S.P.O.N. - Die Spur des Geldes Die Schummel-Argumente deutscher Ökonomen

Es gibt linke Ökonomen, und es gibt rechte - in Deutschland eher nur rechte. Unter diesen hat sich in den letzten Jahren eine Tendenz zu intellektueller Korruption ausgebreitet.

Wir dürfen nie vergessen, dass es deutsche Konservative waren, die jahrelang immer wieder das Preisstabilitätsziel der Europäischen Zentralbank hochgehalten haben und ihr jegliche andere Zielsetzung verwehrten. Wie andere Zentralbanken auch setzte sich die EZB ein Inflationsziel von zwei Prozent - sogar noch etwas darunter. Die konservative Seele deutscher Ökonomen schien befriedigt.

Doch dann passierte etwas, worauf die konservativen Seelen nicht vorbereitet waren. Die Inflation sank unter den Zielwert. Und jetzt reden die konservativen Seelen überhaupt nicht mehr von Preisstabilität, sondern über Finanzstabilität und andere Sekundärziele, eben das, was sie selbst früher als Ziel einer Geldpolitik verneinten und herunterspielten. Preisstabilität ist nicht mehr kommod. Man legt sich andere Argumente zurecht.

Wenn Sie deutsche Ökonomen hören, die den gestrigen Schritt der EZB kritisieren, dann fragen Sie die mal, wie sie die Preisstabilität wiederherstellen wollen. Da kommt nichts, außer Prognosen, dass es in Zukunft alles wieder gut wird. Meine Schlussfolgerung aus dieser leidlichen Debatte: Das Volkswagen-Syndrom hat sich dort eingeschlichen. Es wird argumentativ geschummelt, und alle machen mit.

Bislang gab es nur ein Argument auf konservativer Seite, das zumindest den Versuch einer konsistenten Position unternahm. Das Argument kam einst von Jürgen Stark, ehemaliges deutsches Mitglied im EZB-Rat. Stark lehnt ausdrücklich das Inflationsziel der EZB ab. In den europäischen Verträgen steht nichts von zwei Prozent, sondern nur Preisstabilität.

Das ist eine intellektuell radikalere Position, als sie sich anhört, aber zumindest in sich konsistent. Monetaristen der Sechziger- und Siebzigerjahre vertraten diese Position und betonten die Bedeutung der Geldmenge - des im Umlauf befindlichen Geldes als Zielgröße. Das Problem ist nur, dass ein ehrlicher Monetarist am Ende die gleiche Politik hätte betreiben müssen wie EZB-Chef Mario Draghi. Auch die Geldmenge wuchs über Jahre viel zu langsam. Das ist auch der Grund, warum sich Deutschlands konservative Kritiker dieser Argumentation nicht angeschlossen haben. Intellektuelles Schummeln ist halt einfacher, als eine kohärente Position zu entwickeln.

Das spezifische intellektuelle Versagen in der deutschen Debatte besteht darin, dass man Zielverfolgung und Zielsetzung durcheinanderschmeißt - und zwar bewusst. Unehrlich ist der, der von Draghi verlangt, sein eigenes Inflationsziel nicht erreichen zu wollen. Draghi erbte es schließlich von einem Deutschen, nicht von Stark, sondern von Otmar Issing, Starks Vorgänger. Issing wusste sehr wohl, warum er damals das Inflationsziel nicht auf Null setzte. Man riskiert bei Verfehlung schnell eine Deflation. Und es ist gar nicht so einfach, Inflation richtig zu messen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass ein kleiner Spielraum hilfreich ist. Eine kleine positive Inflationsrate hat sich international als Ziel etabliert.

Wer also dieses von deutscher Seite gesteckte Inflationsziel akzeptiert, aber die Entscheidungen des EZB-Rates ablehnt, schuldet uns eine Erklärung, wie man die Inflation wieder nachhaltig auf knapp zwei Prozent erhöht. Stattdessen bekommt man von diesen Ökonomen nur Ausreden und Schuldzuweisungen.

Stammtischparolen endlich hinterfragen

Eine Debatte über die Zielsetzung würde ich persönlich begrüßen. Man kann Preisstabilität in der Tat auch anders definieren, zum Beispiel als Stabilität eines Preisindexes. Ich selbst befürworte die so genannte Nominale Einkommensteuerung, die die Notenbanken verpflichten würde, einen Wachstumspfad zu stabilisieren - nicht das reale Wachstum, sondern das nominale, also das Wachstum des Geldwertes der volkswirtschaftlichen Leistung.

Aber im Gegensatz zu Deutschlands Konservativen würde ich nicht im Traum auf die Idee kommen, die EZB dafür zu kritisieren, dass sie mein persönliches Ziel nicht verfolgt. Und im Gegensatz zu den Konservativen verstehe ich das Argument, dass man Ziele nicht in dem Moment abschafft, in dem man sie nicht erreicht. Und genau das ist es, was die deutschen Kritiker von ihr jetzt verlangen.

Die Zielsetzung dieser Hinterhältigkeit besteht darin, Menschen in Deutschland bewusst zu verunsichern. Welcher Laie versteht schon die Technik, die hinter diesen Inflationszielen steckt? Man vertraut in Deutschland Menschen mit dem Titel eines Professors. Genauso wie man den Abgaswerten des Volkswagen-Konzerns vertraute. Es ist an der Zeit, die Stammtischparolen deutscher Professoren und Sachverständiger kräftig zu hinterfragen.

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