Funke Mediengruppe Knallharte Herren der Blätter

Zentrale der Funke-Gruppe: Riese mit rund 500 Medientiteln
Foto: Caroline Seidel/ dpaEs ist noch nicht allzu lange her, da ließ sich einer der Chefredakteure des "WAZ"-Konzerns sämtliche E-Mails von seiner Sekretärin ausdrucken und aufgefächert auf dem Tisch drapieren. Jemand wie er, so das Signal an die Untergebenen, braucht keinen Computer im Büro.
Zur selben Zeit machten sich die Redakteure eines anderen Blatts mit schöner Regelmäßigkeit einen Spaß daraus, sich gegenseitig die unverständlichen Leitartikel ihres Chefs vorzulesen.
Und über dem munteren Treiben thronten zwei Geschäftsführer, die sich spinnefeind waren. "Es war ein Irrenhaus", erinnert sich ein ehemaliger Mitarbeiter. Womöglich hat sich daran noch nicht so viel geändert.
Das Heft in die Hand genommen
Immerhin aber heißt der "WAZ"-Konzern inzwischen Funke Gruppe und ist der drittgrößte Zeitungsverlag des Landes. Jetzt schickt sich das Unternehmen unter der Führung des ehemaligen "Bild"-Geschäftsführers Christian Nienhaus auch noch an, Springers Printgeschäft zu schlucken, für 920 Millionen Euro. Dafür muss der Verkäufer dem Käufer allerdings 260 Millionen Euro in einem "zinsgünstigen Kredit" leihen.
Denn eigentlich fehlt den Essenern allen Expansionsplänen zum Trotz wohl gerade die nötige finanzielle Puste: Erst 2012 war mit einer kreditfinanzierten Neuordnung der Besitzverhältnisse ein langjähriger Streit um die Führung des Konzerns beendet worden. Die als SPD-nah geltende Eigentümerfamilie Brost spielt seither keine Rolle mehr, die Eigentümerfamilie Funke hat das Heft alleine in die Hand genommen.
Fast beiläufig erfährt man nun , dass der als konservativ geltende Springer-Verlag und die als "rot" verschriene "WAZ" vereinbart haben, "Gemeinschaftsunternehmen für Vertrieb und Vermarktung von gedruckten und digitalen Medienangeboten zu gründen". Das Problem bei Funke ist nach Einschätzung von Branchenkennern nur, dass es so gut wie keine digitale Kompetenz mehr im Verlagshaus gibt.
Erhebliche Zweifel
Überhaupt mag Funke in dem Mega-Deal ein Investment sehen, das sich nach zehn Jahren amortisieren könnte, wenn die Profite der Springer-Titel so weiterflössen wie bisher. Daran aber gibt es erhebliche Zweifel. Nicht nur bei Springer, auch in der Funke-Gruppe ist das Printgeschäft seit Jahren rückläufig. Der Konzern hat darauf bislang mit einem beispiellos rigorosen Sparprogramm reagiert, mit dem wohl auch die teure Übernahmeschlacht zwischen Funke und Brost finanziert werden musste.
Bereits vor vier Jahren baute das Unternehmen daher fast 300 Stellen ab, was etwa einem Drittel der damals 870 Redakteursposten bei den nordrhein-westfälischen Zeitungen "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", "Westfälische Rundschau", "Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung" und "Westfalenpost" entsprach. Doch damit nicht genug.
Es folgten immer neue Streichungen, Lokalredaktionen wurden zusammengelegt, Zeitungsseitenzahlen eingedampft und Mantelausgaben für mehrere Titel geschaffen. Zuletzt war zu hören, dass sich Funke auch aus Teilen des Radiogeschäfts zurückziehen und sogar seine Anzeigenabteilung gesundschrumpfen wolle. Allein 2013, rechneten Marktbeobachter auf, beabsichtigte die Gruppe, sich von fast 500 Mitarbeitern zu trennen. Und möglicherweise von ganzen Titeln?
Im Februar schloss Funke die traditionell sozialdemokratisch geprägte "WR". Erhalten blieb nur der Name des Blattes, dessen Mantelteil seither von der Essener "WAZ" bestückt wird.
Laut Funke-Geschäftsführung ist all das Notwehr. Im März wandte sie sich anlässlich der bekannt gewordenen Streichung von 200 Jobs mit einem erklärenden Brief an die Mitarbeiter. Der "starke Wettbewerb, der signifikant einbrechende Anzeigenmarkt und die erodierenden Auflagenzahlen deutscher Tageszeitungen" hätten auch zu "Umsatzrückgängen in Millionenhöhe" geführt. Die Anzeigenerlöse hätten sich demnach in den vergangenen fünf Jahren "dramatisch verringert".
Nach Wachstum und Zukunftsgeschäften klingt all das nicht. Vertreter der Journalistengewerkschaft DJV bezweifelten im März generell, dass die Funke-Gruppe noch "an Mitarbeitern interessiert" sei, "die sich für das Produkt Tageszeitung engagieren".
Das Kerngeschäft
Dabei gehören zum Kerngeschäft des Essener Konzerns noch immer zahlreiche Regionalblätter: Dominante Marktpositionen hat das Unternehmen in Nordrhein-Westfalen und in Thüringen, ganz erhebliches Gewicht besitzt es auf den Zeitungsmärkten von Österreich und Ungarn.
Zum Umsatz tragen aber auch bei:
- 73 Anzeigenblätter
- 12 Lokalradios
- 5 Druckhäuser
- 170 eigene Publikums- und Fachzeitschriften
Die verkaufte Auflage der Zeitschriften liegt allein monatlich bei fast 16 Millionen Exemplaren. Das Gros davon bringen journalistisch leichtgewichtige Frauen- und TV-Titel. Zählt man alle Beteiligungen und Tochterfirmen hinzu, kommt man schon jetzt auf rund 500 Funke-Blätter, die zwischen München und Moskau zu haben sind. Mit den Zukäufen von Springer werden es nun noch mehr. "Das Unternehmen (...) konzentriert sich künftig noch stärker auf den Ausbau seiner erfolgreichen Regionalmedien und Zeitschriften", teilte die Gruppe mit.
Die Frage ist nur, ob das Kartellamt den Deal zwischen Springer und Funke überhaupt zulässt. DJV-Chef Michael Konken forderte bereits eine "sorgfältige Prüfung" - und "im Zweifel" ein Verbot: Die Funke-Mediengruppe sei berüchtigt für harte Einsparungen.
Von denen kann auch "WR"-Betriebsrat Uwe Tonscheidt berichten: "Für neue Kredite musste bei der 'Westfälischen Rundschau' eine ganze Belegschaft gehen." Jetzt hätten die Essener Verantwortlichen zu beweisen, dass ihnen zur Zukunft des Journalismus mehr einfalle, als Stellen zu streichen.
Wahrscheinlich ist das nicht.