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Manipulierte Knolle: "Amflora" und ihre Gegner

Foto: Jens Büttner/ dpa

Gen-Kartoffel Amflora Die Knolle, die keiner braucht

Deutschland streitet über grüne Gentechnik, am Konflikt um die BASF-Kartoffel Amflora wird das besonders deutlich. Jan Willmroth hat zwei Bauern besucht. Der eine gründete die erste "gentechnikfreie Region", der andere fuhr gerade die einzige deutsche Amflora-Ernte ein.

Schon wieder muss die Polizei das Feld bewachen. Die beiden Beamten sind das gewohnt, lehnen gelassen an ihrem Auto, vertreiben sich die Zeit mit Witzen über Bratkartoffeln und leckeren Gen-Salat. Der kalte Wind pfeift ihnen um die Ohren, auf dem Feld fährt die Erntemaschine hin und her. Nur ein Übertragungswagen des NDR steht noch da, Aktivisten haben es an diesem Tag nicht nach Zepkow geschafft.

Vor einem Monat war FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle zu Besuch, grub gemeinsam mit BASF-Chef Jürgen Hambrecht Kartoffeln aus und lächelte in die Kameras. Auch Demonstranten waren wieder da mit ihren Plakaten: "Genfood? Nein Danke!". Doch die Knollen, über die Politik, Bauern, Industrie und Verbraucher streiten, sind erst jetzt wirklich erntereif. Auf 14 Hektar Anbaufläche wächst hier die BASF-Kartoffel Amflora.

Wer nach Bütow an der Mecklenburgischen Seenplatte fährt, findet dort einen riesigen Agrarbetrieb, große Scheunen, schwere Landmaschinen. Karl-Heinz Niehoff sitzt ruhig auf einem Stuhl in seinem Gutshaus und schaut, als wäre er froh, wenn diese Geschichte endlich vorüber ist. Niehoff, 61, Pullunder, Schnauzbart, mehr als 40 Jahre Bauer, ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Er züchtet Kartoffeln im großen Stil, Stärkekartoffeln für die Industrie, Saatgut für seine Kollegen. Auf insgesamt rund 400 Hektar. Einige Sorten hat er selbst entwickelt, am deutschen Markt für Stärkekartoffeln hat er einen Anteil von 15 Prozent. Niehoff ist ein nüchterner Unternehmer. Er baut an, was der Markt verlangt. Die grüne Gentechnik ist ein Stück seiner Zukunft.

Erst in diesem Jahr hat die EU-Kommission Amflora zugelassen. Der Bescheid kam kurz vor der Aussaat. 15 Hektar hat Niehoff in diesem Jahr an BASF Plant Science verpachtet. Er setzte die Kartoffeln, pflegte das Feld und erntete es ab. Die Kartoffeln selbst gehören dem Konzern. Am Ende waren noch 14 Hektar übrig, einer fiel im Juli einer Nachtaktion von Gen-Gegnern zum Opfer: Sie stürmten das Feld und rissen alle Pflanzen aus. Niehoffs Acker ist die bundesweit einzige offizielle Amflora-Fläche.

Verzichtbare Knolle

Eine Autostunde nördlich von Niehoff residiert einer, der mit Gentechnik nie etwas zu tun haben wollte. Gut Dalwitz, Bauernhofromantik mit 90 Betten für Urlauber, viel zu sauber für einen großen Agrarbetrieb. Es gibt Pferde, Rinder, ein Hofrestaurant. Dazu eine Photovoltaik- und eine Biogasanlage.

Heinrich Graf von Bassewitz, 55, Gutsherr und Biobauer mit Leib und Seele, wippt unruhig mit den Füßen. Er hat 800 Hektar Land, 450 davon sind Anbaufläche, auf 30 Hektar wachsen Kartoffeln. Gemeinsam mit Nachbarn gründete Bassewitz vor sieben Jahren Deutschlands erste "Gentechnikfreie Region". Heute gibt es 198 solche Gebiete. Damals hat er noch gekämpft. Heute sitzt er im Rat für Nachhaltigkeit der Bundesregierung, das Kämpfen überlässt er anderen. Er kennt alle Argumente der Gentechnik-Befürworter, jedes einzelne stellt er mit druckreifen Worten in Frage. "Ist das die Lösung für all die Probleme der Bauern, der Industrie, der hungernden Menschen auf der Welt? Ich glaube nicht", sagt Bassewitz, "das ist Zukunftsmusik."

