Ernsting’s-Family-Chef über 2G-Beschlüsse »Dagegen werden wir klagen, bis zum letzten Euro«

Der Chef der Modekette Ernsting’s Family wettert gegen die jüngsten Coronabeschlüsse – und kündigt juristische Schritte an. Weitere Kläger dürften folgen.
Ernsting’s-Filiale in Düsseldorf (Archiv): Will juristisch »gegen diesen Regelungsirrsinn« vorgehen

Ernsting’s-Filiale in Düsseldorf (Archiv): Will juristisch »gegen diesen Regelungsirrsinn« vorgehen

Foto: Michael Gstettenbauer / imago images/Michael Gstettenbauer

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Ernsting’s Family ist ein deutsches Traditionsunternehmen. Gegründet von Kurt Ernsting in den Sechzigern, hat die Modekette inzwischen rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 1900 Filialen. Angesichts der jüngsten 2G-Beschlüsse der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ist dem heutigen Chef Timm Homann nun der Kragen geplatzt.

Der Handel werde von der Politik dauerhaft »zum Faustpfand gegen die Ungeimpften« gemacht, teilte Homann dem SPIEGEL über einen Sprecher mit. »Die Maßnahmen der Politik gegenüber dem Handel sind reine Symbolpolitik und haben keinerlei Sachbezug«, wettert der Manager – und verweist unter anderem auf Zuwächse im Geschäft bei den nicht reglementierten Supermärkten und Drogerien, die bereits in den vergangenen Shutdowns vermehrt Mode anboten.

»In dieser Facette hat das Züge einer Bananenrepublik angenommen!«

Ernsting’s-Chef Homann

»Glauben Sie, dass irgendwo eine Socke oder ein T-Shirt weniger verkauft wurde?«, fragt Homann in der Stellungnahme. Tatsächlich wirbt ein großer Lebensmitteldiscounter aktuell in seinem neuen Prospekt offensiv für Sportbekleidung ab 9. Dezember.

Die Politik sorge »in Willkür und ohne fachliche Fundierung dafür, dass einige Unternehmen reicher werden und andere an Substanz und Perspektive verlieren«, kritisiert Ernsting’s-Chef Homann. »In dieser Facette hat das Züge einer Bananenrepublik angenommen!«

Kik: 30 Prozent weniger Umsatz bei 2G

Homann, seit 2014 Chef der Unternehmensholding, kündigte an, juristisch »gegen diesen Regelungsirrsinn« vorgehen zu wollen. Was jetzt passiere, sei »unverhältnismäßig, ungesetzlich, undemokratisch und in weiten Teilen unentschädigt«.

Was den Betriebswirt so aufbringt, sind die Beschlüsse von Bundes- und Ländervertretern zur Eindämmung der Coronapandemie vom Donnerstag. Demnach soll in der Gastronomie und im Einzelhandel künftig 2G gelten: Zutritt also nur noch für Geimpfte und Genesene, Ausnahmen sind lediglich für Geschäfte des täglichen Bedarfs vorgesehen. Homann befürchtet, dass, während man sich künftig unter anderem bei Ernsting’s Family legitimieren müsse, sich bei Rossmann, Lidl oder beim Bäcker unkontrolliert die Kundschaft balle.

Unternehmenschef Homann kündigte nun an: »Dagegen werden wir klagen, bis zum letzten Euro. Das staatspolitische Versagen muss adressiert werden, zumindest müssen die entstandenen Schäden fair und mit Anstand (und eben nicht verschlagen-schlumpfig ohne jede Integrität) für die ausgeglichen werden, die besondere Opfer bringen.« Die Gerichte müssten »jetzt aktiv werden gegen diesen unfassbaren Dilettantismus«.

