Gemeinschaftsdiagnose Wirtschaftsforscher senken Prognose für 2021 deutlich

Die deutsche Wirtschaft wird nach Ansicht führender Institute 2021 weniger stark wachsen als zwischenzeitlich gehofft. Coronakrise und Lieferengpässe bremsen die Unternehmen aus.
Güterzüge in Deutschland

Güterzüge in Deutschland

Foto: Matthias Ferdinand Döring / Bloomberg Creative Photos / Getty Images

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Erwartungen an den Aufschwung in diesem Jahr nach unten korrigiert. Laut der sogenannten Gemeinschaftsdiagnose erwarten sie nur noch ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland von 2,4 Prozent.

Im Frühjahr hatten die führenden Wirtschaftsinstitute noch damit gerechnet, dass nach dem coronabedingten Einbruch der Wirtschaft 2020 das Bruttoinlandprodukt in diesem Jahr um 3,7 Prozent zulegt. Im Gesamtjahr 2020 war das Bruttoinlandsprodukt um 4,9 Prozent gesunken.

»Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist nach wie vor von der Coronapandemie gekennzeichnet«, so die Institute. »Eine vollständige Normalisierung kontaktintensiver Aktivitäten ist kurzfristig nicht zu erwarten.« Außerdem behinderten Lieferengpässe – etwa bei den für die Autobranche unentbehrlichen Halbleitern – die Industrie.

Die deutsche Wirtschaft wird derzeit von Engpässen bei Rohstoffen und Vorprodukten belastet. Mehrere Ökonomen sowie Wirtschaftsverbände hatten deswegen in den vergangenen Wochen bereits ihre Prognosen heruntergeschraubt.

Die Lage belastet auch den wichtigen deutschen Export, der im August an Schwung verloren hatte. Erstmals seit Mai 2020 lieferten die Unternehmen weniger ins Ausland als in einem Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Freitag auf Basis vorläufiger Daten mitgeteilt hatte. Allerdings lagen die Exporte immer noch über dem Vorkrisenniveau von Februar 2020.

Arbeitsmarkt erholt sich langsam

Die Lage am Arbeitsmarkt dürfte sich laut Prognose schrittweise verbessern. So soll die Zahl der Erwerbstätigen im kommenden Jahr mit knapp 45,4 Millionen wieder über dem Vorkrisenniveau liegen und 2023 nochmals um fast 400.000 steigen. Die Arbeitslosenzahl soll bis dahin auf 2,356 Millionen sinken – was aber immer noch rund 89.000 mehr wären als 2019.

Der Aufschwung füllt auch die Staatskassen. Das Defizit soll in diesem Jahr wegen der Coronakosten noch 173,7 Milliarden Euro oder 4,9 Prozent des Bruttoinlandproduktes betragen, 2022 aber auf 80,5 oder 2,1 Prozent fallen. 2023 könnte die schwarze Null näher rücken. Der Fehlbetrag soll dann auf 35,1 Milliarden oder 0,9 Prozent sinken.

Die Institute rechnen außerdem mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 3 Prozent im laufenden Jahr und um 2,5 Prozent im Jahr 2022. Gestiegene Energiepreise hatten die Inflation in Deutschland zuletzt weiter angeheizt. Im September kletterten die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent.

Im Gegensatz zur Prognose fürs laufende Jahr verbesserten die Forscher ihre Vorhersage für 2022. Demnach steigt das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr um 4,8 Prozent. In ihrer Frühjahrsprognose waren die Forscher noch von einem Plus um 3,9 Prozent ausgegangen. Im Verlauf des Jahres 2022 dürfte die deutsche Wirtschaft auch wieder die Normalauslastung erreichen.

Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose der Institute wird zweimal im Jahr erstellt, im Frühjahr sowie im Herbst. Beteiligt sind derzeit das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Ifo-Institut, das Institut für Weltwirtschaft, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle und das RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen. Das Gutachten dient der Bundesregierung als Basis für ihre eigenen Projektionen, die wiederum die Grundlage für die Steuerschätzung bilden.

dab/dpa/AFP/Reuters
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