EADS verliert Milliardenauftrag Indien kauft lieber Billigflieger

Französische Rafale: Den Eurofighter ausgestochen
Foto: © Michael Buholzer / Reuters/ REUTERSUnter Experten galt es als ausgemachte Sache: Indien würde den Eurofighter kaufen. Allein schon weil Indien damit Teil des EADS-Konsortiums geworden wäre, wie man der Regierung in Neu-Delhi versprochen hatte. "Fünftes Partnerland" also neben Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich in einem Brief an ihren indischen Kollegen Manmohan Singh schrieb.
Und was ist schon der Kampfjet Rafale? Der Rüstungskonzern Dassault hatte die Maschine schon mehreren Ländern angepriesen, darunter Marokko, Brasilien, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Am Ende entschied sich niemand für das Angebot. Außer der französischen Luftwaffe hat kein anderes Land diese Maschine in seiner Flotte. Paris betont deshalb umso lauter, dass der Kampfjet gute Dienste tue in Afghanistan und zuletzt in Libyen. Und der 86-jährige Konzernchef Serge Dassault lässt die Öffentlichkeit immer wieder wissen, er habe "das beste Flugzeug der Welt" im Angebot.
Indien hat die Experten verblüfft und sich für die Rafale entschieden. Es geht um die Bestellung von insgesamt 126 Kampfflugzeugen, Auftragswert: rund zehn Milliarden Dollar. Die indische Luftwaffe will alte Maschinen ersetzen. Damit handelt es sich um einen der größten Rüstungsdeals in der Menschheitsgeschichte.
Auch Beobachter in Indien zeigten sich überrascht über die Entscheidung. "Wir hatten damit gerechnet, dass der Eurofighter gekauft wird, weil Indien sich damit gleich vier europäische Länder zum Freund gemacht hätte", sagte ein indischer Luftwaffenoffizier, der am Dienstag wie die indische Öffentlichkeit von der Regierungsentscheidung erfuhr.
Aus dem indischen Verteidigungsministerium hieß es, Dassault habe mit der Rafale das "preisgünstigste Angebot" gemacht. Dies allein sei das entscheidende Kriterium gewesen. Über den exakten Preis machten weder die Bieter noch die indische Regierung Angaben. Indische Zeitungen spekulierten, die Rafale sei etwa fünf Millionen Dollar pro Stück günstiger gewesen als der Eurofighter "Typhoon". Ursprünglich hatten neben Dassault und dem Eurofighter-Konsortium auch noch die US-Konzerne Boeing und Lockheed Martin sowie der schwedische Hersteller Saab und die russische Aircraft Corporation mit ihrer MiG-35 um den Zuschlag gebuhlt. Im April sickerte durch, dass die Rafale und der Eurofighter in der engeren Wahl wären.
Der am Eurofighter-Konsortium beteiligte Flugzeug- und Rüstungskonzern EADS zeigte sich am Dienstag enttäuscht. Man habe das momentan modernste Kampfflugzeug angeboten, werde die indische Entscheidung aber respektieren, sagte ein Sprecher in München. Der Eurofighter wird unter anderem in Manching bei Ingolstadt gebaut. Die Produktion sei bis 2017 gesichert.
Politische und andere Kriterien blieben bei der Entscheidung offensichtlich unberücksichtigt. Das Eurofighter-Konsortium hatte Indien etwa 20.000 Arbeitsplätze in Aussicht gestellt, außerdem die Möglichkeit, das Flugzeug gemeinsam mit den bisherigen Partnerländern weiterzuentwickeln und zum Produktionsstandort für die Lieferung an weitere Länder zu werden.
Doch auch Dassault dürfte Arbeitsplätze in Indien schaffen. Bedingung Indiens ist es, dass die ersten 18 Maschinen innerhalb von 36 Monaten ausgeliefert werden und die restlichen 108 Jets in Indien gefertigt werden.
Dassault war in Indien nur noch im Rennen, weil Paris in Neu-Delhi politisch interveniert hatte. Die Franzosen waren ursprünglich ausgeschieden, angeblich wegen eines schlampigen Angebots, wie es aus Neu-Delhi hieß. Im Dezember 2010 reiste Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nach Neu-Delhi und warb für die Maschine und setzte sich zudem für einen ständigen Sitz Indiens im Uno-Sicherheitsrat und für einen unbegrenzten Zugang Indiens zu Atomtechnologie ein.
Für die Rafale war der Auftrag aus Indien eine Frage des Überlebens. Frankreichs Verteidigungsminister hatte im Dezember gedroht, dass die Produktion eingestellt werde, sollte Dassault keine Rafale ins Ausland verkaufen.
Eine letzte Hoffnung, doch noch zum Zuge zu kommen, bleibt dem Hersteller des Eurofighters jedoch: Dassault habe wegen des niedrigen Preises lediglich den Zuschlag erhalten, "exklusive Vertragsgespräche" zu führen. Erste Treffen von Regierungsvertretern mit Managern von Dassault sollen in den kommenden zwei Wochen stattfinden, das wichtigste Gesprächsthema: der exakte Preis, über den man sich noch einigen müsse.
Bisher waren alle Verhandlungen, die Dassault mit ausländischen Interessenten geführt hatte, geplatzt, weil der Jet als reparaturanfällig und damit teuer im Betrieb gilt. Es könnte also sein, so die Hoffnung aller Mitbewerber, dass auch jetzt die Gespräche zu keinem Ergebnis führten. In diesem Falle, bestätigt auch das indische Verteidigungsministerium, würde der Auftrag neu ausgeschrieben. Ein ranghoher Offizier sagte aber, man hoffe doch darauf, dass die Verhandlungen mit Dassault zum Erfolg führten und die Luftwaffe bald ihre ersten neuen Flugzeuge bekomme.