Womöglich mit Österreich Linke fordert Bundesregierung zu Klage gegen EU-Atompläne auf

Atomkraft im Grünen: Kraftwerk Chooz in den Ardennen im Nordosten Frankreichs
Foto:Hocquart C/Andia.fr / imago images/Andia
An dem Tag, an dem in Deutschland drei der sechs letzten verbliebenen Kernkraftwerke planmäßig für immer abgeschaltet wurden, verkündete die EU-Kommission, auch Atomenergie als klimafreundlich einstufen zu wollen. Dieser Vorschlag vom Silvestertag sorgt in Berlin zunehmend für Unruhe: Die Linke im Bundestag verlangt von der Bundesregierung, gemeinsam mit Österreich juristisch gegen die EU-Pläne vorzugehen. »Deutschland sollte den Klageweg Österreichs gegen die Einstufung der Atomkraft als nachhaltig und klimafreundlich unterstützen«, forderte der Europaexperte der Fraktion, Andrej Hunko, in einer Mitteilung . »Eine einfache Nichtzustimmung im EU-Rat reicht nicht und würde den Kommissionsvorschlag de facto durchwinken, weil dort eine qualifizierte Mehrheit notwendig ist, die aktuell nicht erreichbar ist.«
EU-Parlament kann ablehnen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte am Vortag gesagt: »Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht.« Der Grünenpolitiker kritisierte, dass der Vorstoß »das gute Label für Nachhaltigkeit« zu verwässern drohe. Er sprach von Greenwashing.
Investitionen in neue AKW sollen nach dem Vorstoß der EU-Kommission als grün klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten technischen Standards entsprechen und ein konkreter Plan für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle ab 2050 vorgelegt wird. Auch Investitionen in neue Gaskraftwerke sollen übergangsweise unter strengen Voraussetzungen als grün eingestuft werden können. Österreichs grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hatte daraufhin angekündigt: »Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, werden wir klagen.«
Linkenpolitiker Hunko sagte: »Dieser Kommissionsvorschlag muss gestoppt werden. Das EU-Parlament kann dies mit einfacher Mehrheit ablehnen, die Bundesregierung sollte jedoch die österreichischen Klagebestrebungen mit aller Kraft unterstützen.«
SPD-Fraktionsvize Miersch warnt vor Wettbewerbsverzerrung
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch wandte sich ebenfalls gegen den Vorschlag: »Deutschland sollte alle Möglichkeiten ausschöpfen, um auf europäischer Ebene eine Förderung dieser Technologie zu verhindern.« Atomkraft sei nicht nachhaltig und absolut unwirtschaftlich, sagte Miersch. Leider seien auch Teile der Klimabewegung viel zu unkritisch gegenüber dieser Technologie. »Neue AKW-Projekte sind ohne massive Subventionen überhaupt nicht finanzierbar.« Das gelte auch für die Folgekosten der Endlagerung.
Die Zukunft müsse den Erneuerbaren gehören, sagte Miersch. »Wenn jetzt noch eine Förderung von Atomkraft neben der CO₂-Bepreisung hinzukäme, wäre eine massive Wettbewerbsverzerrung die Folge. Vielmehr brauchen wir eine Debatte zur analogen Bepreisung der Atomkraft.«
Die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte den Vorstoß ebenfalls. »Augen zu und durch, das scheint das Motto der EU-Kommission bei Atomkraft und Erdgas zu sein«, sagte Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland. Neben Atomkraft sollen nach dem Vorschlag der EU-Kommission auch Investitionen in neue Gaskraftwerke insbesondere auf Wunsch Deutschlands übergangsweise als grün eingestuft werden können.
Kopp kritisierte zudem den Prozess hinter der Einstufung. Wissenschaftler, Bürger und Finanzinstitutionen würden ausgeschlossen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verspiele mit dem Vorgehen Vertrauen und gefährde so ihren eigenen Green Deal für nachhaltiges Wachstum in der Europäischen Union.