Ausschuss zur EnBW-Affäre "Einen Interessenkonflikt gab es nicht"

Die EnBW-Affäre beschäftigt erneut die Politik. Vor dem Untersuchungsausschuss hat sich nun René Proglio erklärt, der Frankreich-Chef der Investmentbank Morgan Stanley. Handelte er im Interesse seines Zwillingsbruders Henri, der Chef des Energieriesen EdF ist? Die Antwort blieb schwammig.
EnBW-Zentrale in Karlsruhe: Untersuchungsausschuss muss Milliardengeschäft aufklären

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Foto: dapd

Der einstige Chef von Morgan-Stanley-Deutschland, Dirk Notheis, nimmt bereits "eine Auszeit" von seinem Job. Jetzt hat sich auch sein französischer Kollege René Proglio, Frankreich-Chef der Investmentbank, in der EnBW-Affäre erklärt. Besser: Er hat erklären lassen. Proglios Anwälte haben in dieser Woche dem Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag einen Brief zukommen lassen, in dem sie auf die Vielzahl von Fragen zur Rolle René Proglios beim Rückkauf der EnBW-Aktien durch das Land Baden-Württemberg antworten.

Oder besser gesagt: nicht antworten.

Denn in dem vierseitigen Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, versuchen die Anwälte von René Proglio vor allem, den entscheidenden Punkten auszuweichen. Die meisten vom Untersuchungsausschuss aufgeführten Fragen seien nach Meinung der Anwälte bereits umfassend beantwortet - durch überlassene E-Mails, vorhergehende schriftliche Stellungnahmen von Morgan Stanley sowie durch Zeugenaussagen. "Es ist daher nicht angezeigt, in diesem Brief erneut zu jeder einzelnen dieser Fragen Stellung zu nehmen", konstatieren die Rechtsberater.

Besonders ausführlich legen die Anwälte dann auf den folgenden Seiten dar, welche Rolle René Proglio bei dem Deal "nicht" spielte und weisen einen Interessenskonflikt ihres Mandaten weit von sich. René Proglios Einsatz bei dem Deal zwischen Baden-Württemberg und der Electricité de France (EdF) löste im Zuge der Affäre viele Fragen aus - vor allem weil René Proglio der Zwillingsbruder von Henri Proglio ist - und dieser ist Chef der EdF und war damit Verhandlungspartner des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus.

So hatte René Proglio etwa am 10. November 2010 ein Abendessen zwischen seinem Zwillingsbruder Henri und Mappus in Paris arrangiert. Die beiden Morgan-Stanley-Chefs René Proglio und Dirk Notheis waren bei dem Diner ebenfalls anwesend. "Spätestens seit dem Abendessen vom 10. November 2010" sei Herr Mappus in "vollem Umfang bewusst" gewesen, "dass Herr Proglio der Zwillingsbruder des Vorstandsvorsitzenden der EdF ist. Damit war volle Transparenz hinsichtlich dieser persönlichen Beziehung von Anbeginn sichergestellt."

Weiter erklären die Anwälte, dass "keine der Richtlinien von Morgan Stanley zu ordnungsgemäßem Verhalten im Geschäftsverkehr (Code of Conduct und Code of Ethics)" bei der Transaktion verletzt worden sei. Die Begründung liest sich denkbar schwammig: "Keine dieser Richtlinien verbietet die Beteiligung von Personen, die eine enge persönliche Beziehung zu einem Kunden oder zu einem Vertreter der Gegenseite haben." Der Zweck der Richtlinien sei vielmehr die Herstellung "vollständiger Transparenz" hinsichtlich solcher persönlicher Beziehungen. "Damit soll dem Kunden die Möglichkeit eingeräumt werden, die Beteiligung einer Person mit einer engen persönlichen Beziehung zu akzeptieren oder eine solche Beteiligung zurückzuweisen." Weil Mappus von der familiären Verbindung zwischen René und Henri Proglio gewusst habe - spätestens seit dem Abendessen in Paris -, aber "zu keiner Zeit (...) Bedenken" geltend gemacht habe, sieht die Bank hier kein Problem.

Darüber hinaus habe "zu keinem Zeitpunkt während dieser Transaktion" ein Mitarbeiter oder sonstiger Vertreter von Morgan Stanley, auch nicht René Proglio, die EdF im Hinblick auf die EnBW-Transaktion beraten. "Mit anderen Worten", schreiben die Anwälte, "einen Interessenkonflikt gab es nicht."

Das Schreiben verfolgt im schönsten Juristendeutsch die Strategie, die Rolle von René Proglio so klein wie möglich zu reden. Der Mandant sei etwa in die abschließenden Verhandlungsrunden zum EnBW-Deal "nur begrenzt eingebunden" gewesen. Er sei "an inhaltlichen Verhandlungen zu einzelnen Themen nicht beteiligt" gewesen. Er sei nur "in einer beschränkten Anzahl von Fällen gebeten worden, bei der Lösung von bestimmten Themen im Hinblick auf den Vertragsabschluss Unterstützung zu leisten". Und er sei "auch nicht unmittelbar" an den Ereignissen des 5. Dezember 2010 beteiligt gewesen.

An diesem Dezemberabend wäre der ganze EnBW-Deal wegen Nachforderungen der EdF bezüglich der "russischen Angelegenheit" fast geplatzt. Die Anwälte berichten nun dem Ausschuss: "Insbesondere hat Herr Proglio seinerseits keine Schritte unternommen, die bei der EdF intern im Laufe des Abends (...) aufgetretenen Probleme zu lösen."

Warum nur meldete dann ausgerechnet der Morgan-Stanley-Manager Proglio in dieser Nacht seinem Kollegen Dirk Notheis per E-Mail: "Problem gelöst"? Und hatte er nicht bereits im Vorfeld in anderem Zusammenhang angekündigt: "Lass mich wissen, wenn was schiefgeht, ich kümmere mich drum" (E-Mail vom 1.12.2010)?

Der Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Uli Sckerl, beurteilt den Brief "als pures Ausweichmanöver": "Dieses Schreiben taugt nicht als Ersatz für eine Befragung im Untersuchungsausschuss." René Proglio müsse sich persönlich dem Ausschuss stellen, verlangt Sckerl, "dazu gibt es keine Alternative".

Der Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag beschäftigt sich seit Dezember 2011 mit dem "Ankauf der EnBW-Anteile der Electricité de France (EdF) durch das Land Baden-Württemberg und seine Folgen (EnBW-Deal)". Im Juli 2012 hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen wegen Untreue gegen den ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus und den Morgan-Stanley-Banker Dirk Notheis eingeleitet. In diesem Zusammenhang ermittelt die Behörde auch gegen den früheren Finanzminister Willi Stächele und den früheren Staatsminister Helmut Rau (beide CDU).

Mappus verteidigt den EnBW-Deal noch immer als "politisch und ökonomisch richtig". Bereits 2011 hatte der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg das Zustandekommen des Deals unter Umgehung des Parlaments als gesetzeswidrig beurteilt.

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