Hauptbahnhof in Berlin: Reisende sind zunehmend genervt
Foto: Lukas Schulze/ dpaBerlin - Die Ruhe trügt. Seit fünf Tagen verschonen die Lokführer der Bahn die Kunden. Doch schon übernächste Woche könnten sie den Schienenverkehr in Deutschland wieder lahmlegen. Denn im Konflikt zwischen der GDL und der Deutschen Bahn tut sich nichts. Kein Verhandlungstermin, kein neues Angebot - weder von Seiten der Gewerkschaft, noch von der Bahn.
In dem Streit zwischen der Lokführer-Gewerkschaft und dem Konzern geht es ohnehin nur vordergründig ums Geld, vielmehr dagegen um die Frage, ob die Gewerkschaft auch für andere Mitarbeitergruppen die Verhandlungen mit der Bahn führen darf. Ein Ausweg ist nicht in Sicht.
Daher werden nun die Rufe nach einem Schlichter lauter. "Die gegenwärtige Lage ist geprägt von gegenseitigen Vorwürfen aller Beteiligten. Das sind keine normalen Tarifrituale mehr", sagt Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. "In dieser verfahrenen Lage kann nur ein neutraler Schlichter helfen." Der Forderung schließt sich auch ProBahn-Chef Jörg Bruchertseifer an. "Ohne eine unabhängige Instanz werden die Tarifparteien nicht zueinander finden", zeigt er sich überzeugt.
Ohne Gesichtsverlust in die Verhandlungen
Der ehemalige Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) glaubt ebenfalls, dass nur ein Mittler eine Annäherung beider Seiten herbeiführen kann. "In der jetzigen Phase ist eine von beiden Seiten akzeptierte Person notwendig, die Interessen ermittelt und Vorschläge entwickelt, die beide Seiten mittragen". Der aktuelle Konflikt sei nur zu lösen, wenn die Themen Löhne und Verhandlungsmandat der Gewerkschaften sorgfältig voneinander getrennt würden. Vor allem über letzteres dürfe nicht auf Kosten der Bahn-Kunden gestritten werden.
Tatsächlich böte ein Schlichter in der gegenwärtigen Situation beiden Seiten die Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust in neue Verhandlungen einzutreten. Wenn es nach Heiner Geißler ginge, der bereits in früheren Konflikten zwischen Bahn und GDL vermittelt hat, könnte man dabei zunächst die umstrittensten Fragen beiseite lassen. "Wenn ich Tarifverhandlungen führe, gibt es immer Punkte, über die man sich von vorneherein und grundsätzlich nicht einig ist", sagte er im "Handelsblatt". Dann müssten die eben ausgeklammert werden.
Wer aber käme als Schlichter im verfahrenen Streit infrage? Wer hat sich bereits einen Namen gemacht? Eine Übersicht möglicher Kandidaten.
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Heiner Geißler: Der Familienpolitiker hat sich in einer Art zweiten Karriere einen Namen als Schlichter gemacht. In der Auseinandersetzung um den Bau des Tiefbahnhofs in Stuttgart gelang es ihm sogar, vorübergehend Frieden zu stiften. Beim Arbeitskampf 2007 zwischen GDL und Bahn war er weniger erfolgreich.
Kurt Biedenkopf: Bildete 2007 zusammen mit Heiner Geißler ein Schlichter-Duo im ersten großen Tarifstreit zwischen GDL und Bahn. Ein Jahr zuvor vermittelte Biedenkopf gemeinsam mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder ebenfalls im Bahn-Konflikt - allerdings ebenfalls erfolglos. Trotzdem könnte er eine gute Wahl sein: Er gilt als exzellenter Analytiker und hat Erfahrung im Verhandeln.
Wolfgang Clement: Der SPD-Politiker genießt einen Ruf als kenntnisreicher und harter Verhandler. Clement hat bereits in mehreren Tarifkonflikten in der Bauindustrie Kompromisse gesucht. Aber ob er diesmal infrage kommt? Derzeit amtiert Clement als Vorsitzender der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.
Peter Ramsauer: Als ehemaliger Verkehrsminister kennt der CSU-Politiker die Probleme bei der Bahn aus dem Effeff. Als Schlichter hat er sich allerdings noch keine Meriten erworben. Aber einmal ist immer das erste Mal.
Roland Koch: Nach dem Verlust seines Vorstandspostens beim Baukonzern Bilfinger hätte der ehemalige hessische Landesvater zumindest Zeit für ein Schlichtungsverfahren. Als gewiefter Verhandler gilt er auch. Es spricht also einiges dafür, das Koch die Rolle als Schlichter zwischen GDL und Bahn gut ausfüllen könnte.
Bert Rürup: Die erfolgreiche Vermittlung im lange schwelenden Tarifkonflikt zwischen der Lufthansa und der Gewerkschaft der Unabhängigen Flugbegleiterorganisation im Spätherbst 2012 gilt als Ausweis für sein Talent als Schlichter. Der einflussreiche Wissenschaftler gilt als ausgewogen und eher sanftmütig. Vielleicht das Richtige nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Florian Gerster: Sein Talent als Schlichter konnte der ehemalige Chef der Bundesagentur für Arbeit noch nicht unter Beweis stellen. Doch sein Erfolg beim Umbau des Nürnberger Molochs weist ihn immerhin als zähen Diskutanten aus. Die Frage ist, ob er überhaupt Zeit hätte: Gerster ist derzeit unter anderem beim amerikanischen Immobilieninvestor Fortress Investment Group engagiert.
Kurt Bodewig: Der ehemalige Verkehrsminister kennt die Verhältnisse bei der Bahn sehr gut. Viele unterschätzen ihn wegen seiner jovialen Art.
Karl-Heinz-Dähre: Als ehemaliger Verkehrsminister Sachsen-Anhalts kennt sich Dähre in Sachen Bahn aus. Auch hat er bereits einen Tarifkonflikt zwischen GDL und Nord-Ostsee-Bahn erfolgreich geschlichtet. Er wäre wahrscheinlich für beide Seiten annehmbar.
Klaus Dauderstädt: Die Bahn hat den Chef des Beamtenbundes als Schlichter vorgeschlagen. Bei den Lokführern stieß der Vorschlag auf wenig Gegenliebe.
Reiner Hoffmann: Den DGB-Vorsitzenden hat die Bahn ebenfalls bereits als Schlichter vorgeschlagen. Die GDL hat strikt abgelehnt.
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