Reaktionen auf Taxonomie »Die EU-Klimapolitik ist nun nachhaltig geschwächt«

Atomkraft und Gas gelten in der EU künftig als nachhaltig – die Industrie begrüßt das. Umweltschützer dagegen sind enttäuscht: Der Entschluss würde alle »ins Nirwana greenwashen«, schreibt Luisa Neubauer. Die Übersicht.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer protestiert im Januar gegen die Taxonomie

Klimaaktivistin Luisa Neubauer protestiert im Januar gegen die Taxonomie

Foto: Marek Majewsky / dpa

Sind Investitionen in Gas und Atomkraft nachhaltig? Darüber streiten Politik, Industrie und Umweltschützer seit Langem. Das Europaparlament hat nun beschlossen, Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen – und damit ganz unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen.

Enttäuschung bei Umweltschützern

Umweltschützer äußerten sich zutiefst enttäuscht über das Abstimmungsergebnis. »Fridays for Future«-Aktivistin Luisa Neubauer schrieb auf Twitter, es sei ein »harter Tag«: »Die EU-Klimapolitik ist nun nachhaltig geschwächt.« Teile des EU-Parlaments hätten entschieden, »dass sie uns alle lieber ins Nirwana greenwashen wollen«. »Fridays for Future« teilte mit, Milliarden Euro flössen nun in neue Gasinfrastruktur und Atomkraftwerke, statt in den Ausbau von Wind- und Solar.

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Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Joachim Schuster sprach von einem »Rückschlag für den Klima- und Umweltschutz in Europa«. Der Grünen-Politiker Michael Bloss kommentierte: »Heute ist ein trauriger Tag für die europäische Energiewende.«

Bundesregierung: Kernenergie ist nicht nachhaltig

Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte mit: »Ungeachtet des Abstimmungsergebnisses bleibt die Bundesregierung bei ihrer Position und betrachtet Kernenergie als nicht nachhaltig.« Er machte jedoch keine Angaben dazu, ob der Bundesregierung eine Lösung ohne Gas und Kernkraft lieber gewesen wäre als eine mit beiden Energiequellen.

Gegner kündigten zudem umgehend an, gegen den Rechtsakt vor dem Europäischen Gerichtshof klagen zu wollen. Die Regierungen der EU-Staaten Österreich und Luxemburg hatten einen solchen Schritt für den Fall eines Scheiterns der Parlamentsabstimmung bereits Anfang des Jahres in Aussicht gestellt und bekräftigten nun ihre Pläne. Linken-Ko-Chef Martin Schirdewan forderte die Bundesregierung auf, eine Klage zu unterstützen.

Industrie begrüßt Planungssicherheit

Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala bezeichnete den Rechtsakt am Mittwoch als einen »schwierig ausgehandelten und fragilen Kompromiss«. Eine Reihe von EU-Staaten könne ihre Verpflichtungen aus den gemeinsamen Klimazielen nur mit solchen Regeln erfüllen, argumentierte der liberalkonservative Politiker. Sie sehen vor, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird. (Lesen Sie hier, welche Länder nun profitieren. )

Die Industrie zeigte sich erleichtert. »Für Energieversorgungssicherheit inmitten der aktuellen Energiekrise braucht es mehr denn je Investitionen in Gasinfrastrukturen, vor allem auch in Flüssiggas-Terminals«, kommentierte Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Mit der EU-Taxonomie sei jetzt der Weg frei für Finanzströme in den Übergang von Kohle und Erdgas zu erneuerbaren und alternativen Gasen – dies gebe der Industrie Planungssicherheit.

Einstufung soll Investitionen in Klimaschutz fördern

Konkret ging es bei dem Votum im Parlament um einen ergänzenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll. Für Unternehmen ist es relevant, weil es die Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflussen und damit zum Beispiel Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben könnte. Investoren sollen zudem in die Lage versetzt werden, Investitionen in klimaschädliche Wirtschaftsbereiche zu vermeiden.

In einem ersten Schritt war bereits im vergangenen Jahr entschieden worden, die Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft als klimafreundlich einzustufen. Zudem wurden Kriterien für zahlreiche andere Wirtschaftsbereiche festgelegt. Sie regeln beispielsweise, dass der Personen- und Güterzugverkehr ohne direkte CO2-Abgasemissionen als klimafreundlich eingestuft werden kann.

kko/dpa
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