Entlastung in der Energiekrise Regierung will Strompreise teilweise deckeln

Strommasten in Thüringen
Foto: Martin Schutt / dpaDie Bundesregierung will nach der Gaspreisbremse auch eine Strompreisbremse einführen. Das geht aus einer gemeinsamen Präsentation des Kanzleramts, Bundeswirtschaftsministeriums und Bundesfinanzministeriums hervor, die dem SPIEGEL vorliegt. Die Präsentation wurde unter anderem in Beratungen mit den betroffenen Verbänden verwendet.
Die Stromverbraucherinnen und -verbraucher sollen demnach einen bestimmten Prozentsatz ihres geschätzten Vorjahresverbrauchs zu einem fixen vergünstigten Preis bekommen. Wo dieser Preis liegt und wie groß der gedeckelte Anteil ist, ist noch nicht final festgelegt. Man wolle sich aber »soweit möglich und sinnvoll« an den Vorschlägen für die Gaspreisbremse orientieren. In dieser werden ab März 80 Prozent des geschätzten Vorjahresverbrauchs gedeckelt.
Finanziert werden soll die Entlastung mit der Abschöpfung bestimmter Einnahmen der Stromerzeuger, eine Strategie, die auch die EU-Kommission verfolgt. Laut der Präsentation sollen 90 Prozent der sogenannten Zufallsgewinne abgeschöpft werden – also von jenen exorbitanten Einnahmen, die viele Versorger aufgrund der Energiekrise einstreichen.
Der Strommarkt funktioniert nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip. Das letzte Kraftwerk, das für die Versorgung gerade nötig ist, bestimmt den Preis. Als Erstes liefern stets Kraftwerke mit sehr günstigen Produktionskosten Strom. Meist sind das Solar- und Windkraftanlagen. Als Nächstes kommen die Kohle- und Atomkraftwerke, als Letztes die momentan besonders teuren Gaskraftwerke. Bestimmen diese gerade den Preis, streichen die Betreiber aller anderen Kraftwerkstypen riesige Profite ein.
Die Regierung will diese nun nach folgendem Prinzip abschöpfen: Für jeden Kraftwerkstyp werden erst sogenannte Referenzkosten identifiziert. Diese sollen alle variablen Kosten plus den Deckungsbeitrag der Firmen enthalten. Da es sich bei den Referenzkosten um Schätzungen handelt, kommt obendrauf noch einmal ein sogenannter Sicherheitsaufschlag. Alles, was die Firmen zusätzlich am Markt erlösen, wird zu 90 Prozent abgeschöpft.
Für Meereswindparks werden Referenzkosten von zehn Cent pro Kilowattstunde und ein Sicherheitsaufschlag von drei Cent angesetzt. Bei Atomkraftwerken sind es vier Cent plus drei Cent Aufschlag. Auch für erneuerbare Energien, Braunkohle, Ölkraftwerke und Anlagen, die mit Grubengas und Abfall betrieben werden, soll die Regelung gelten. Für Speicher, Steinkohlemeiler, Erdgas- und Biomethankraftwerke dagegen nicht.
Die Gesamtlösung für die Strom- und Gaspreisbremse soll am 18. November vom Kabinett abgesegnet und am 2. Dezember vom Bundestag beschlossen werden. Der Bundesrat soll am 16. Dezember abstimmen.
Greifen soll die Regel schon ab dem 1. Dezember. Für Geschäfte am Spotmarkt sollen die Gewinne sogar schon rückwirkend ab 1. März abgeschöpft werden. Rechtliche Bedenken habe man keine, heißt es aus Regierungskreisen. Denn es handle sich um eine Regelung analog zum Steuerrecht. Und bei dieser seien Änderungen innerhalb desselben Veranlagungszeitraums zulässig, in diesem Fall also im Jahr 2022.