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Tönnies: Kampf der Schweinebarone

Foto: Oliver Krato/ dpa

Tönnies gegen Tönnies Schlacht der Schlachter

Familienfehde der Schweinebarone: Vor dem Landgericht Bielefeld streiten Robert und Clemens Tönnies um die Macht in Deutschlands größtem fleischverarbeitenden Betrieb. Es geht um Milliarden und um die Egos zweier Männer.

Irgendwann, nach Stunden juristischer Wortgefechte, meldet sich Clemens Tönnies zu Wort. Deutschlands erfolgreichster Schlachter, zudem Aufsichtsratschef des Fußball-Bundesligisten Schalke 04, knipst sein Mikrofon an, es wird mit einem Mal sehr still im Saal 255 des Landgerichts Bielefeld, zehn Anwälte schweigen, die Kammer lauscht, Tönnies spricht.

"Diese Familie", sagt der Unternehmer nicht wenig theatralisch, "hat zusammengehalten wie Pech und Schwefel - gegen alle." Sie hätten etwas aufgebaut, aus dem Nichts, sein Bruder Bernd sei "der Souverän" gewesen, und nach dessen Tod habe er dessen Söhne Clemens und Robert nach Kräften gefördert. "Es war alles in Ordnung." Erst ein Anwalt habe das Klima vergiftet, den Frieden zerstört.

Darauf reagiert umgehend der angesprochene Jurist, Mark Binz, ein Rechtsanwalt von einiger Reputation, der nun "Geschichtsfälschung" verhindern will. Vielmehr sei es doch wohl so gewesen, sagt er, dass Clemens Tönnies schon zuvor das Verhältnis zu seinem Neffen Robert als "abgrundtief im Keller" beschrieben habe. Sofort widerspricht die Gegenseite, nein, nein, "im Eimer" habe man gesagt, nicht "im Keller". Binz grinst zufrieden und nickt: "Danke sehr."

Juristische Taschenspielertricks und Wortklaubereien

Das Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld ist voll von solchen juristischen Taschenspielertricks und Wortklaubereien, denn es geht um nicht weniger als um die Macht in Deutschlands größtem fleischverarbeitenden Betrieb. Die Tönnies-Unternehmensgruppe ist ein Gigant, fast fünf Milliarden Euro Umsatz, 8000 Mitarbeiter, entstanden aus Ehrgeiz, Härte, Aufstiegswillen und wohl auch mit Hilfe niedriger Löhne, was in der Branche nicht unüblich ist.

Mittlerweile aber behandeln sich die Mitglieder des einstmals angeblich verschworenen Clans aus dem ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück nicht mehr allzu freundlich. Seit fast zwei Jahren liegen Robert, 35, und sein Onkel Clemens, 57, im Clinch, beim Bielefelder Landgericht sind diverse Klagen anhängig. Unter anderem fordert Robert Tönnies wegen "groben Undanks" fünf Prozent der Unternehmensanteile zurück, die er ebenso wie sein Bruder dem Onkel geschenkt hatte.

An diesem Freitagmittag soll nun die Frage geklärt werden, ob Clemens Tönnies in der Gesellschafterversammlung der Tönnies Holding GmbH und Co. KG ein Doppelstimmrecht hat. Es gibt einen Vertrag vom 24. Dezember 2002, der diese Sonderstellung begründen soll, doch der bezieht sich offenbar auf eine andere, unbedeutendere Firma. Zufall? Das sei bloß ein peinlicher Fehler des Notars gewesen, sagt Clemens Tönnies' Anwalt, der habe "Murks gemacht".

Der Kläger Robert Tönnies sieht das anders. Er hat den Eindruck, von seinem Onkel über den Tisch gezogen worden zu sein. Damals habe er als Student irgendwelche Papiere unterzeichnet, ihm sei nicht ganz klar gewesen, worum es gegangen sei. "Der übliche Papierkram", dachte er. Das doppelte Stimmrecht, so erinnert sich Robert Tönnies, sei ihm dabei als vorübergehende Regelung in einer Tochtergesellschaft verkauft worden, mit der die Banken hätten beruhigt werden sollen. Jedenfalls sei es nicht seine Absicht gewesen, "sich selbst zu entmachten und zu entreichern".

"Eine Zusage ist eine Zusage"

Dem wiederum widerspricht Clemens Tönnies. Er verwahre sich gegen den Vorwurf, seinen Neffen hinters Licht geführt und den Banken etwas vorgemacht zu haben. "Eine Zusage ist eine Zusage", sagt er. Er habe nach dem Tod des Bruders Bernd 1994 nur 40 Prozent der Anteile an dem Familienunternehmen gehalten, 60 Prozent besaßen demnach Bernds Söhne. Daher hätten die Institute zur Absicherung ihrer Kredite darauf gedrängt, dass seine Stellung im Konzern gestärkt werde, so Tönnies.

Robert Tönnies allerdings fühlt sich in seiner Haltung bestätigt durch einen Vermerk, den der Firmennotar im April 2003 an Roberts Mutter schickte. Darin notierte der Jurist, das doppelte Stimmrecht für Clemens Tönnies solle nicht dauerhaft eingeräumt werden, sondern allenfalls vorübergehend. Die Gegenseite um den Anwalt Matthias Blaum argumentiert indes, der Notar habe mit diesem Schreiben bloß einen Fehler kaschieren und die um das Wohl ihrer Söhne besorgte Witwe beruhigen wollen.

Eindeutig wird am Ende trotz all der Winkelzüge, was Clemens Tönnies immer angestrebt hat. Er selbst sagt, nach dem Tod seines Bruders habe er nur "zwei Wünsche" gehabt. Zum einen wollte er die Hälfte an dem Unternehmen, zum anderen "seine Leitungsposition absichern". Die Frage, über die die Kammer nun entscheiden muss, ist daher, zu welchen Mitteln Clemens Tönnies griff, als er seine Träume verwirklichte. Waren seine Neffen einverstanden mit dem Vorgehen oder wurden sie überrumpelt?

Am 29. November will das Gericht darüber entscheiden. Klar ist wohl schon jetzt: Keine der Parteien wird das Urteil akzeptieren. Die Schlacht der Schlachter - sie geht weiter.

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