Monsanto und Co. Glyphosat-Hersteller sind "tief enttäuscht" über EU-Zulassung

Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittels mit Glyphosat
Foto: Patrick Pleul/ dpaNimmt man die Empörung zum Maßstab, die die EU-Entscheidung zu Glyphosat in Deutschland erzeugt hat, könnte man annehmen, die Hersteller selbst müssten nun überglücklich sein. Doch weit gefehlt: Der US-Agrarkonzern Monsanto und weitere Produzenten zeigen sich "tief enttäuscht" über die Verlängerung der Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters. Sie gilt ihnen schlicht zu kurz.
Zwar hätten die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit im Berufungsausschuss für eine erneute Zulassung von Glyphosat in der EU gestimmt, teilt die Hersteller-Vereinigung GTF in einer Stellungnahme mit. "Der Genehmigungszeitraum beträgt aber lediglich fünf Jahre."
Es handle sich um eine "diskriminierende Entscheidung", die nicht der wissenschaftlichen Bewertung des Wirkstoffs entspreche. Das Ergebnis der Abstimmung sei vielmehr "das Resultat einer fehlgeleiteten öffentlichen Meinung und von politischer Einflussnahme", empörte sich der Hersteller-Zusammenschluss. Untersuchungen hätten ergeben, dass von Glyphosat "keine unvertretbaren Risiken ausgehen".
Glyphosat - Das Wichtigste im Überblick
Behörden weltweit haben die Risiken von Glyphosat für die Bevölkerung bei sachgemäßer Anwendung geprüft. Zu einem Ergebnis, dass der Stoff nicht krebserregend sei, kommen unter anderem:
- das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
- die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa)
- die US-amerikanische Umweltbehörde EPA
- die kanadische Bewertungsbehörde Pest Management Regulatory Agency (PMRA)
- die australische Bewertungsbehörde Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority (APVMA)
- die japanische Food Safety Commission
- die neuseeländische Umweltbehörde EPA
- das Joint Meeting on Pesticide Residues (JMPR) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und
- die Europäische Chemikalienagentur (ECHA)
Glyphosat-Befürworter und -Gegner versuchen in der Debatte, ihre Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen und die Gegenseite zu schwächen. Der Überblick:
- Glyphosat-Hersteller Monsanto hat offenbar versucht, die Entscheidungsfindung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) zu beeinflussen. Inwiefern das erfolgreich war, ist unklar. Auch wird dem Unternehmen vorgeworfen, Forschern für positive Glyphosat-Berichte Geld gezahlt zu haben. Das Unternehmen bestreitet das.
- Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) werfen Umweltaktivsten vor, Passagen aus dem Zulassungsantrag von Monsanto kopiert zu haben. In der Einleitung der entsprechenden Kapitel wird allerdings angekündigt, dass im Folgenden Ausschnitte aus dem Antrag wiedergegeben werden und die Behörde, wenn nötig, ihre eigene Einschätzung ergänzt habe.
- An der glyphosatkritischen Bewertung der IARC ("wahrscheinlich krebserregend") war ein Sachverständiger mit Interessenkonflikten beteiligt. Christopher Portier erhielt mindestens 160.000 Dollar von US-Anwälten, die Monsanto im Auftrag potenzieller Glyphosat-Opfer verklagen.
- In einem Kapitel des IARC-Berichts wurde laut der Nachrichtenagentur Reuters zudem im Entwurfsstadium in mehreren Fällen die Einschätzung von Studien von "nicht krebserregend" in neutral oder positiv ("krebserregend") umgeändert. Die IARC bestreitet das.
Im Zusammenhang mit dem Insektensterben wird Glyphosat immer wieder genannt. Forscher hatten im Oktober 2017 eine viel beachtete Studie zum Schwund der Insekten in Deutschland veröffentlicht. Einen Beleg dafür, dass Pestizide die Ursache sind, fanden sie nicht - zumal die Untersuchung in Naturschutzgebieten stattfand.
Dass die konventionelle Landwirtschaft mit Monokulturen und Pestiziden eine Rolle beim Insektensterben spielt, liegt jedoch nahe. Das Problem auf Glyphosat allein zu reduzieren, greift allerdings zu kurz.
Im September 2018 haben Forscher in einer Studie gezeigt, dass Glyphosat die Darmflora von Bienen verändern kann. In einer Untersuchung von 2015, in der die Wirkung von 42 verbreiteten Pestiziden auf Honigbienen untersucht wurde, listeten Wissenschaftler Glyphosat dagegen auf Platz 42 - als im Vergleich am wenigsten toxisch.
Im Zusammenhang mit Glyphosat wird meist Monsanto als Hersteller genannt. Die Firma hat den Stoff in den Siebzigerjahren erstmals auf den Markt gebracht. Das Patent ist allerdings im Jahr 2000 abgelaufen. Monsanto, das inzwischen von Bayer aufgekauft wurde, ist bis heute mit einem Anteil von ungefähr 40 Prozent Marktführer. Neben dem Unternehmen bieten aber auch mehrere Dutzend weitere Firmen weltweit glyphosathaltige Herbizide an.
In Deutschland sind laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) derzeit 37 Mittel mit Glyphosat zugelassen, die unter 105 Handelsnamen vertrieben werden.
Pflanzen nehmen Glyphosat vor allem über die Blätter auf. Von dort gelangt der Wirkstoff in den ganzen Organismus und blockiert die Produktion von Aminosäuren. Dadurch stirbt die Pflanze ab. In Deutschland kommt Glyphosat auf den Acker, bevor die Nutzpflanze ausgesät wird. Sonst würde nicht nur das Unkraut, sondern auch die gesäte Pflanze absterben. Nur in Ausnahmefällen darf Glyphosat vor der Ernte eingesetzt werden.
Bei der Abstimmung am Montag hatten die EU-Mitglieder knapp für die Verlängerung von Glyphosat um weitere fünf Jahre entschieden - mit der Stimme Deutschlands, trotz der klaren Ablehnung durch die SPD. Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat die Entscheidung nach eigener Aussage auf eigene Verantwortung getroffen, obwohl SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks explizit Einspruch erhoben hatte.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation WHO hatte Glyphosat 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Andere Experten kamen allerdings zu anderen Ergebnissen. Unabhängig davon gilt Glyphosat nach Einschätzung von Umweltexperten allerdings auch als Gefahr für die Artenvielfalt, besonders für Bienen und andere Insekten sowie für Vögel. Für die Landwirte ist Glyphosat hingegen ein effizientes und kostengünstiges Mittel.