Greenwashing Das Märchen vom grünen Riesen

Sie pusten gigantische Mengen CO2 in die Luft - und wollen sich trotzdem ein grünes Image geben: Deutschlands Konzerne machen passend zum Klimagipfel in Kopenhagen auf öko. Dabei fällt die Scheinheiligkeit der aufwendigen Werbekampagnen selbst Laien auf.
Von Samuel Jackisch
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Greenwashing: Grüner Anstrich für Konzerne

Foto: RWE

Hamburg - Es war einmal ein grasgrüner Riese, der war ungemein niedlich. Er streifte durch sonnige Täler, pflanzte kleine Windräder und Gezeitenkraftwerke, rollte grünen Rasen aus und pustete graue Wolken beiseite. Doch der umweltfreundliche Energieriese ist nur ein Märchen - die Erfindung einer Hamburger Werbeagentur. Sie soll dem Stromkonzern RWE   ein besseres Image verpassen: kuschelig, sympathisch und vor allem grün.

Tatsächlich liegen Schein und Sein bei RWE weit auseinander: Der Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromproduktion von RWE lag im vergangenen Jahr bei mageren 2,4 Prozent - kein Unternehmen in Europa bläst mehr CO2 in die Luft. Damit ist die plumpe Kampagne des "grünen Energieriesen" ein besonders gutes Beispiel für "Greenwashing": Der Begriff bezeichnet die Bemühungen von Unternehmen, ihrem klimaschädlichen Geschäft einen grünen Anstrich zu geben.

Passend zum Klimagipfel in Kopenhagen ist Greenwashing derzeit besonders beliebt. Kaum ein großes Unternehmen lässt sich die Gelegenheit entgehen, jetzt als besonders klimafreundlich dazustehen. Das Konzept Greenwashing funktioniert dabei stets nach denselben Regeln: In der Summe oft irrelevantes grünes Engagement wird öffentlichkeitswirksam überbetont, um gleichzeitig von schädlichem Verhalten abzulenken.

Das Geschäft mit der Hoffnung

Unter dem kitschigen Namen "Hopenhagen" haben sich zum Klimagipfel Industrielle und Werbetreibende zusammengetan. Sie sammeln virtuell Unterschriften, vermarkten T-Shirts und ein gutes Gewissen. Unter ihnen befinden sich Siemens  , der Software-Gigant SAP   und der Chemiekonzern DuPont. Die schicke Website wirkt ehrlich und ansprechend und hat doch nur eines zum Ziel: Ihren Machern ein grünes Image zu verschaffen.

Sponsor von "Hopenhagen" ist auch BMW  . Der Autohersteller stellt dem Uno-Gipfel wasserstoffbetriebene Limousinen zur Verfügung. Gleichzeitig berichten mehrere Zeitungen, BMW werde die Forschung an dem Antrieb vorerst einstellen. BMW dementiert: Man werde zwar keine Wasserstoff-Flotte mehr aufbauen, geforscht werde aber weiterhin. Auch eine Flotte von Elektro-Minis wurde nach Kopenhagen geschickt, um den Eindruck einer sauberen Transportlösung für die Zukunft zu vermitteln. Doch auch das beste Elektroauto bleibt ein Klimasünder, wenn der benötigte Strom aus CO2-intensiven Kohlekraftwerken stammt.

Bei Coca-Cola   - einem weiteren Gründungsmitglied von "Hopenhagen" - wäre man dagegen schon froh, wenn CO2 das einzige Problem wäre. Viele der weltweit etwa zehn Millionen Kühlschränke des Unternehmens arbeiten mit Fluorkohlenwasserstoffen (FKW) - für das Klima sind diese tausendfach schädlicher als CO2. Zu Beginn des Klimagipfels in Kopenhagen hat Coca-Cola nun versprochen, FKW-Geräte auszutauschen. Experten stellen sich die Frage: Warum erst jetzt?

"Unternehmen versuchen mit Greenwashing-Kampagnen ihr Kerngeschäft sauberzuwaschen", sagt Ulrich Müller vom Kölner Verein LobbyControl. "Viele Unternehmen wollen sich einen grünen Anstrich verpassen, um sich aus der Schusslinie zu bringen und weitergehende Auflagen zu vermeiden."

Dabei tun sich vor allem solche Unternehmen hervor, die ohnehin in der Kritik stehen. Beispiel BMW: LobbyControl hat BMW und Daimler sogar den Negativpreis "Worst EU Lobbying Award" verliehen. Die beiden Autokonzerne hatten Klimaschützer immer wieder ausgebremst: "Hier wurde 2008 massiv Lobbyarbeit gegen die von der EU geplanten CO2-Richtlinien gemacht, weil es die Unternehmen selbst nicht schaffen, diese Klimaziele einzuhalten. Und dann wird in Kopenhagen plötzlich so getan, als wäre man der größte Klimafreund", sagte Nina Katzemich von LobbyControl dem NDR.

Das Konzept ist nicht ganz neu. Bereits 1989 taten sich Öl- und Automobilkonzerne in der Global Climate Coalition zusammen, um sich in der aufkommenden Klimadebatte nicht in die falsche Ecke drängen zu lassen. Seitdem wird jeder Klimagipfel von starken Lobbygruppen begleitet, die versuchen, für ihre Branche die besten - also unverbindlichsten - Vorgaben und Ziele herauszuholen. Gleichzeitig soll das schlechte Image der "Klimasünder" aufpoliert werden.

Grüner Anstrich für schmutzige Geschäfte

Greenwashing sieht nach außen gut aus - im Verhältnis betrachtet bleibt es jedoch wirkungslos. Ein besonders bekanntes Beispiel ist die Regenwaldaktion der Krombacher Brauerei. TV-Moderator Günther Jauch verspricht im Werbefernsehen die Rettung eines Quadratmeters Regenwald für jeden verkauften Kasten Krombacher Bier. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Brauerei rund 14 Millionen Quadratmeter Regenwald gerettet. Das klingt viel, entspricht aber gerade etwa 0,01 Prozent dessen, was in derselben Zeit abgeholzt wurde.

Aber es geht noch oberflächlicher: So hatte die Fastfood-Kette McDonald's im November angekündigt, ihre Logofarbe von rot auf grün zu ändern - "aus Respekt vor der Umwelt". Doch die hat von der Umstellung allein freilich nichts.

Klimaexperte Christoph Bals fürchtet, dass auch die Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen vor allem auf den grünen Anstrich eines möglichen Abkommens achten werden und dabei Inhalte vernachlässigen: "Das Ergebnis wird als gut verkündet werden - egal wie die Substanz ist. Wir brauchen aber kein Greenwashing-Abkommen, sondern rechtlich verbindliche, ambitionierte Klimaschutzvereinbarungen."

Mit Material von dpa
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