Prozess gegen UBS-Banker Adoboli "Ich habe die Kontrolle verloren"

Ex-Händler Adoboli: Mehrere Kollegen sollen in seine Geschäfte eingeweiht gewesen sein
Foto: Oli Scarff/ Getty ImagesDer Prozess gegen den früheren UBS-Händler Kweku Adoboli steuert seinem Ende entgegen. Im Kreuzverhör hat der 32-jährige Ex-Banker nun gestanden, dass er jahrelang die täglichen Handelsobergrenzen umgangen und die Risikokontrolleure der Bank belogen habe. Als Resultat seines Handelns verzeichnete die Bank im September 2011 einen Rekord-Handelsverlust von 2,3 Milliarden Dollar.
"Ich habe die Kontrolle verloren", sagte der junge Angeklagte vor dem Southwark Crown Court in London. Er bestritt allerdings die alleinige Verantwortung für den Riesenverlust. Schließlich seien mehrere Kollegen in seine Geschäfte eingeweiht gewesen.
Bis zum Sommer 2011 sei alles gut gelaufen, erklärte Adoboli. Mit seinen riskanten Geheimgeschäften habe er bis Ende Juni einen Gewinn von insgesamt 120 Millionen Dollar für die Bank erwirtschaftet. Dann sei er jedoch von seinen Vorgesetzten angehalten worden, seine Handelsstrategie zu ändern. Fortan wettete er auf eine Sommerrallye, zu seinem Entsetzen erlebte der Markt aber einen massiven Kurssturz.
Filmreifer Auftritt vor der Jury
Der Auftritt vor der Jury in Gerichtssaal 3 war filmreif. Immer wieder griff Adoboli zur Kleenex-Box neben dem Zeugenstand und tupfte sich mit einem weißen Papiertaschentuch die Augen. Mit tränenerstickter Stimme zeichnete er sich als Opfer des unbarmherzigen Drucks im Investmentbanking. "Ich habe alles gegeben", sagte er auf Fragen seines Anwalts. Er habe sich Tag und Nacht für die Bank aufgerieben, seine Freundin habe ihn wegen des Dauerstresses verlassen. Bis zum letzten Tag sei es ihm nur darum gegangen, den Gewinn der Bank zu vergrößern.
Adoboli wird vorgeworfen, von 2008 bis zu seiner Festnahme am 14. September 2011 die Handelsbilanz der Bank mit imaginären Profiten und Handelspartnern gefälscht zu haben. So konnte er die tägliche Handelsobergrenze von 100 Millionen Dollar umgehen und heimlich mit Milliarden spekulieren. Dazu bediente er sich eines separaten Buchungssystems, das er "Regenschirm" nannte.
Der einstige Star des Trading-Floors betonte, dass nicht nur seine drei Kollegen am ETF-Desk (Exchange-traded funds) von seinen unerlaubten Methoden wussten, sondern auch eine Reihe von Vorgesetzten, darunter der ehemalige Chef des Investmentbanking, Carsten Kengeter. "Wir sollten an die Grenzen gehen. Wir sind bis an die Kante gegangen, dann sind wir abgestürzt", sagte er. Dass er als Einziger nun vor Gericht stehe, sei "einfach nicht fair".
Mit seinem emotionalen Auftritt wollte er offenbar Sympathien bei der Jury wecken. Der gebürtige Ghanaer ist wegen Bilanzfälschung und Betrugs angeklagt. Bei Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.
Adoboli wirft seinen Chefs Anstiftung vor
Bei allem Selbstmitleid zeigte Adoboli im Gerichtssaal auch eine andere Seite: Selbstsicher und eloquent rekonstruierte er, wie es zu dem Milliardenverlust kommen konnte. Er erklärte, wie der ETF-Desk zur Profitmaschine des gesamten Trading-Floors der UBS wurde - und wie er und Kollege John Hughes von den Vorgesetzten angetrieben wurden, immer größere Risiken einzugehen.
"Wir sollten zu viel mit zu wenig Ressourcen in einem Markt mit zu hoher Volatilität leisten", sagte er. Unter anderem verwies er auf Gespräche mit dem früheren Co-Chef der UBS-Wertpapierabteilung, Yassine Bouhara. Dieser habe ihm im April 2011 gesagt: "Du kennst deine Grenzen nicht, bis du die Grenze so weit verschoben hast, dass du einen Klaps auf den Handrücken bekommst." Sein Klaps sei nun der Prozess, sagte Adoboli.
Seit sieben Wochen bieten die Zeugenaussagen der beteiligten Banker einen faszinierenden Einblick in den Alltag der Londoner City. Im Zentrum des Prozesses steht die Frage: War Adoboli ein "Rogue Trader", der allein handelte, oder wurden seine Zockereien von seinen Chefs geduldet, haben sie ihn gar ermutigt?
Die Staatsanwaltschaft stellt Adoboli als besessenen Spieler dar, der an seinem Größenwahn gescheitert ist. Die Verteidigung hingegen hat es vermocht, erhebliche Zweifel an den Kontrollmechanismen der UBS zu wecken.
Ein Kollege riet ihm, nach Ghana zu fliehen
Die Zeugenaussagen legen nahe, dass mindestens Adobolis drei Kollegen am ETF-Desk eingeweiht waren. Ohne die Reserven in seinem "Regenschirm" hätte der ETF-Desk nicht so erfolgreich handeln können, wie er es getan habe, erklärte Adoboli. Die Chefs hätten gewusst, dass die Trader größere Risiken eingingen als offiziell erlaubt. Anders seien die zweistelligen Millionengewinne nicht zu erklären gewesen. "Wir sind alles smarte Leute", sagte Adoboli.
Die fraglichen Vorgesetzten bestreiten, im Bilde gewesen zu sein. Und sie sitzen nicht auf der Anklagebank. Staatsanwältin Sasha Wass kam im Kreuzverhör denn auch auf die aus ihrer Sicht entscheidende Frage zurück: Adoboli habe persönlich fast alle Trades gebucht, die zu dem Milliardenverlust führten. Und er habe nachweislich die Risikokontrolleure der Bank angelogen, als sie misstrauisch wurden und nachfragten.
Adoboli entgegnete, er habe nur gelogen, um Zeit zu kaufen. Am 1. Juli 2011 habe er gewusst, dass er die Kontrolle verloren hatte. Danach sei es ihm darum gegangen, die wachsenden Verluste wieder wettzumachen. Bis zum Schluss habe er gehofft, dass der Markt sich drehen würde. "Es ist wichtig, dass wir meine Absicht im Blick behalten", sagte er. "Ich wollte das Problem beheben. Das war meine Pflicht."
"Ich hätte zu jedem Zeitpunkt weglaufen können", sagte Adoboli. Sein Kollege Hughes habe ihm bereits am 11. August geraten, nach Ghana zu fliehen und von dort die Verluste einzugestehen. "Aber so bin ich nicht gestrickt", sagte er. "Ich bin noch nie vor etwas weggelaufen." Er habe sich mit seinen drei ETF-Kollegen darauf geeinigt, dass er die Verantwortung übernehmen würde, um den anderen nicht die Karriere zu ruinieren.
Der Staatsanwältin Wass fiel es schwer, bei so viel Selbstgerechtigkeit ruhig zu bleiben. Wütend warf sie Adoboli vor, ein "ausgemachter Lügner" zu sein. Das Kreuzverhör geht am Mittwoch weiter.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde Yassine Bouhara, früherer Co-Chef der UBS-Wertpapierabteilung, fälschlicherweise in der weiblichen Form als "Co-Chefin" bezeichnet. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.