Karl-Heinz Niehoff hört diese Zukunftsmusik gern. Kartoffelstärke sei immer weniger wettbewerbsfähig, sagt er. Die Lebensmittelindustrie setzt inzwischen auf die viel günstigere Maisstärke. Bis 2012 garantiert die EU Bauern wie Niehoff feste Preise für ihre Kartoffeln. Wenn diese Marktordnung ausläuft, wird es schwierig. "Bevor ein solcher Betriebszweig wegbricht, schaue ich mich nach Alternativen um", sagt er. Und so entschied er sich für den Pakt mit BASF und den Amflora-Anbau.

Unbedenklich bei Kartoffeln?

Etwa 50 Merkmale einer Kartoffel kann Niehoff bei der Zucht beeinflussen. Krankheitenresistenz, Stärkegehalt, Form, Größe, Farbe, jeder bekommt, was er braucht. Ob für Hochglanzpapier, Klebstoffe, für Kartoffelchips oder Pommes Frites. Kartoffeln sind längst ein leicht zu manipulierender Industrierohstoff, ob mit Gentechnik oder auf konventionellem Weg. Zwar mache die Gentechnik die normale Züchtung nicht überflüssig. "Aber sie könnte uns große Vorteile verschaffen", sagt Niehoff.

Der Anbau von Gen-Kartoffeln gilt als lange nicht so riskant wie der von Raps oder Mais. Das sieht sogar der Naturschutzbund so. Kartoffeln vermehren sich über die Knollen, Blüten und Samen sind unbedeutend. So können sich keine Sorten vermischen. Kartoffeln, die bei der Ernte im Boden zurückbleiben, sterben im Winter ab oder werden mit hochwirksamen Herbiziden bekämpft. Noch nicht einmal Wildschweinen schmecken die Stärkekartoffeln.

Dennoch sind die Gentechnik-Kritiker auch bei der Kartoffel skeptisch. "Diese Kartoffel ist ein Büchsenöffner", sagt Heinrich von Bassewitz. Sie könnte der Versuch sein, grüne Gentechnik beliebter zu machen, bis die Verbraucher sie irgendwann akzeptieren.

Das Saatgut gehört großen Konzernen, die viel investiert haben und endlich Geld verdienen wollen. Dadurch wachse die Abhängigkeit der Bauern weltweit, sagen Kritiker: Bauern in der Dritten Welt kaufen Saatgut bei Unternehmen wie BASF, Monsanto oder Bayer, dürfen sich daraus aber kein eigenes herstellen, weil die Technologie patentiert ist.

Panne in Schweden

So weit ist es bei Amflora noch nicht. Denn Karl-Heinz Niehoff muss die Ernte bis auf Weiteres einlagern, die Kartoffeln dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden. Das hatte Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) angeordnet, nachdem auf einem BASF-Feld in Schweden eine noch nicht zugelassene Kartoffelsorte aufgetaucht war. Für die Skeptiker war das ein weiterer Beweis: Gentechnik ist nicht zu kontrollieren. Wo die Knollen von Niehoffs Feld im nächsten Jahr wieder gesetzt werden sollen, verrät der Konzern nicht.

Und Niehoff selbst? Er sieht die Gen-Debatte vor allem pragmatisch: Mit Amflora konnte er Geld verdienen, sein Herzblut hängt nicht an der Kartoffel.

"Wir wollen diese Kartoffel nicht mehr anbauen", sagt er. Die Knolle enthält ausschließlich Amylopektin, das ist jener Teil der Kartoffelstärke, der für die Klebstoff-, Papier- und Garnherstellung so wichtig ist. Bei Amflora ist diese Eigenschaft gentechnisch erzeugt. Doch mittlerweile haben es Züchter auch auf konventionellem Weg geschafft, den anderen Stärkebestandteil Amylose auszuschalten. "Drei Jahre Amflora-Testanbau haben nicht dazu geführt, dass der Markt die Kartoffel akzeptiert", sagt Niehoff. "Dann sollte man auch irgendwann aufhören und eine neue Sorte versuchen."

Heinrich von Bassewitz schüttelt den Kopf über seinen Kollegen. "Die Verbraucher, die Industrie - keiner will die Gentechnik so wirklich. Außer schlechter Werbung hat er doch nichts davon. Eigentlich tut mir das leid."

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