Greenpeace-Studie Stromkonzerne sind an ihren Problemen selbst schuld

Die Energiewende hat die Gewinne von RWE, E.on und Co. einbrechen lassen. Doch die Stromkonzerne sind an ihrer Misere selbst schuld, heißt es in einer Greenpeace-Studie. Und die Aussichten bleiben schlecht.
Vattenfall-Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde: Misere hausgemacht

Vattenfall-Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde: Misere hausgemacht

Foto: Patrick Pleul/ dpa

Sind die vier großen Stromkonzerne RWE, E.on, Vattenfall, EnBW an ihrer miesen Lage selbst schuld? Das behauptet jedenfalls eine Studie zur "Zukunft der großen Energieversorger" im Auftrag der Umweltschutzorganisation Greenpeace, die am Dienstag veröffentlicht wurde. Die Stromkonzerne machen vor allem den Atomausstieg und die Energiewende für ihre wirtschaftlichen Probleme verantwortlich und fordern Hilfe von der Politik, wie jüngst am Dienstag RWE.

Den Studienautoren Heinz-Josef Bontrup und Ralf-Michael Marquardt von der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen zufolge ist aber nicht in erster Linie die Energiewende schuld an der wirtschaftlichen Situation der Energieversorger, sondern klassische Managementfehler.

Die Untersuchung zeigt demnach auf, wie sich die Marktbedingungen der vier großen Versorger nach der Liberalisierung der Energiemärkte und durch die Energiewende verändert haben - und welche strategischen Fehler die Versorger ihrer Meinung nach begangen haben und welche Perspektiven ihnen noch bleiben.

Die Liberalisierung der Energiemärkte seit 1998 hat die vier Konzerne erst hervorgebracht: Kurz zuvor hatte sich EnBW gegründet, bis 2003 schlossen sich zahlreiche Stromerzeuger, wie beispielsweise viele Stadtwerke, zu den Unternehmen E.on, RWE (beide 2000) und Vattenfall (2003) zusammen.

Seitdem aber läuft es der Studie zufolge nicht gut für die Konzerne:

  • Die Marktanteile im Vertrieb sinken. Der Wettbewerb im Stromverkauf an Endkunden hat enorm zugenommen. Bei den Großkunden hatten die großen vier im Jahr 2013 nur noch einen Marktanteil von 34 Prozent, bei Privathaushalten und kleineren Gewerbekunden noch gut 40 Prozent.

  • Die Marktanteile in der Stromerzeugung sinken. Noch 2007 haben die vier großen Versorger 85 Prozent des Stroms erzeugt, 2013 waren es nur noch 68 Prozent.

  • Die Stadtwerke haben sich durch Zusammenschlüsse zu ernsthaften Konkurrenten entwickelt, der Trend zur Rekommunalisierung verstärkt die Entwicklung.

Der Greenpeace-Studie zufolge haben die vier großen Stromkonzerne auf die Veränderungen im Energiemarkt nicht rechtzeitig und entschieden genug reagiert.

  • Sie profitierten demnach lange von der Liberalisierung und erwirtschafteten dank ihrer Marktmacht hohe Gewinne. Für eine Strategieänderung, beispielsweise in erneuerbare Energien zu investieren, "sah das Management in dieser Zeit keinen Bedarf". Von der folgenden schärferen Regulierung wurden die Konzerne dann kalt erwischt.

  • Die Konzerne haben der Studie zufolge außerdem zu einseitig darauf gesetzt, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern würde. Der Beschluss zum vorzeitigen Atomausstieg nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima verschärfte die Probleme der Betreiber.

  • Die Konzerne haben die Energiewende, so die Greenpeace-Studie, schlicht verschlafen. Bei erneuerbaren Energien sind die Großkonzerne kaum vertreten.

Statt sich am Ausbau der erneuerbaren Energien zu beteiligen, hätten die Unternehmen für eine Laufzeitverlängerung ihrer Atomkraftwerke gekämpft und im Ausland teure und riskante Zukäufe getätigt. "Das Management der großen Versorger hat die Augen zu lange vor dem absehbaren neuen Energiemarkt verschlossen. Jetzt rächt sich das sture Festhalten an einem überkommenen Geschäftsmodell", sagt Studienautor Bontrup.

Auch für die Zukunft sieht die Studie schwarz:

  • Die Unternehmen seien schlecht aufgestellt, vor allem weil das für eine rasche Strategieänderung benötigte Kapital in den klassischen Kraftwerken gebunden sei. Wegen einer Kombination aus "düsteren wirtschaftlichen Perspektiven und gefallenen Aktienkursen" sei es für sie zudem schwierig, an neues Kapital zu kommen.

  • Der Betrieb der Stromnetze wird der Studie zufolge wegen der zunehmend strengeren Regulierung immer weniger lukrativ. Zudem könnten die niedrigen, aber steten Einnahmen bald ganz ausbleiben, weil derzeit viele Konzessionsverträge auslaufen und viele Kommunen die Netze (auch auf Druck von Bürgern) wieder in die öffentliche Hand nehmen.

Als Ausweg aus der Misere sieht die Studie nur die verstärkte Investition erneuerbare Energien "inklusive der dazugehörigen Infrastruktur und auf das Geschäftsfeld der Energiedienstleistungen". Das Kapital für den Strategieschwenk müssten die Konzerne demnach durch den Verkauf von Kraftwerken oder Kraftwerksanteilen (auch unter Verlusten) und Einsparungen aufbringen.

Zusammengefasst: Eine Greenpeace-Studie gibt den vier großen Energiekonzernen die Hauptschuld an deren wirtschaftlichen Misere. Das Management habe sich zu lange "auf vormals blendenden Geschäftszahlen ausgeruht", sich zu sehr auf ihren Einfluss auf die Politik verlassen, zu lange auf Atomkraft gesetzt und die Dynamik des Ausbaus erneuerbarer Energien unterschätzt.

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