Solarworld-Chef Frank Asbeck "Jetzt seien Sie mal nicht so spießig!"

Die Rettung von Solarworld hat Anleger viel Geld gekostet, Konzernchef Frank Asbeck selbst kaufte sich ein Schloss. Ein Gespräch über deutsche Neidkultur, dreiste Chinesen und höhere Steuern für Reiche.
Solarworld-Chef Asbeck: "Ich sehe keinen Anlass, mein Leben zu ändern"

Solarworld-Chef Asbeck: "Ich sehe keinen Anlass, mein Leben zu ändern"

Foto: Claus Hecking
Zur Person

Frank Asbeck, 54, ist Gründer und Vorstandschef von Solarworld, dem deutschen Branchenpionier für Solarenergie. Der bekennende Legastheniker, Jäger und Multimillionär ist Vater von drei Kindern. Er wird oft für seinen genussfreudigen Lebensstil kritisiert. Sein Unternehmen profitierte stark vom Solarförderboom, 2013 stand es am Rande der Insolvenz.

SPIEGEL ONLINE: Herr Asbeck, Aktionärsschützer haben Sie kürzlich zum größten Kapitalvernichter Deutschlands  gekürt: 97 Prozent Kursverlust in fünf Jahren. Ganz schön traurig, oder?

Asbeck: Die Liste vergleicht den Höchststand der Solarworld zu absoluten Boomzeiten mit dem Kurs kurz vor dem Schuldenschnitt. Das ist verzerrt. Zuvor hatten wir zehn Jahre lang eine der am besten performenden Aktien Deutschlands. Außerdem: Wir haben es jetzt in einem Jahr geschafft, unsere Bilanz komplett zu drehen, Dutzende andere Solarfirmen sind pleite. Ein paar Dinge müssen wir besser gemacht haben als die.

SPIEGEL ONLINE: Warum haben Sie überlebt und andere nicht?

Asbeck: Das beste Mittel gegen den Tod ist weiteratmen.

SPIEGEL ONLINE: Oder auf Kosten anderer weiterleben. Solarworld ist auch deshalb gerettet worden, weil private Anleger durch den Schuldenschnitt viel Geld verloren haben oder ihre Anleihen in Aktien umtauschen mussten, für die Sie bis 2019 keine Dividende zahlen.

Asbeck: Wir sind nicht gerettet worden, wir haben uns gerettet. Alle haben dazu beigetragen, Aktionäre, Gläubiger, Investoren, Mitarbeiter. Und es gibt nicht nur Verlierer. Schuldtitel von Solarworld wurden wegen der Branchenkrise schon vor der Restrukturierung zu 20 bis 30 Prozent ihres ursprünglichen Werts gehandelt. Manche haben das genutzt, um günstig einzusteigen und später gewinnbringend zu verkaufen. Auf einer Hauptversammlung sagte einer: "Herr Asbeck, danke fürs Einfamilienhaus." Gläubiger, die jetzt Aktien halten, könnten ihre Darlehen am Ende komplett zurückbekommen, wenn der Kurs wieder steigt.

SPIEGEL ONLINE: Ihren Gläubigern und Aktionären bleiben nur solche Hoffnungswerte. Sie selbst haben mitten in der Umschuldung dasSchloss von Thomas Gottschalk gekauft. Das wirkte taktlos.

Asbeck: Der Zeitpunkt war nicht glücklich. Aber ich liebe es, denkmalgeschützte Gebäude zu restaurieren, und das war eine einmalige Chance. Das Objekt stand nun einmal gerade in diesem Moment zum Verkauf. Ich wusste: Wenn ich jetzt nicht biete, bekommt es ein anderer. Darüber hätte ich mich ein Leben lang geärgert.

SPIEGEL ONLINE: Mitte August 2013, kurz nach dem Schuldenschnitt, stand dann die Polizei vor Ihrer Tür. Sie feierten gerade Ihren 54. Geburtstag - so laut, dass sich ein Nachbar wegen Ruhestörung beschwerte. Auch das kam nicht gut an.

Asbeck: Jetzt seien Sie mal nicht so spießig! Meine Kinder haben damals die Boxen draußen auf die Mauer gestellt und immer wieder "Ich hab' ein knallrotes Gummiboot" gespielt. Ich war schon im Bett und habe nichts mitbekommen. Ich hätte mich gern entschuldigt und dem Anwohner den Song auf Platte geschenkt. Aber die Beschwerde war anonym.

SPIEGEL ONLINE: Haben Sie je überlegt, Ihren genussfreudigen Lebensstil zumindest in Krisenzeiten zu mäßigen?

Asbeck: Nein. Ich sehe keinen Anlass, mein Leben zu ändern. Das eine ist mein Privatleben, das andere meine Arbeit, bei der ich große Risiken schultere und auch in schweren Zeiten weiter für das Unternehmen kämpfe.

Foto: Claus Hecking

SPIEGEL ONLINE: Haben wir eine Neidkultur in Deutschland?

Asbeck: Nein, aber es gibt Argwohn. Da wo Geld ist, muss Böses sein. In den USA werden Menschen eher bewundert, die sich erfolgreich durchgekämpft haben. In Deutschland werden solche Menschen eher skeptisch betrachtet, vor allem für das Materielle, das sie sich erarbeitet haben.

SPIEGEL ONLINE: Verstehen Sie das?

Asbeck: Was ich verstehe, ist die Kritik an sozialer Ungleichheit. Ich fände es zum Beispiel fair, Kapitalerträge genauso zu besteuern wie alle anderen Einkünfte und wäre bereit dies zu tun. Was ich nicht verstehe, sind die persönlichen Anfeindungen. Ich habe einen Branchenpionier aufgebaut und gerade erfolgreich aus der Krise geführt.

SPIEGEL ONLINE: Kritiker sagen, Ihr Erfolg liege vor allem an der üppigen Solarförderung, nicht an Ihrer unternehmerischen Strategie. Sie sind gerade an der Pleite vorbeigeschrammt, setzen aber darauf, dass man ein Allerweltsprodukt wie Solarmodule als Premiummarke etablieren kann. Haben Sie je an Ihrer Strategie gezweifelt?

Asbeck: Nein. Die Anlagen von Solarworld haben eine höhere Qualität als die der Konkurrenz. Sie halten 30 Jahre bei Wind und Wetter; manch chinesisches Billigmodul ist nach acht Jahren Maggi. Und wir liefern Komplettbausätze, die perfekt an die Bedürfnisse ihrer Betreiber angepasst sind. Für solche Vorteile zahlen Kunden gern einen Aufschlag. Das belegen unsere steigenden Absätze.

SPIEGEL ONLINE: Die nächsten Boommärkte sind China, Japan und die USA. Dort sind vor allem Großprojekte gefragt, mit möglichst günstigen Modulen. Hier sind Ihre chinesischen Konkurrenten Marktführer - das belegt schon ihre massive Präsenz auf der Branchenmesse Intersolar, die am Mittwoch in München beginnt.

Asbeck: Unseren Schätzungen zufolge macht das Premiumsegment rund ein Fünftel der weltweiten Nachfrage aus. Der Bedarf dürfte allein im laufenden Jahr bei neun bis zehn Gigawatt liegen. Für uns sind das gewaltige Wachstumspotenziale. Bei den Produktionskosten liegen wir in allen Bereichen mit den Chinesen gleichauf, nur bei den Löhnen nicht. Würden die Chinesen sich an die Anti-Dumping-Regeln der USA und der EU halten, könnten wir auch im Preiskampf gut bestehen.

SPIEGEL ONLINE: Tun die Chinesen das denn nicht?

Asbeck: Es wird immer noch gedumpt. In den USA klagen wir gerade gegen die Umgehung von Zollmaßnahmen. Im europäischen Markt werden Module noch immer weit unterhalb der von der EU-Kommission festgelegten Mindestpreisgrenze angeboten. Es gibt Hinweise, dass chinesische Hersteller die EU-Regeln mit verschiedenen Tricks unterwandern.

SPIEGEL ONLINE: Wie denn?

Asbeck: Mancher Modulverkäufer tarnt die Rabatte für seine Kunden angeblich als Werbekostenzuschüsse. Das wäre eine klare Umgehung des Abkommens zwischen Europa und China. Es ist Aufgabe der EU-Kommission, das aufzuklären. Ich will dem nicht vorgreifen.

SPIEGEL ONLINE: Chinesische Hacker haben Solarworld obendrein ausspioniert. Konnten Sie alle Sicherheitslücken stopfen?

Asbeck: Unsere Sicherheitstechnik ist auf dem neuesten Stand. Ich bin aber sicher, dass die Cyberattacken weitergehen. Das war keine einmalige Aktion. China ist eine Staatswirtschaft, da spionieren nicht Unternehmen, sondern direkt das Militär. Mit Dumping-Methoden schädigt China seine Wettbewerber, mit Spionage klaut Peking teuer erarbeitetes Know-how.

SPIEGEL ONLINE: Das Fraunhofer-Institut und andere namhafte Forschungseinrichtungen planen eine Art Solar-Airbus: eine europäische Superfabrik, deren Modulpreise noch unter denen chinesischer Dumping-Ware liegen sollen. Warum machen Sie da nicht mit?

Foto: Claus Hecking

Asbeck: Weil es einen solchen Solar-Airbus schon gibt: uns. Fraunhofer & Co. streben Produktionskapazitäten von mehr als einem Gigawatt an. Wir haben bei Solaworld derzeit schon 1,5 Gigawatt. Wir brauchen keinen neuen Staatskonzern, um den staatlich geförderten Dumping-Angriffen der Chinesen zu trotzen. Wir brauchen nur Regierungen, die für fairen Wettbewerb sorgen.

SPIEGEL ONLINE: Aber interessiert sich die Bundesregierung überhaupt noch für Ihre Branche? Die Förderung sinkt rasch weiter, und nun sollen Betreiber von Solaranlagen auch noch eine Umlage auf den Strom zahlen, den sie selbst verbrauchen.

Asbeck: Eine Sonderabgabe auf Solarstrom wäre wirklich absurd. Die Regierung gefährdet damit ihre eigenen Ausbauziele. Nach Berliner Plänen sollen Jahr für Jahr neue Anlagen mit einer Leistung von 2,5 bis 3,5 Gigawatt gebaut werden. Tatsächlich dürften es 2014 aber weniger als zwei Gigawatt werden.

SPIEGEL ONLINE: Ist der deutsche Markt platt?

Asbeck: Langfristig nicht. Der Trend zum Eigenverbrauch wird sich durchsetzen. Jeder Bürger kann sich ein Stück weit unabhängig von den Stromkonzernen machen, viele werden diese Chance nutzen. Die letzten Reichserbhöfe der Energieversorger wanken. Die dezentrale Energierevolution lässt sich nicht aufhalten.

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