Atomausstieg
EnBW verzichtet auf Klage und will trotzdem Schadensersatz
Zwei AKW musste EnBW auf Geheiß der Bundesregierung abschalten - und verlor dadurch viele Millionen Euro. Nun muss der Energiekonzern auch noch auf eine Klage verzichten - aus formellen Gründen. Ihm bleibt nur die Hoffnung, von einem möglichen Sieg der Konkurrenz zu profitieren.
Stuttgart - Deutschlands drittgrößter Energieversorger verzichtet auf eine Verfassungsbeschwerde gegen den Zwangsstopp für zwei seiner vier Atommeiler. Zwar halte EnBW die Anordnung der Bundesregierung aus dem Frühjahr 2011 für verfassungswidrig, teilte der Versorger am Montag in Karlsruhe mit. Vor allem, da der Konzern für den Zwangsstopp der Meiler keine Entschädigung bekommen habe.
Da EnBW jedoch zu mehr als 98 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand ist, fehle es voraussichtlich an der Grundrechtsfähigkeit und damit an dem Recht auf eine Verfassungsbeschwerde. Das Gericht könnte die Beschwerde allein aus formalen Gründen als unzulässig abschmettern, so die Befürchtung. Zudem hätte der Gang vor das Verfassungsgericht die grün-rote Landesregierung in Stuttgart brüskiert, einen wichtigen Anteilseigner des Konzerns.
Dieses Problem haben die Wettbewerber E.on, RWE und Vattenfall nicht. Sie befinden sich in privater Hand und haben ihre Verfassungsbeschwerden gegen die nach der Atomkatastrophe in Japan im März 2011 in Deutschland angeordnete Atomwende bereits eingelegt.
Davon will auch EnBW profitieren: Man sei "zuversichtlich", dass das Verfassungsgericht bei den Klagen der Konkurrenten auch die Interessen von EnBW berücksichtigen werde, teilte der Konzern mit.
Forderungen von bis zu 15 Milliarden Euro
EnBW ist stärker als die Konkurrenz von der Atomkraft abhängig - und ist dadurch ins Straucheln gekommen: Die Anteilseigner mussten dem Konzern rund 800 Millionen Euro frisches Kapital zuschießen.
Als größter deutscher Atomkraftwerksbetreiber macht allein E.on einen Schaden von mindestens acht Milliarden Euro in Karlsruhe geltend. RWE und Vattenfall haben keine Summen genannt. Aus RWE-Kreisen war aber verlautet, die eigenen Forderungen beliefen sich auf mindestens zwei Milliarden Euro. Einem Zeitungsbericht zufolge summieren sich die Gesamtforderungen der Konzerne, die die deutsche Stromerzeugung dominieren, auf rund 15 Milliarden Euro.
Die Eigentümer der Atomkraftwerke fordern neben Schadensersatz für den Wertverlust der Anlagen auch eine Entschädigung für noch getätigte Investitionen, die sich nach dem Zwangsstopp von acht der 17 Meiler nun nicht mehr amortisierten. Das letzte deutsche AKW soll gemäß Atomgesetz im Jahr 2022 vom Netz genommen werden.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte mit ihrer - nach der Explosion des japanischen Atomkraftwerks Fukushima - überraschend angekündigten Atomwende einen Zickzack-Kurs gefahren: Ein halbes Jahr zuvor - im Herbst 2010 - hatte das Berliner Kabinett noch gegen erheblichen Protest in der Bevölkerung eine Verlängerung der Betriebszeiten der deutschen Kernreaktoren durchgeboxt.