Schleckers Überlebenskampf Schachern bis zum Schluss

Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz: Schwierige Investorensuche
Foto: dapdHamburg - Wenn Schlecker-Mitarbeiterinnen in diesen Tagen die Nachrichten einschalten, schwingt stets Angst mit. "Es kommen ja nur negative Meldungen", sagt Katharina Klose. "Das zieht alle runter." Die Betriebsrätin ist seit elf Jahren bei Schlecker. Dass die Drogeriekette einfach verschwindet, mag sie sich nicht vorstellen. "Ich habe noch Hoffnung", sagt sie. Aber die Nachrichten der vergangenen Wochen hätten vielen Schlecker-Frauen den Optimismus genommen. "Viele rechnen schon damit, dass es nicht weitergeht."
Die letzte Hoffnung könnte Karstadt-Investor Nicolas Berggruen sein. Nach Informationen des manager magazin sondiert der schillernde Milliardär einen Einstieg bei Schlecker. Er wolle die übrig gebliebenen Unternehmensteile aufkaufen und verwerten, hieß es aus Verhandlungskreisen. Berggruen stelle aber harte Bedingungen. Demnach müsste der größte Schlecker-Gläubiger, der Kreditversicherer Euler Hermes, auf einen Großteil seiner Forderungen verzichten. Denn Berggruen will offenbar für den Warenbestand Schleckers, der an Euler Hermes verpfändet und rund 300 Millionen Euro wert ist, bislang lediglich rund hundert Millionen Euro zahlen.
Obendrein will der deutsch-amerikanische Unternehmer für das Geld auch die Immobilien der Gruppe bekommen. Ob Euler Hermes bereit ist, sich auf ein solches Geschäft einzulassen oder eher auf die Zerschlagung des Unternehmens drängt, ist noch unklar. Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz wollte ein Interesse Berggruens weder bestätigen noch dementieren.
Ob Schlecker in Deutschland noch eine Chance hat, könnte sich bereits am Freitag entscheiden. Dann tagt der Gläubigerausschuss, dem die Vertreter der wichtigsten Geldgeber angehören. Das Gremium unterstützt und überwacht den Insolvenzverwalter. Senkt der Ausschuss den Daumen über die Drogeriekette, dürfte das Aus besiegelt sein. Dann wäre die Entscheidung der Gläubigerversammlung - also aller Schlecker-Geldgeber - wohl nur noch reine Formsache. Sie findet am 5. Juni in Ulm statt - und hat offiziell das letzte Wort zur Zukunft Schleckers.
Die Geduld der Gläubiger dürfte bald am Ende sein. Denn Schlecker läuft die Zeit davon. Auch nach der Schließung von 2200 Filialen und dem Abbau von rund 10.000 Arbeitsplätzen machen die Läden in Deutschland weiter Verlust. Nach Informationen des manager magazin verliert das Unternehmen derzeit im Schnitt einen sechsstelligen Geldbetrag pro Tag. Da sich der Schuldenberg des Unternehmens der Milliardengrenze nähere, würden die Gläubiger auf eine rasche Lösung drängen. Es ist ihr Geld, das verbrannt wird.
Emirat Katar stuft Schlecker als "Risikogeschäft" ein
Rettung kann nur noch ein Investor bringen, der zügig die Sanierung angeht. Insolvenzverwalter Geiwitz ist seit mehr als drei Monaten auf der Suche nach einem Geldgeber. Ursprünglich hat er angekündigt, bis Pfingsten einen Investor zu präsentieren. Schafft er das nicht, muss er die Gläubiger zumindest davon überzeugen, dass es noch Sinn hat, weiterzusuchen und zu verhandeln.
Die Ereignisse der vergangenen Tage und Woche machten wenig Hoffnung. Die "Stuttgarter Nachrichten" meldeten, zuletzt sei das Emirat Katar aus dem Interessentenkreis ausgestiegen. Das Emirat habe "kein Interesse an Risikogeschäften".
Bereits Mitte April zog der osteuropäische Finanzinvestor Penta sein Gebot zurück. Auch der deutsche Investor Droege aus Düsseldorf hat nach Informationen des manager magazin abgesagt. Wie im Fall Berggruen hält Geiwitz sich zu verbliebenen Interessenten bedeckt.
