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Luca di Montezemolo: Der vornehme Ferrari-Retter

Foto: Sandro Campardo/ AP

Demontage von Ferrari-Boss Montezemolo Fiat-Chef Marchionne allein auf dem Olymp

Nach einem zähen Machtkampf hat Ferrari-Chef Montezemolo aufgegeben. Fiat-Boss Marchionne hat nun auch beim Sportwagen-Hersteller das Sagen. Ferrari-Fans müssen um die Exklusivität der Marke bangen.

Berlin - Sergio Marchionne ist niemand, der andere Götter neben sich duldet. Sein Auftritt in Pullover und kariertem Hemd verleiht ihm zwar die Aura eines bodenständigen Managers, der den Kontakt zur Basis nie verloren hat. In Wirklichkeit ist es jedoch der Olymp, den Marchionne als Gefechtsfeld für seine Intrigen betrachtet.

Als er 2004 die Führung des Fiat-Konzerns übernahm, stand Luca di Montezemolo dort schon seit 13 Jahren an der Spitze von Ferrari. Die Sportwagen-Tochter ist der Stolz des Fiat-Konzerns. Entsprechend selbstbewusst war auch ihr Chef. Doch im Machtkampf gegen Marchionne musste er nun aufgegeben.

Kaum je zuvor wurde ein so erfolgreicher Manager wie Montezemolo in der Top-Liga der Autoindustrie so eiskalt abserviert. Marchionne hatte am Wochenende schon durchblicken lassen, dass Montezemolos Abschied kurz bevorsteht. "Wir sind Freunde, aber niemand ist unersetzlich", verkündete er. Nun tritt er gleich selbst Montezemolos Nachfolge bei Ferrari an. Nicht einmal VW-Patriarch Ferdinand Piëch, der nicht für ein zartfühlendes Wesen bekannt ist, sprang bislang derart grob mit seinen Managern um.

Der forsche Sanierer Marchionne und der vornehme Montezemolo waren nie ein harmonisches Gespann. Montezemolo hatte sich bereits einen legendären Ruf erworben, als sein Widersacher 2004 zum Geschäftsführer des Fiat-Konzerns ernannt wurde. Mit 28 Jahren hatte Montezemolo als Rennleiter bereits die Formel-1-Weltmeisterschaft mit Fahrer Niki Lauda gewonnen. Später als Ferrari-Chef gelang ihm mit Michael Schumacher gleich eine ganze Siegesserie. Auch wirtschaftlich holte der Sportwagenbauer unter seiner Ägide auf. Seit Montezemolos Amtsantritt stieg der Umsatz um das Zehnfache auf 2,3 Milliarden Euro. Inzwischen verkauft Ferrari 7000 Autos pro Jahr.

Trotzdem stichelte Marchionne von Beginn an gegen den Grandseigneur im Fiat-Imperium. Es wurmte ihn, Rechenschaft gegenüber einem Mann ablegen zu müssen, der ihm nach eigener Anschauung kaum das Wasser reichen konnte - und noch dazu weit üppiger entlohnt wurde. Dabei sieht Marchionne bei sich selbst als Sanierer des Fiat-Konzerns die größeren Verdienste.

Konzerndisziplin gegen Exklusivität

Unterschiedliche Vorstellungen über strategische Fragen mögen bei dem schlechten Verhältnis auch eine Rolle gespielt haben. Marchionne versteht sich als Führer eines internationalen Viel-Marken-Konzerns. Er forderte mehr Anpassung von dem bislang sehr eigenständig - oder besser: eigenbrötlerisch - agierenden Sportwagenhersteller. Motoren, Getriebe und andere hochkarätige Technik sollten nicht mehr nur in Einzelfällen den anderen Konzerntöchtern zur Verfügung stehen. Auch die von Montezemolo hochgehaltene Exklusivität durch Begrenzung der Stückzahlen hielt man im Marchionne-Lager für falsch. Die Begründung: Wenn mehr Ferraris in Schenzhen oder Guangzhou verkauft werden, sind sie ja nicht in Los Angeles oder Dubai auf der Straße zu sehen.

Ein Streitpunkt dürfte auch das Thema SUV gewesen sein. Beim Konkurrenten Porsche macht allein der Cayenne inzwischen die Hälfte der Produktion aus. Mit dem Macan dürfte der Anteil noch deutlich steigen. Lamborghini hat einen Geländewagen entwickelt, und selbst Bentley - dem Selbstverständnis nach ein Hersteller exklusiver Sportwagen und Sportlimousinen - steht kurz vor der Fertigstellung eines SUV. Eingefleischte Ferrari-Leute betrachten ein solches Gefährt mit dem Logo des springenden Pferdes auf der Haube jedoch als Sakrileg. Für einen Mann wie Marchionne dagegen sind die zu erwartenden Stückzahlen und Gewinne entscheidend.

Angesichts solcher Dispute war selbst ein weltumspannender Konzern wie Fiat Chrysler auf Dauer nicht groß genug für die beiden in inniger Abneigung verbundenen Manager. Und es deutete sich schon seit Längerem an, wer in diesem Zweikampf Sieger sein würde: Marchionne. Der 62-Jährige gilt als Retter von Fiat  . Die Übernahme von Chrysler gilt als sein Meisterstück. Denn die Gewinne des wiedererstarkten US-Herstellers retteten Fiat vor dem Untergang. Marchionnes Macht ist inzwischen so groß, dass er sogar den Firmensitz der neuen Gesellschaft Fiat Chrysler Automobiles (FCA) in die Niederlande verlegen konnte, ohne in Italien flächendeckende Proteste auszulösen.

Pleite auf der Rennstrecke, Abgang am See

Montezemolo hingegen konnte zwar gute Absatzzahlen bei Ferrari vermelden, doch die lange Serie von Misserfolgen in der Formel 1 überschatten den Geschäftserfolg. Seit 2008 kein Titel - weder für einen Fahrer noch für den Konstrukteur. "Das Herz von Ferrari ist der Sieg. Aber seit sechs Jahren kommt da nichts mehr, und das ärgert mich enorm", ätzte Marchionne auf dem jüngsten Treffen der neuen FCA-Führungselite.

Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis Montezemolo gehen musste. Er selbst spricht vom "Ende einer Ära" und "23 herrlichen und unvergesslichen Jahren". Doch in Wirklichkeit ist es einfach nur ein unrühmlicher Abgang. Marchionne nutzte den Manager-Gipfel am Comer See, der parallel zum Grand Prix von Monza stattfand, als passenden Zeitpunkt. Das klägliche Abschneiden der Ferrari-Piloten - Kimi Räikkönen wurde Neunter, Fernando Alonso schied aus - passte zu Montezemolos schmachvollem Rückzug.

Marchionnes Blick richtet sich bereits auf den großen Tag am 13. Oktober. Dann nämlich feiert der neue Fiat-Chrysler-Konzern sein Börsendebüt in New York. Sergio Marchionne wird dann endlich allein auf dem Olymp stehen und muss die Huldigungen nicht mit einem lästigen Widersacher teilen.

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