Umstrittene Marketing-Methoden Wie die Medizin-Industrie Journalisten zu Reisen einlädt

Astrid Tinnemans, PR-Frau bei St. Jude Medical: Enge Kooperation

Astrid Tinnemans, PR-Frau bei St. Jude Medical: Enge Kooperation

Foto: BV Med

Vor einigen Jahren hatte ein Interview mit Maria-Elisabeth Lange-Ernst für Aufsehen gesorgt. Die damaligen Vorsitzende des Verbands Deutscher Medizinjournalisten berichtete, dass es durchaus üblich sei, sich als Medizinjournalist gleichzeitig von einer Redaktion und einem Pharmaunternehmen bezahlen zu lassen. "Ich weiß von Journalisten, die ihre Artikel vor der Veröffentlichung von der Herstellerfirma nochmals gegenlesen lassen müssen", sagte Frau Lange-Ernst.

Sowohl Medizinjournalisten als auch die Medizinhersteller beteuern seither gern, dass sich die Zeiten geändert hätten, dass heute alles anders sei. Sauber und transparent.

Doch daran darf man zweifeln. Im Juni 2014 hielt Astrid Tinnemans, Public Relation Managerin beim Implantate-Hersteller St. Jude Medical, einen Vortrag in Berlin, der zumindest Fragen aufwirft. Laut der Teilnehmerliste waren die PR-Leute von Siemens, Medtronic, Abbott, Roche, Nestlé und Co. weitgehend unter sich im Hotel Schweizer Hof, dafür sorgte vermutlich schon die Teilnahmegebühr von 545 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Veranstalter der Tagung war MedInform, der Seminaranbieter des Bundesverbands Medizintechnologie, die Lobbyorganisation der Medizinproduktehersteller.

Frau Tinnemans referierte über "strategische Medienarbeit". Laut ihrem Vortragsmanuskript ging es darum, dass Verlage "immer knappere Budgets für die Teilnahme an Fachkongressen" haben, aber die "Finanzierung von Kongressreisen durch die Industrie ist kein Konflikt für Journalisten". Wenn ein "Knallerthema" vorliege, soll man den Journalisten "auf jeden Fall die Reisekosten erstatten". Nicht vergessen dürfe man aber klare Absprachen mit den Journalisten. Wörtlich heißt es in ihren Vortragsunterlagen:

  • "Klare Vorstellungen, welche Vorträge, Symposien etc. besucht werden müssen"
  • "Im Vorfeld abklären, ob man Beiträge zur Freigabe bekommt."

Selbst im Publikum gab es nach dem Vortrag nach Angaben von Teilnehmern merkliches Geraune. Allen war offenbar klar, dass eine so weitgehende Einflussnahme ein klarer Verstoß selbst gegen die Kodizes der PR-Branche wäre.

Ich habe Frau Tinnemans gefragt, wie häufig sie im Jahr Reisekosten von Journalisten übernimmt und wie oft die "Kooperation" so eng sei, dass sie Beiträge von Journalisten zur Freigabe bekomme. Diese und weitere Fragen hat Frau Tinnemans nicht im Detail beantwortet. Stattdessen hat sie eher allgemein erklärt, dass bei Journalisten zwar "anfallende Reisekosten von Fall zu Fall in angemessener Höhe übernommen werden", aber die "Freiheit der Berichterstattung" davon "unberührt" bleibe. Ob und in welcher Form anschließend über den bezahlten Kongress berichtet werde, bleibe dem "einzelnen Verlag bzw. Journalisten" überlassen. Auch Kopplungsgeschäfte, bei denen man für ein Inserat eine freundliche redaktionelle Berichterstattung erhalte, lehne sie ab.

Manfred Beeres, Pressesprecher des Bundesverbands Medizintechnologie, der als Mitveranstalter ebenfalls den Vortrag von Frau Tinnemans gehört hatte, berichtet von einer "Grauzone" was den Einfluss auf Journalisten angeht. Einige Medizinzeitschriften verlangen zum Beispiel einen "Druckkostenzuschuss", wenn sie einen Artikel über neue Produkte veröffentlichen. "Da gibt es Praktiken in einigen Fachverlagen, die finden wir nicht besonders gut", sagt Beeres. "Da schickt man zum Beispiel eine Pressemitteilung an die Redaktion und bekommt kurz darauf einen Rückruf aus der Anzeigenabteilung."

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