Das größte Problem bei den Investorengesprächen sind laut Geiwitz die mehr als 4000 Kündigungsschutzklagen entlassener Mitarbeiter. Bisher gibt es noch keine Gerichtsentscheidungen. Würden alle Kläger gewinnen, könnte ein Investor auf zusätzlichen Kosten von hundert Millionen Euro sitzen, rechnete der Insolvenzverwalter vor.
Der Ausverkauf hat bereits begonnen
Zudem ist noch nicht klar, wie viel künftig bei den Personalkosten eingespart werden könnte. Geiwitz scheiterte bei Ver.di mit seiner Forderung, die Lohnkosten um 15 Prozent zu drücken. Die Gewerkschaft steckt in der Zwickmühle. Einerseits hoffen die verbliebenen 13.500 Mitarbeiter auf eine Rettung von Schlecker und sind bereit, Opfer zu bringen. Andererseits fürchtet Ver.di, durch hohe Zugeständnisse mit den eigenen Grundsätzen zu brechen - und am Ende geht die Drogeriekette dennoch unter.
Ver.di hat angeboten, 10,5 Prozent der Personalkosten einzusparen und lässt die Mitglieder über diesen Vorschlag abstimmen. Das Ergebnis soll spätestens kommende Woche vorliegen - dann könnte die Zerschlagung aber bereits besiegelt sein.
Sollte es aus Sicht der Gläubiger keine tragfähige wirtschaftliche Perspektive für Schlecker geben, können sie den Insolvenzverwalter auffordern, die Geschäfte zu beenden und das Drogerie-Imperium zu zerschlagen. Ziel wäre es dann, den Gläubigern durch den Verkauf der restlichen Unternehmensteile möglichst viel von ihrem Geld zurückzuzahlen.
Der Ausverkauf bei Schlecker hat in Teilen bereits begonnen. Die tschechischen Filialen wurden veräußert. Auch das Geschäft in Frankreich und Polen steht vor dem Verkauf. Der Kaufvertrag für die Schlecker-Tochter Ihr Platz mit dem Münchner Investor Dubag soll ebenfalls unterschriftsreif sein.
"Herr Geiwitz soll endlich die Karten auf den Tisch legen"
Geiwitz' Ursprungsplan scheint nicht aufzugehen. Er wollte das Drogerie-Konglomerat möglichst im Ganzen veräußern, um Investoren mit attraktiven Töchtern das marode Schlecker-Geschäft in Deutschland schmackhaft zu machen. Der Einzelverkauf der Unternehmensteile würde wohl das Aus für einen Großteil der 3200 noch bestehenden Schlecker-Filialen in Deutschland bedeuten.
Als solide gilt die Schlecker-Tochter in Spanien. Für diese interessiert sich nach Informationen des manager magazin der US-Investor Oaktree. Die österreichische Landesgesellschaft dagegen drohe in die Insolvenz zu rutschen. Der Verlust für 2012 und 2013 werde bei 25 Millionen Euro liegen, berichtete das Magazin unter Berufung auf das Schlecker-Umfeld. Das mache einen Verkauf schwierig.
Experten sehen für das Geschäft in Deutschland kaum noch eine Zukunft. "Der Markt arbeitet gegen Schlecker", sagte Detlef Specovius, Fachanwalt für Insolvenzrecht bei der Kanzlei Schultze & Braun, SPIEGEL ONLINE. "Wenn so eine Lawine erst mal rollt, ist sie schwer aufzuhalten." Specovius hat die Sanierung des Textilhändlers Sinn Leffers geleitet. "Um die Situation bei Schlecker noch zu drehen, bräuchte Herr Geiwitz Zeit und Geld - beides hat er nicht", sagte er. Wichtige Strategieänderungen seien viel zu spät eingeleitet worden.
Nun hängt alles von den Gläubigern ab. "Bei der Sitzung am Freitag kann was passieren - muss aber nicht", heißt es aus unternehmensnahen Kreisen. Auch Ver.di ist vorsichtig. "Wir wollen uns an Spekulationen nicht beteiligen", sagte eine Sprecherin. Die Beschäftigten von Schlecker wünschen sich vor allem, dass die Hängepartie bald vorüber ist, sagt Betriebsrätin Klose. "Herr Geiwitz soll endlich die Karten auf den Tisch legen."