Ex-»Bild«-Chefredakteur gibt Interview Julian Reichelt will Mathias Döpfner nicht angelogen haben

Julian Reichelt im Januar 2020
Foto: Jörg Schüler / IMAGODer frühere »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt hat sich in einem Interview mit der »Zeit« zum ersten Mal ausführlich zu seiner Absetzung und den damit verbundenen Vorwürfen geäußert. In dem Interview widerspricht Reichelt in vielen Punkten der Darstellung durch den Springer-Konzern und dessen Chef Mathias Döpfner über die Umstände und Gründe seines Rauswurfs.
Reichelt war im Oktober mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden worden, weil er auch nach einer internen Untersuchung im Frühjahr 2021 wegen Vorwürfen des Machtmissbrauchs eine Beziehung mit einer »Bild«-Mitarbeiterin gehabt haben und den Vorstand darüber belogen haben soll. Konzernchef Mathias Döpfner selbst hatte der Belegschaft im Anschluss in internen Videobotschaften mitgeteilt, Reichelt habe aus seinen Fehlern nicht gelernt und dem Vorstand nicht die Wahrheit gesagt. Daraufhin habe man handeln müssen.
Im Oktober hatten die »New York Times« und der SPIEGEL Recherchen veröffentlicht; in den SPIEGEL-Bericht flossen auch Teile der Recherche des Ippen-Investigativ-Teams ein, wonach Reichelt mehrere Beziehungen mit Mitarbeiterinnen hatte.
Springer bleibt bei »bisheriger Darstellung«
Diese Beziehungen streitet Reichelt nun in dem »Zeit«-Interview nicht ab, wohl aber den Vorwurf, dabei seine Macht als Chefredakteur missbraucht zu haben. Er habe nie Druck auf die Frauen ausgeübt, ebenso wenig habe er sie belästigt. Zudem weist Reichelt zurück, Springer-Chef Döpfner über eine fortdauernde Beziehung mit einer Mitarbeiterin die Unwahrheit gesagt zu haben. »Ich habe Mathias Döpfner da nicht angelogen. Deswegen hat es mich sehr überrascht, wie überrascht er gewesen sein will«, sagt Reichelt. Man habe ihn unter dem Strich wegen seiner Beziehung rausgeworfen – »dafür, dass ich einen Menschen liebe«.
Darüber hinaus erhebt Reichelt in dem Interview gegen mehrere Medien den Vorwurf einer gezielten Kampagne – darunter der SPIEGEL und die ARD-»Tagesthemen«. Ziel sei ein »Vernichtungsfeldzug gegen einen Journalisten« gewesen; er habe den Eindruck gewonnen, es sei gar nicht um ihn als Menschen gegangen, sondern »um die Vernichtung und Auslöschung politischer Gegner«. Der frühere Chefredakteur lehnt es deshalb auch ab, bei betroffenen Menschen um Entschuldigung zu bitten: »Ich wüsste nicht, bei wem und wofür.«
Der Springer-Verlag teilte auf Anfrage mit: »Wir haben unserer bisherigen Darstellung nichts hinzuzufügen.«