kann wahrscheinlich nur eine für das atomare Erbe des Konzerns verantwortlich gemacht werden, heißt es in einer Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes für den Bundestag, mit der sich der parlamentarische Ausschuss für Wirtschaft und Energie am Mittwoch beschäftigen will . Das Dokument liegt SPIEGEL ONLINE vor.
Der Konzernumbau bei E.on soll wie folgt ablaufen: Die erste Firma, die "alte E.on", wenn man so will, soll das Geschäft mit der konventionellen Stromerzeugung, also mit Atom-, Kohle-, Gas- und Wasserkraftwerken, weiterführen - und damit auch für den AKW-Rückbau verantwortlich sein.
E.on-Chef Johannes Teyssen hatte stets betont, dass die Firma, in der die konventionellen Kraftwerke gebündelt sind, in vielen Ländern aktiv und insgesamt sehr gut aufgestellt sei. Er erwarte, dass sie noch viele Jahrzehnte gute Profite machen werde.
Das Problem ist aber, dass die E.on-Rückstellungen zum Teil gerade aus den Kohle- und Gaskraftwerken bestehen - ausgerechnet jenen Meilern also, deren Existenz selbst bedroht ist, weil sie durch den Boom der erneuerbaren Energien immer weniger Strom verkaufen. Wenn die konventionellen Kraftwerke zu rasch abgeschaltet werden, könnten die Rückstellungen für den AKW-Rückbau nicht reichen, fürchtet die Bundesregierung.
Dann käme die zweite E.on-Firma ins Spiel. Sie soll sich auf Stromnetze sowie dezentrale und erneuerbare Energien konzentrieren. Die Grünen fordern, auch diese "neue E.on" für den AKW-Rückbau in die Pflicht zu nehmen, wenn die Rückstellungen der "alten E.on" nicht reichen. Doch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags sieht dafür kaum eine rechtliche Handhabe. Für eine Haftung der "neuen E.on" gebe es juristisch nur "enge Voraussetzungen", heißt es in dem elfseitigen Gutachten, das die Experten auf Anfrage der Grünen-Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl erstellt haben. Dafür gebe es zwei zentrale Gründe:
- Erstens werden die Atomkraftwerke in Deutschland nicht von den Konzernmüttern betrieben, sondern von speziellen Tochtergesellschaften. Wenn sich E.on nun aufspaltet und, wie geplant, seine Atomkraftwerke auf die "alte E.on" überträgt, dann könnte entsprechend nur die Atomtochter haftbar gemacht werden. Sonst keine.
- Zweitens gebe es noch die Möglichkeit, die neue E.on-Firma über eine sogenannte Durchgriffshaftung in die Pflicht zu nehmen, heißt es in dem Gutachten weiter. Diese Rechtsfigur sei aber nur "in sehr seltenen Ausnahmefällen möglich". Wann für sie die angemessenen Voraussetzungen bestehen, sei "in Literatur und Rechtsprechung lebhaft umstritten".
Der Wissenschaftliche Dienst betont, dass es sich bei seinem Gutachten nicht um eine abschließende Einschätzung der Rechtslage handle und dass manche strittigen Punkte erst vor Gericht abschließend geklärt werden könnten. Insgesamt aber werden die Chancen, die "neue E.on" per Gerichtsbeschluss zur Finanzierung des AKW-Rückbaus zu verpflichten, als gering eingestuft.
Die Umweltschutzorganisation BUND fordert die Bundesregierung daher zum raschen Handeln auf. Sie dürfe "nicht zulassen, dass sich ein wesentlicher Teil des Konzerns von der Verantwortung für die Ewigkeitslasten der Atomenergie" befreie, teilt der BUND mit. Die Organisation fordert daher, die Rückstellungen der Konzerne so schnell wie möglich in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen.