Umstrittenes Kohleprojekt in Australien
"Fridays for Future" kündigt 16 neue Demos gegen Siemens an
Siemens will trotz massiver Kritik von Klimaschützern Technik für eine umstrittene Kohlemine in Australien liefern. Der Konzern muss sich auf weitere Proteste von "Fridays for Future" einstellen.
"Fridays for Future"-Aktivisten protestieren an diesem Montag vor der Siemens-Zentrale in München
Foto: ANDREAS GEBERT/ REUTERS
Klimaaktivisten haben zu neuen Protesten gegen Siemens aufgerufen. Grund ist die Entscheidung von Siemens, an der Lieferung einer Zugsignalanlage für ein umstrittenes Kohlebergwerk in Australien festzuhalten. Die Klimaschützer von "Fridays for Future" kündigten Proteste für die Siemens-Hauptversammlung am 5. Februar an. Bis Montagabend sind einer Sprecherin zufolge zudem insgesamt 15 Demonstrationen gegen das Dax-Unternehmen geplant.
So trafen sich vor der Münchner Siemens-Zentrale rund 100 Demonstranten - unter anderem zu einem sogenannten Die-in, bei dem sich die Protestierenden wie tot auf den Boden legten. Die Aktionen waren laut "Fridays for Future" nach der Siemens-Entscheidung kurzfristig organisiert worden.
Siemens-Chef Joe Kaeser hatte am Sonntagabend nach einer Prüfung verkündet, am Auftrag des Industriekonzerns Adani festhalten zu wollen - trotz heftiger Kritik. Er begründete dies unter anderem damit, dass Siemens zu seinen vertraglichen Pflichten stehen müsse.
Siemens will als Konsequenz aus der Debatte die Befugnisse und die Besetzung seines Nachhaltigkeitsausschusses stärken: Dem Gremium sollen künftig auch externe Mitglieder angehören und es soll problematische Projekte stoppen dürfen.
GrünenchefinAnnalena Baerbock sagte, sie habe sich von Siemens ein anderes Signal erhofft - auch, weil das Auftragsvolumen für Siemens relativ gering sei. Der Konzern hätte sich "rausverhandeln" oder Vertragsstrafen in Kauf nehmen können, "weil der Rufschaden, der jetzt mit dieser Entscheidung einhergeht, wesentlich größer ausfallen dürfte". Der Fall mache deutlich, dass es im Aktienrecht und den Bilanzierungsregelungen für Unternehmen nicht mehr nur um Gewinnmaximierung gehen dürfe, sondern auch Nachhaltigkeitsziele verankert werden müssten.
Neubauer: "Unentschuldbarer Fehler"
Noch am Freitag hatte sich der Spitzenmanager mit der "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer getroffen. Diese kritisierte die Entscheidung am späten Sonntagabend als "unentschuldbaren Fehler". "Auf diesen Vertrag zu pochen, während Australien brennt und alle Konsequenzen für Mensch und Umwelt bekannt sind, ist Wahnsinn", sagte sie. Ihr Mitstreiter Nick Heubeck sagte im Bayerischen Rundfunk: "Siemens muss sich bewusst sein, und das soll auch ein Zeichen an die anderen Unternehmen in Deutschland sein, dass man eben nicht öffentlich zu Klimaschutz stehen kann und dann trotzdem Entscheidungen treffen kann, die nicht in dieses Jahrhundert passen."
Auch aus Australien kam Kritik: Der "schändliche" Beschluss ruiniere das Image von Siemens, kritisierte die Australian Conservation Foundation. "Mit dieser Entscheidung zeigt das Unternehmen sein wahres Gesicht." Der Protest gegen das Bergwerk-Projekt werde weitergeführt, kündigten die Aktivisten an.
Hagen Reimer, IG-Metall-Vertreter im Siemens-Aufsichtsrat, sagte zu der Konzernentscheidung: "Siemens steckt in einem Konflikt, der nur schwer aufzulösen ist." Neben der Verantwortung gegenüber den Beschäftigten müsse der Konzern auch verantwortungsvoll in gesellschaftlichen Fragen handeln. Es gehe darum, die richtige Balance zu finden. "Wir begrüßen deshalb den Vorschlag von Siemens-Chef Kaeser, ein eigenes Gremium zur Abwägung von Nachhaltigkeitsfragen zu schaffen."
Der indische Energiekonzern Adani will in Australien eines der größten Kohlebergwerke der Welt errichten und hält daran ungeachtet der seit Langem anhaltenden Proteste fest. Eine Sprecherin sagte, der Bau sei voll im Gange.