Fall Kweku Adoboli UBS-Kontrolleure sollen Milliarden-Minus übersehen haben

Wer trägt die Schuld am Finanzdesaster bei der UBS? Laut BBC sollen Kontrollinstanzen des Schweizer Instituts die Fehlgeschäfte des mutmaßlichen Zockers Adoboli nicht bemerkt haben. Der unter Verdacht stehende Banker habe von sich aus vor der Katastrophe gewarnt - jetzt wurde gegen ihn Anklage erhoben.
UBS in London: Zweifel an der Theorie vom Einzeltäter

UBS in London: Zweifel an der Theorie vom Einzeltäter

Foto: Andy Rain/ dpa

London - Zuletzt muss Kweku Adoboli ziemlich verzweifelt gewesen sein. "Ich brauche ein Wunder", soll der 31-Jährige laut BBC bei Facebook geschrieben haben. Der Investmentbanker, angestellt bei der Londoner Dependance der Schweizer Großbank UBS, wusste da wohl schon genau, was er angerichtet hatte - und was ihn erwartete.

Am Donnerstag hatte die UBS   mitgeteilt, dass einer ihrer Händler durch unerlaubte Wertpapiergeschäfte einen Verlust von schätzungsweise zwei Milliarden Dollar verursacht hatte. Wegen dieses Verlusts müsse die Bank in diesem Quartal möglicherweise ein Minus vermelden. Für Kunden entstünden jedoch keine Nachteile. Adoboli wurde nach Polizeiangaben bereits in der Nacht zum Donnerstag in London wegen des Verdachts auf Betrug und Amtsmissbrauch festgenommen. Die UBS gab später bekannt, sie habe das gesamte Team Adobolis vom Dienst suspendiert. Am Freitag erhob die Polizei der City of London Anklage gegen den inhaftierten Adoboli. Nach Medienberichten sollte er noch am selben Tag vor Gericht erscheinen.

Doch liegt die Schuld wirklich nur bei dem jungen Mann, von dem Nachbarn berichten, er sei stets gut gekleidet, höflich und eloquent gewesen? Oder haben die Aufsichtsgremien versagt?

Nach BBC-Angaben soll Adoboli die UBS von sich aus vor dem Desaster gewarnt haben. Er sei nicht von der internen Kontrolle entdeckt worden, schrieb der Sender am Freitag auf seiner Internetseite. Die UBS-Verantwortlichen hätten dann die fraglichen Handelspositionen unter die Lupe genommen und die britischen Behörden informiert. Die UBS habe diese neuesten Erkenntnisse gegenüber der BBC nicht kommentieren wollen, hieß es weiter. Wie der leitende Wirtschaftsredakteur des Senders, Robert Peston, auf der Web-Seite  schreibt, wird von der Londoner Finanzaufsicht FSA nun geprüft, warum die Bank die nichtautorisierten Geschäfte des Bankers übersehen konnte.

Kürzungen im Investmentbanking?

Die Zweifel an der Theorie vom Einzeltäter mehren sich. "Ich denke, es gab Personen, die etwas von dem Betrug wussten", sagte der emeritierte Zürcher Bankenprofessor Hans Geiger am Freitag dem Schweizer Fernsehen. Nicht die Höhe des Schadens von geschätzten zwei Milliarden Dollar sei für ihn schockierend, sondern die Tatsache, dass die UBS offensichtlich die Risiken nach wie vor nicht kontrollieren könne. "Wer dies nicht kann, gehört nicht in dieses Geschäft. Wer nicht in der Champions League Fußball spielen kann, der gehört nicht dorthin", sagte Geiger.

Nach dem Desaster will die Schweizer Großbank nun offenbar ihr Investmentbanking deutlich zurechtstutzen. Das Vorhaben werde bei der Investorenversammlung am 17. November bekanntgegeben, berichtete die Schweizer Zeitung "Tages-Anzeiger" am Freitag unter Berufung auf Unternehmenskreise. Es könnte in diesem Zusammenhang zu Tausenden Entlassungen kommen, heißt es in dem Bericht. UBS-Chef Oswald Grübel und der Chef der Investmentbanking-Sparte, Carsten Kengeter, könnten infolge der Vorkommnisse bald zurücktreten.

Vor allem gegen Konzernchef Grübel richtet sich der Zorn. Er müsse "Platz machen" forderte etwa das Wirtschaftsmagazin "Cash" am Freitag. Unverhohlen machte UBS-Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger seinem Unmut über den Vorfall Luft. Er sei "persönlich sehr enttäuscht" sagte er und sprach am Donnerstagabend nach einem Bericht des Schweizer Fernsehens von einem "unseligen Ereignis". Hoffnungen werden jetzt auf Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber gesetzt, der 2012 in den Verwaltungsrat der UBS einziehen und 2013 dort das Ruder übernehmen soll.

Das Vertrauen in den Finanzkonzern ist jedenfalls massiv erschüttert. Die Rating-Agentur Moody's erwägt, die Kreditwürdigkeit der UBS herabzustufen. Der Vorfall zeige erneut "Schwächen im Risikomanagement" der Bank auf, erklärte die Agentur. Es sei zwar anzunehmen, dass das Institut den Verlust verkrafte. Hingegen sei fraglich, ob es zur Reorganisation seiner Geschäftsabläufe fähig sei. Eine Abstufung trifft Banken, die wie die UBS am internationalen Kapitalmarkt aktiv sind, besonders hart, weil es für sie dann teurer wird, sich zu refinanzieren. Auch Standard & Poor's kündigte an, die UBS-Benotung zu überprüfen. Das Langfrist-Rating A+ stehe zur Disposition, teilte die Rating-Agentur mit.

Die Bank habe zwar seit der Finanzkrise einige Fortschritte im Risikomanagement gemacht, sei hier aber immer noch deutlich hinter der Konkurrenz. Derzeit wird die Bonität der UBS noch mit der Note Aa3 und die Finanzkraft der Bank mit der Einstufung C/A3 bewertet. Eine Abstufung um mehr als eine Stufe sei unwahrscheinlich, hieß es in der Mitteilung. Die Deutsche Bank hat im Langfrist-Rating beispielsweise nach eigenen Angaben ebenfalls Aa3.

Unterdessen wird Adoboli weiter von der Polizei verhört. Die 24-stündige Frist, innerhalb der ein Verdächtiger ohne Erstattung einer Anzeige festgehalten werden könne, sei um zwölf Stunden verlängert worden, teilte die Londoner Polizei am Freitagmorgen mit. Das Wunder, auf das der Banker gehofft hatte, lässt wohl weiter auf sich warten.

kra/suc/dapd/dpa-AFX/Reuters/dapd/AFP
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