Fachkräftemangel Handwerk fordert bessere berufliche Bildung

Baustelle eines Windparks: Nicht nur Ingenieure sind hier gefragt
Foto: Elmar Gubisch / IMAGODie schleppende Zuwanderung und die niedrige Geburtenrate gelten als klassische Gründe für den Fachkräftemangel. Das Handwerk in Deutschland hat nun einen weiteren Punkt ausgemacht, woran es bei der Besetzung leerer Stellen hapert – an mangelhafter beruflicher Bildung.
»Bei der Begabtenförderung werden die Begabten in der beruflichen Bildung mit 60 Millionen gefördert. In der akademischen Bildung mit 300 Millionen«, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. »Ähnlich ist es in anderen Bereichen auch. Die Berufsschulen müssen stärker finanziert werden.« Das stehe im Koalitionsvertrag und sei richtig. »Die 600 Bildungsstätten des Handwerks stehen aber nicht drin. Das aber sind die Hochschulen des Handwerks. Da braucht es zwingend ein entsprechendes Engagement«, sagte Wollseifer. Und: Manche Berufsschule sei in einem grauenhaften Zustand.
Berufliche Bildung aufwerten
Dabei gibt es großen Bedarf an qualifiziertem Personal – und die Lage dürfte sich mit den Aufgaben der Energiewende noch zuspitzen. »Nur mit beruflich qualifizierten Fachkräften des Handwerks sind die Klimaschutzziele, die Energieeffizienzziele, die E-Mobilität, der Ausbau der Ladesäulen und der Infrastruktur möglich.« Wollseifer forderte die Politik auf, die berufliche Bildung zu stärken. »Wir müssen alles daran setzen, so rasch wie möglich tatsächlich die Wende hinzubekommen zu mehr Wertschätzung der beruflichen Ausbildung, aber auch ganz konkret hin zu mehr jungen Menschen, die sich für den beruflichen Ausbildungsweg entscheiden.«
Diese Wende müsse schon deshalb rasant gelingen, damit es nicht zu einer Situation komme, in der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr ausreichend mit handwerklichen Dienstleistungen und Produkten versorgt werden können, so Wollseifer. Der entscheidende Hebel, um die Fachkräftelücke zu schließen, bleibe es, in Deutschland mehr junge Menschen zu qualifizierten Fachkräften auszubilden. Die Gleichstellung der beruflichen Bildung zur akademischen Bildung müsse gesetzlich festgeschrieben werden. Dies wäre ein klares Signal an die ausbildenden Betriebe, aber auch an Schulen, an Eltern, an Lehrer, dass der Staat die berufliche Bildung wirklich gleichwertig zur akademischen Bildung einschätze.
DIHK-Präsident: Frauen arbeiten zu oft Teilzeit
Unterdessen warnt die deutsche Wirtschaft eindringlich vor einer massiven Verschärfung des Fachkräftemangels in den kommenden Jahren. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte: »Die ersten Jahrgänge der Babyboomer gehen schon in Rente.« 2025 komme die »demografische Wende« mit voller Wucht. Dann komme der Punkt, an dem mehr Menschen in Rente gehen als auf den Arbeitsmarkt nachrücken. Dann drohten die Beiträge oder die Steuern zu explodieren. Die neue Bundesregierung müsse die Verfahren für eine gezielte und qualifizierte Fachkräftezuwanderung vereinfachen, beschleunigen und bürokratische Hürden abschaffen, sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, forderte auch mehr Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf: »Wir haben immer noch eine im europäischen Vergleich hohe Teilzeitquote bei den Frauen.« Bis Ende des Jahrzehnts droht laut seinem Verband die Zahl der Arbeitskräfte um drei bis vier Millionen zurückzugehen.