Milliardengeschenk Regierung befreit 1550 Firmen von Energiewende-Kosten

Die Ungerechtigkeiten bei der Energiewende nehmen zu: Nach SPIEGEL-Informationen befreit Merkels Regierung im kommenden Jahr rund 1550 Industriebetriebe weitgehend von den Kosten des Mammutprojekts. Grund sind großzügige Ausnahmeregeln - die selbst die Kanzlerin inzwischen kritisiert.
Strommasten bei Ludwigsburg: 1550 Unternehmen von EEG-Umlage weitgehend befreit

Strommasten bei Ludwigsburg: 1550 Unternehmen von EEG-Umlage weitgehend befreit

Foto: dapd

Hamburg - Die Bundesregierung wird im Jahr 2013 Industriebetriebe in großem Umfang von den gestiegenen Stromkosten befreien. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat Mitte Dezember zahlreichen Unternehmen mitgeteilt, dass sie von der sogenannten EEG-Umlage weitgehend ausgenommen sind. Nach SPIEGEL-Informationen profitieren insgesamt rund 1550 Betriebe; mehrere hundert strittige Anträge werden noch geprüft.

Die Zahl der befreiten Firmen ist damit drastisch gestiegen. Bereits in diesem Jahr lag sie bei 778 Unternehmen. Für das Jahr 2013 hatten mehr als 2000 Firmen einen Antrag auf Befreiung gestellt - rund drei Viertel waren demnach erfolgreich. Der wirtschaftliche Vorteil für die Betriebe wird nach Berechnungen der Grünen bis zu vier Milliarden Euro betragen. Kompensieren müssen das überwiegend Privatkunden und kleinere Unternehmen - für sie sind die Aufschläge auf ihre Stromrechnung entsprechend höher.

Die EEG-Umlage ist das zentrale Förderinstrument für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wind-, Solar- und Biogasanlagen können am Markt noch nicht mit Kohle- und Atomkraftwerken konkurrieren. Damit sie trotzdem rentabel sind, wird solchen Kraftwerken der Strom zu einem fixen Preis abgenommen. Dieser liegt deutlich über dem Preis an der Strombörse. Die Differenz von Börsenpreis und fixem Abnahmepreis zahlen die Verbraucher über ihre Stromrechnung.

Die Förderung ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, in der Folge wurden immer mehr Industriebetriebe teils oder ganz von der Umlage befreit. Die Regierung will so vermeiden, dass die Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Kritiker monieren allerdings, dass inzwischen auch viele Firmen Vergünstigungen erhalten, die es gar nicht nötig hätten.

Vergünstigungen für Kohlegruben

"Es ist atemberaubend", kritisiert etwa Felix Matthes vom Öko-Institut im SPIEGEL. Das vorgebliche Kriterium für die Befreiung – der Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit – sei in der Mehrzahl der Fälle nicht gegeben: "Mindestens die Hälfte der Unternehmen ist auf dieser Liste fehl am Platz", sagt Matthes.

Und tatsächlich: Von der EEG-Umlage umfassend befreit sind der aktuellen Liste zufolge auch Kohlegruben der Energiekonzerne RAG und Vattenfall, Schlachthöfe von Wiesenhof und anderen Geflügelmästern sowie eine Reihe von Tierfutterfabriken. Profiteure sind zudem regionale Wurst- und Käsehersteller, Schokoladenfabriken, Solar- und Bioenergiefirmen, die Stadtwerke München, der Erdölmulti Exxon - und die Bremer Tageszeitungen AG, die den "Weser-Kurier" verlegt.

Schon 2012 fanden sich absurde Fälle auf der Liste - zum Beispiel der Photovoltaik-Riese Solarworld, der für den Strom, den er für die Produktion von Silizium-Scheiben braucht, schon seit 2011 keine Ökostrom-Umlage mehr zahlt.

Die Politik bemesse die Ausnahmen inzwischen derart großzügig, "dass die Gefahr besteht, dass nur noch die Dummen nicht von der EEG-Umlage befreit sind", sagt Andreas Löschel, der die Expertenkommission der Bundesrepublik zur Energiewende anführt. Das verschlechtere die Akzeptanz dieser großen Aufgabe.

Über die Vergünstigungen gibt es mittlerweile auch in der Koalition Streit. Während Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) an der Päppelung der Industrie festhält, will Umweltminister Peter Altmaier (CDU) im Frühjahr die Ausnahmen drastisch begrenzen und kann auf Rückendeckung durch Angela Merkel (CDU) hoffen. Die Kanzlerin sprach am Dienstag von einer "Unwucht". Es könne nicht sein, dass diejenigen, die für die Energiewende zahlen, immer weniger werden.

ssu
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