Altkanzler bei Anhörung zu Nord Stream 2 Schröder beklagt Sanktionitis - und ist für Gegensanktionen

Gerhard Schröder im Wirtschaftsausschuss des Bundestags - als Sachverständiger
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Um die Fertigstellung des umstrittenen Pipelineprojekts Nord Stream 2 zu verhindern, drohen die USA mit neuen Sanktionen - Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat daher Gegensanktionen der EU verlangt. Die Bundesregierung müsse dafür auf EU-Ebene Druck machen, sagte Schröder in einer öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags.
Als Präsident des Verwaltungsrats von Nord Stream 2 war Schröder als Experte in das Gremium eingeladen worden. Über die Pipeline soll Gas von Russland durch die Ostsee nach Deutschland gebracht werden. Die USA warnen vor einer Abhängigkeit Deutschlands von Russland - und wollen mit weiteren Sanktionen den bereits fast vollendeten Bau doch noch verhindern.
In der Sitzung "Sicherung der Souveränität deutscher und europäischer energiepolitischer Entscheidungen" wurden die möglichen, erweiterten US-Sanktionen nahezu einhellig kritisiert. Niels Annen, Staatsminister im Auswärtigen Amt, sagte, die angedachten US-Maßnahmen wären ein schwerwiegender Eingriff in die Souveränität Deutschlands und der EU. Doch die Frage, wie man darauf reagieren sollte, ist kniffelig.
Schröder warnte allgemein vor "Sanktionitis" in den internationalen Handelsbeziehungen und nannte in diesem Zusammenhang das Verhältnis zu China und Russland. Gegenüber den USA war er weniger zurückhaltend: "Es wird auch nicht ohne Gegensanktionen gehen können."
Dass die US-Sanktionen zurückgewiesen werden müssten, könne nicht zweifelhaft sein. Gar nichts zu machen, um sich nicht auf die gleiche Ebene wie die USA zu begeben, sei dabei keine Lösung. Nord Stream 2 sei nur der Beginn einer weiteren Politisierung der internationalen Handelsbeziehungen.
Streit über Einladung Schröders
Politisiert worden war auch Schröders Einladung als Sachverständiger durch den Ausschussvorsitzenden Klaus Ernst. Diesen schien die innerparteiliche Kritik kaltzulassen. Üblicherweise, sagte der Linkenpolitiker, seien aktuelle oder ehemalige Bundeskanzler nur eingeladen, "wenn es um Untersuchungsausschüsse geht". Deshalb, so begann Ernst die Sitzung, freue er sich ganz besonders über Schröders Erscheinen.
Der Energie- und Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin (ebenfalls Linke) hatte zuvor gesagt: "Die Einladung von Ex-Kanzler Schröder durch den Kollegen Klaus Ernst ist ein unnötiges Eigentor, auf allen Ebenen falsch und an Peinlichkeit nicht zu überbieten." Schröder verteidigte sich im Ausschuss für sein Kommen mit den Worten: "Ich bin nicht hier, um zu politisieren, sondern weil Sie mich eingeladen haben."
Schröder wirbt für Pipelinefertigstellung
Einzelheiten möglicher Gegensanktionen nannte Schröder bei dem Termin nicht - er sieht die Verantwortung dafür in der europäischen Politik. Er warb für die Fertigstellung des Projekts, das auch zu keiner Schieflage im Verhältnis zu Russland führen würde. Denn während Europa auf die Lieferungen angewiesen sei, sei Russland umgekehrt auch auf die Zahlungen angewiesen. Es bestehe also "gegenseitige Abhängigkeit". Die Versorgungssicherheit Deutschlands würde nicht gefährdet, das Gegenteil sei der Fall.
Die Frage, wie mögliche russische Reaktionen in einer Sanktionsspirale aussehen könnten, ließ Schröder unbeantwortet. "Ich werde den Teufel tun, mir eine Reaktion in Russland auszudenken", sagte er - und lobte stattdessen Moskau: Das Land sei doch bereit gewesen, die Sicherheit der Energieversorgung durch die Ukraine zu gewährleisten.