Finanzindustrie Analysten warnen Anleger vor Bankaktien

Frankfurter Börse: Bank-Aktien haben in den vergangenen Tagen deutlich verloren
Foto: A3399 Arne Dedert/ dpaHamburg - Den US-Banken geht es an den Kragen. "Wir müssen vernünftige Reformen beschließen, die den amerikanischen Steuerzahler und die amerikanische Wirtschaft vor künftigen Krisen schützen", sagte Barack Obama am Donnerstag. Der Plan des Präsidenten: Banken sollen eine Sondergebühr zahlen, um sich an den Folgekosten der Rezession zu beteiligen. Außerdem will Obama den Handel mit komplizierten Finanzinstrumenten einschränken. Und auch die Größe der Banken soll begrenzt werden. Die Stoßrichtung ist klar: Die US-Regierung will das besonders lukrative Investmentgeschäft der Banken erschweren.
Entsprechend ernst nimmt die Finanzwelt Obamas Pläne. Beispiel Goldman Sachs : Die Bank zahlt ihren Mitarbeitern offenbar weniger Boni aus als ursprünglich veranschlagt. Experten werten das als eine Art Entgegenkommen des Unternehmens. Und das von Goldman - jener Bank, der besonders gute Verbindungen ins Weiße Haus nachgesagt werden. Jener Bank, deren Lenker Lloyd Craig Blankfein noch vor wenigen Wochen erklärte, die Geldhäuser verrichteten "Gottes Werk".
Aber auch die Börsen kuschen vor Obama. Noch vor wenigen Tagen schien es so, als hätten Bankaktien die Krise hinter sich gelassen. So legte der amerikanische Branchenindex "Dow Jones Stoxx Americas 600 Banks" seit Jahresbeginn bis Mitte der Woche etwas mehr als zwei Prozent zu. Ähnlich sah es beim europäischen Bankenindex "Dow Jones Euro Stoxx 600 Banks" aus, in dem auch die Deutsche Bank und die Postbank verzeichnet sind. Doch dann kam Obama.
"Banken arbeiten für ihre leitenden Angestellten, nicht für die Aktionäre"
Am Freitag stand der europäische Bankenindex - im Vergleich zum selben Tag der Vorwoche - mit knapp sechs Prozent im Minus, sein amerikanisches Pendant verlor etwas mehr als ein Prozent. All die Bedenken, die Anleger schon immer gegen Bankaktien gehegt hatten, sind auf einmal wieder präsent.
Christoph Bruns bringt die Sache auf den Punkt. Einst war er Fondsmanager bei Union Investment, vor fünf Jahren machte er sich mit der Boutique Loys selbstständig. "Banken haben ein Grundproblem, weshalb man nicht in sie investieren sollte. Sie arbeiten für ihre leitenden Angestellten und nicht für die Eigentümer. Das erwarte ich aber als Aktionär."
Das zeige sich zum Beispiel bei den Boni. Außerdem seien Banken schwer zu bewerten, bestimmte Risiken blieben daher intransparent. "Klassische deutsche Industriewerte haben im Schnitt einen Eigenkapitalanteil von etwas unter 20 Prozent. Bei Banken sind es sechs bis neun Prozent", sagt Bruns. "Entsprechend hoch sind die Hebel. Geht die Rechnung eines Geschäfts auf, ist das gut - doch wehe, wenn nicht."
94 Prozent der Finanzinstitute sind mit ihrem Risikomanagement zufrieden
Die politischen Unsicherheiten sind in diesen Balance-Akt noch gar nicht einkalkuliert. Sie kommen nicht nur aus Amerika. Auch deutsche Politiker denken darüber nach, die Banken an den Kosten der Krise zu beteiligen. So gehörten die Aktien der Deutschen Bank am Freitag zu den Verlierern im Dax.
"Vielleicht geht der 21. Januar als der Tag in die Geschichte ein, an dem Obama die Wall Street getötet hat", schreibt Marcus Silbe, Analyst von Close Brother Seydler, in einem aktuellen Kommentar. Der Grund ist klar: Die Risiken des Bankgeschäfts werden den Anlegern mit einem Schlag wieder bewusst.
Wie Hohn wirkt es da, dass die Banken selbst von der Leistung ihrer eigenen Risikomanagementsysteme überzeugt sind. Eine Erhebung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) hat genau das ergeben. 94 Prozent der befragten deutschen Finanzunternehmen sind demnach mit ihrem Risikomanagement zufrieden. Kein Wunder - nachdem die Steuerzahler den Banken einen Großteil der Risiken abgenommen haben. Zum Vergleich: In der Autobranche äußern sich nur 75 Prozent der Unternehmen positiv über ihr Risikomanagementsystem.
Die Folgen sind für die Finanzbranche alles andere als erfreulich: Neue Anbieter haben den klassischen Banken in den vergangenen Monaten Geschäftsanteile abgejagt. Die 2006 gegründete Prime Capital zum Beispiel positioniert sich an der bislang vakanten Nahtstelle zwischen Investmentbank und Assetmanager. Oder Tesco . Die britische Supermarktkette, bekannt für dreieckige Sandwichs, hat 1997 eine eigene Finanzgruppe gegründet - und seitdem gut sechs Millionen Kunden gewonnen. Mit einfachen Produkten wie Kreditkarten oder Darlehen. Komplexe Finanzkonstruktionen fehlen.
Die Kursentwicklung seit August 2009 zeigt: Die Aktie von Tesco steht deutlich besser da als die der Deutschen Bank.