Gesetz zu TV-Lizenzen Syriza legt sich mit Medien-Mogulen an

Medienpolitiker Lefteris Kretsos: "Die Zeit der Drohungen ist vorbei"
Foto: Vangelis RassiasHinter einem großen Schreibtisch in der Zentrale des griechischen Generalsekretariats für Information im Zentrum Athens sitzt Lefteris Kretsos hinter heruntergelassenen Jalousien. Wie die meisten Syriza-Vertreter trägt er keine Krawatte und ist locker im Umgang. Kretsos gehört zum inneren Beraterkreis von Ministerpräsident Alexis Tsipras und spielte eine entscheidende Rolle beim Entwurf eines Gesetzes, das in den privaten Medien des Landes für Empörung sorgt. Derzeit werden die Pläne öffentlich diskutiert, bald soll das Parlament darüber entscheiden.
Kretsos ist nach Griechenland zurückgekehrt, um "für den Wandel zu kämpfen". Zuvor arbeitete er als Dozent für Personalführung an der britischen Universität Greenwich. Jetzt fühlt er sich als Teil des "nationalen Vorhabens, gegen Interessengruppen vorzugehen".
Das geplante Gesetz sieht eine Umgestaltung der griechischen Medienlandschaft vor. Es soll für Transparenz sorgen und den Einfluss jener Medien-Unternehmer begrenzen, die Tsipras häufig als "griechische Oligarchen" bezeichnet. Noch in diesem Jahr müssen sich Fernsehunternehmer demnach um eine begrenzte Zahl von zehnjährigen Sendelizenzen bewerben, welche dem Staat geschätzt 120 Millionen Euro einbringen sollen.
Bewerber müssen eine lange Liste von Auflagen erfüllen - von der Mindestanzahl ihrer Mitarbeiter (400 im Fall von landesweiten Sendern) bis zum Umfang ihres Nachrichtenangebots (mindestens eine Stunde). Laut Experten benötigen nationale TV-Stationen damit ein Jahresbudget von 25 bis 30 Millionen Euro - das ist schwierig in einem angeschlagenen Werbemarkt mit einem Gesamtumsatz von geschätzt 200 Millionen Euro.
Medienunternehmer müssen für landesweite Sender zudem eigenes Kapital von mindestens acht Millionen Euro einzahlen. Aktien für TV-Sender sollen registriert werden, um die wahren Eigentümer offenzulegen. Außerdem müssen die Eigentümer die Herkunft ihrer Mittel ebenso transparent machen wie ihre Kredite und die Angabe, ob diese bedient werden.
"Kredite, von denen andere nur träumen können"
Nach Ansicht der Regierung nützt das bisherige System Geschäftsmagnaten, denen auch Medien gehören. "Die Besitzer großer Fernsehsender beeinflussen politische Entscheidungen, fördern bestimmte Politiker und schaden anderen, kämpfen gegen bestimmte Ideen und politische Parteien", so Kretsos. "Und sie nutzen ihren Einfluss für Bankkredite, von denen andere Unternehmen nur träumen können."
Kretsos zufolge erwartet die Regierung in Kürze einen offiziellen Bericht der griechischen Nationalbank über die Bonität von Medienunternehmen. Sollten diese ihre Kredite bedienen, so gebe es kein Problem. Doch das ist unwahrscheinlich, die Branche gilt als hochverschuldet. Falls offene Forderungen auftauchen, gilt es laut Kretsos herauszufinden "wie sie diese Darlehen erhalten haben. Andere Firmen leiden, um Kredite zu erhalten. Warum sollten Medienunternehmer eine Sonderbehandlung bekommen?"
Tsipras hat noch einen Grund für die Reform: Sie könnte Syrizas Ruf als linke Partei retten. Im Gegenzug für neue Finanzhilfen hat der Premier widerwillig weiteren Einsparungen, Steuererhöhungen, Reformen und Privatisierungen zugestimmt und damit den Zorn des linken Parteiflügels auf sich gezogen. Nun signalisiert Tsipras mit seinem Angriff auf die Medienbarone, dass nur seine Regierung Reformen anpacken kann, an die sich traditionelle Parteien nicht getraut haben.
Auf große Sympathie in der Bevölkerung kann Tispras bauen: Laut einer Umfrage des Thinktanks Bridging Europe misstrauen 69 Prozent der Griechen den großen TV-Sendern. 72 Prozent unterstützen, dass die Regierung "die Medienschlandschaft und den Handel mit Lizenzen verändert".
Ein Vorwand, um Kritiker mundtot zu machen?
Aus Sicht von Medienunternehmen und vieler Analysten ist die Reform jedoch nur ein willkommener Vorwand, um gegen abweichende Meinungen vorzugehen. Kritiker warnen, Syrizas Medienpolitik zeige zunehmend autoritäre Züge. Sie verweisen auf diverse Untersuchungsverfahren, die gegen Privatmedien und einzelne Journalisten eingeleitet wurden, nachdem diese Tsipras' Nein-Kampagne vor dem Referendum am 5. Juli kritisiert hatten.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den von der Vorgängerregierung geschlossenen und mittlerweile wiedereröffneten öffentlichen Fernsehsender ERT. Dieser gilt vielen als ein Sprachrohr der Regierung.
Hinzu kommt: Vouli TV, der Fernsehsender des Parlaments, gehört mittlerweile zum Machtbereich von Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou, einer linken Führungsfigur von Syriza. Programmdirektor Aristeidis Fatouros warf Konstantopoulou kürzlich vor, den Sender "gewaltsam in ein Mittel zur Eigenwerbung und Propaganda" zu verwandeln.
Kretsos weist die Vorwürfe zurück. Man suche "keine Rache", obwohl alle großen Sender Stimmung gegen die Nein-Kampagne beim Referendum gemacht hätten. "Nicht wir beanspruchen übermäßige Macht, sondern die Medieneigner haben solche Macht schon". ERT sei auch kein Propagandasender, sondern habe vor dem Referendum lediglich "der Versuchung widerstanden, sich auf eine Seite zu schlagen".
Der Medienpolitiker hofft, die geplante neue Fernsehlandschaft werde zu Wachstum und neuen Jobs führen. Doch zunächst passierte das Gegenteil. Erst in der vergangenen Woche feuerte ANT1, einer der größten Sender des Landes, 40 Techniker. Die Regierung reagierte umgehend und teilte mit, dies werde nicht die Entschlossenheit zur Reform verringern. "Wir sind bereit zum Dialog, aber werden uns nicht einschüchtern oder drangsalieren lassen", sagt Kretsos. "Die Zeit der Drohungen ist vorbei."
Fürs Erste scheint diese Strategie aufzugehen: An diesem Donnerstag kündigte ANT1 an, die 40 Techniker wieder einzustellen. Die zuständige Gewerkschaft begrüßte die Ankündigung und dankte der Regierung dafür, "dass sie vom ersten Moment an auf unserer Seite stand".