Auch die große Buchhandelskette Thalia ist von den neuen Regeln betroffen. »Wir prüfen aktuell die Option einer Klage gemeinsam mit den anderen betroffenen Handelskolleginnen und -kollegen«, teilte eine Sprecherin mit. Bei C&A ist man dagegen noch zurückhaltender, eine Sprecherin ließ wissen: »Wir befolgen die Anweisungen der Behörden, obwohl die Erfahrungen seit Beginn der Pandemie zeigen, dass Einzelhandelsgeschäfte, einschließlich unseres, in der Regel keine primären Infektions- und Übertragungsorte des Virus sind.«

Deutlich lauter ist bereits Kik-Chef Patrick Zahn. »Diese Maßnahmen bringen für die Bekämpfung der Pandemie nichts, richten aber einen großen Schaden im Einzelhandel an«, kritisiert er laut »Handelsblatt «. Wie der Ernsting’s-Chef sprach auch Zahn dem Bericht zufolge von »Staatsversagen, dass die Politik das Problem mal wieder auf die kleine Gruppe der Non-Food-Händler abwälzt«. In den drei Bundesländern, in denen schon 2G gelte, mache die Kleiderkette derzeit 30 Prozent weniger Umsatz bei vollen Kosten.

Obergrenze bei Hilfen erreicht

Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) rechnet durch die 2G-Regel allein im stationären Einzelhandel mit Einbußen von etwa 5,3 Milliarden Euro im Dezember. Bestehende Überbrückungshilfen sollen laut Bund zwar verlängert werden, doch Ernsting’s-Chef Homann reicht das nicht. Er kritisierte, dass vollmundig angekündigte Hilfen des Bundes nur »in marginaler Struktur auf den Weg gebracht« worden seien und es dafür überall Hürden und Obergrenzen gebe.

Laut Handelsverband HDE haben viele Unternehmen die aktuell festgelegte Obergrenze für staatliche Hilfen in diesem Jahr bereits während des Shutdowns erreicht, während Onlinehändler wie Amazon, Zalando und Co. im wichtigen Weihnachtsgeschäft erneut einen zusätzlichen Schub bekommen.

Ernsting’s Family dürfte auch deshalb nicht das einzige bekannte Unternehmen sein, das nun gerichtlich gegen die neuen Coronabeschlüsse vorgehen will. Ein Handelsverbandssprecher teilte mit, er rechne »fest damit, dass es einige Klagen geben wird«. Er verwies auf ein Gutachten  der renommierten Kanzlei Noerr, wonach die nun beschlossenen Einschränkungen verfassungswidrig seien und unter anderem die Berufsfreiheit der Einzelhändler unzulässig eingeschränkt werde.

Modehändler Homann versichert derweil, das Unternehmen tue »alles, um einen Beitrag gegen diese fürchterliche Pandemie mit vielen Opfern zu leisten«. Homann forderte jedoch: »Schließt dort, wo Ansteckung entsteht und entschädigt diese Branchen/Personen fair. Agiert sachbezogen und nicht getrieben!« Die nun getroffene 2G-Regelung weise keinerlei Inzidenz-/Hospitalisierungsbezug auf, durch sie werde also gerade nicht gezielt auf die aktuelle Entwicklung reagiert.

Währenddessen springe das Unternehmen selbst für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein: »Wir impfen, klären auf, spenden.« Das Kurzarbeitergeld werde von Ernsting’s Family für alle Mitarbeiter auf 100 Prozent aufgestockt, mobiles Arbeiten ermöglicht, während das Unternehmen »seit zwei Jahren völlig unverhältnismäßige Schäden« ertragen müsse.

Dass die Einzelhändler künftig nun auch noch kontrollieren sollen, ob die 2G-Regeln im Geschäft eingehalten werden, hält er für ein Unding – und verweist darauf, dass er seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schützen müsse. Wenn einem oder einer von ihnen etwas passiere, so Homann mit Blick auf die tödlichen Schüsse eines Maskenverweigerers an einer Tankstelle in Idar-Oberstein, »dann ist dies mein persönlicher Super-GAU«.

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