Möglicher Deal zwischen Athen und Moskau Griechenland hofft auf russische Pipeline-Milliarden

Griechischer Premier Tsipras, russischer Präsident Putin am 8. April in Moskau: Kommt es zu einem Abkommen?
Foto: Alexander Zemlianichenko/ AP/dpaGriechenland setzt auf Geld aus Russland, um Handlungsspielraum im Schuldenstreit zu gewinnen. Die Regierungen in Athen und Moskau planen ein Abkommen, bei dem es um Milliarden geht. Verträge über ein Pipeline-Projekt mit dem Namen Turkish Stream könnten bereits am kommenden Dienstag unterzeichnet werden, sagte ein hochrangiger Syriza-Mann SPIEGEL ONLINE.
Turkish Stream würde ab 2019 russisches Erdgas nach Europa bringen, die Leitung auch durch Griechenland führen. Ob die Pipeline tatsächlich gebaut wird, lässt sich noch nicht sagen. Das Projekt würde auf jeden Fall Jahre in Anspruch nehmen, und es müsste der kritischen Prüfung der EU standhalten.
Ob die Pläne jemals umgesetzt werden, ist für die griechische Regierung zurzeit allerdings zweitrangig. Athen rechnet damit, kurzfristig drei bis fünf Milliarden Euro von Russland zu erhalten - als Vorauszahlung auf künftige Gewinne, die das Land durch die Transitgebühren einnehmen könnte.
Zurückzahlen müssten die Griechen das Geld nicht vor 2019, also dem Zeitpunkt, zu dem die Pipeline in Betrieb genommen werden soll. Falls das Projekt aufgegeben werden sollte, könnte die Zahlung aus Moskau als verdecktes Darlehen interpretiert werden. Athen hofft zudem auf weitere positive Effekte: Durch das Projekt könnten 20.000 Jobs entstehen - und die Erdgaspreise im Land sinken.
Der Kreml reagierte am Samstagnachmittag auf den SPIEGEL-ONLINE-Bericht. Der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, sagte, man habe Griechenland keine finanzielle Hilfe angeboten, weil man darum auch nicht gebeten worden sei. Aber "natürlich" hätten Putin und der griechische Premier Alexis Tsipras vergangene Woche bei ihrem Treffen in Moskau auch die "Zusammenarbeit in Energiefragen" erörtert. Diese Diskussionen würden nun auf Mitarbeiterebene fortgeführt.
Wie knapp steht Griechenland vor der Zahlungsunfähigkeit?
Griechenland braucht dringend frisches Geld, dem Land droht der Bankrott. Kommt kein Kompromiss mit den internationalen Geldgebern zustande, muss die Regierung bald entscheiden: Schulden bedienen oder Löhne und Pensionen auszahlen? Offiziell dementiert sie allerdings, dass ihr das Geld ausgeht.
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE sind schon jetzt nahezu alle Zahlungen im öffentlichen Sektor eingefroren, die nicht unbedingt nötig sind: von Löhnen für Staatsbedienstete bis hin zu Vertragszahlungen an Lieferanten der griechischen Armee. In dieser Situation wären Zahlungen aus Russland eine willkommene Hilfe.
Russland will mit Turkish Stream ab 2019 die Ukraine als Transitland für sein Gas umgehen. Staatschef Putin hatte den Plan bei einem Besuch in Ankara 2014 vorgestellt. Die geplante Pipeline würde Griechenland von der Türkei aus erreichen und rund 450 Kilometer durch das Land laufen, ehe sie nach Mazedonien führt.
Einige Analysten halten das Projekt für unrealistisch. Es könnte ebenso scheitern wie die vorher von Russland geplante South-Stream-Pipeline. Diese sollte Gas von Russland aus über den Grund des Schwarzen Meeres nach Bulgarien leiten. Das Projekt wurde Ende 2014 nach Auseinandersetzungen zwischen Russland und der EU aufgegeben. (Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten zu South Stream.)
Brüssel ist auch beim neuen Projekt skeptisch ob der Durchführbarkeit und fürchtet, Russland wolle Uneinigkeit zwischen den EU-Staaten schüren.
Syriza will Energie-Politik "ohne Vorurteile"
Der griechische Energieminister Panagiotis Lafazanis, Anführer des linken Syriza-Flügels, argumentiert, Russland sei zentral für Europas Energieversorgung. Vergangene Woche sagte er bei einem Treffen in Litauen, dass Griechenland eine unabhängige und offene Energiepolitik verfolge, "ohne Vorurteile und ohne Mauern zu errichten, die bestimmte Länder isolieren".
In einem Radio-Interview kritisierte Lafazanis die Haltung Deutschlands. Es wolle durch den Ausbau der baltischen Pipelines ein Monopol auf die Gasweiterleitung in Europa etablieren. Er könne die Reaktion der westeuropäischen Staaten verstehen, aber Griechenland dürfe sich nicht weiter wie eine Bananenrepublik verhalten.
Bei seinem Besuch in Moskau hatten Putin und der griechische Premier Alexis Tsipras über das Turkish-Stream-Projekt gesprochen, das Athen vorzugsweise als "griechische Pipeline" bezeichnet. Die Zusammenarbeit der beiden Länder in Energiefragen könnte sich zusätzlich auf den Öl-Sektor ausweiten. Athen hofft, dass russische Firmen sich für Bohrprojekte im Ionischen Meer und vor der Südostküste von Kreta bewerben.
Am 7. April hatte zudem Griechenlands Außenminister Nikos Kotzias in Budapest mit seinen Amtskollegen aus Ungarn, Serbien, Mazedonien und der Türkei die Pipeline-Pläne diskutiert. Die Minister unterstützten demnach die Einrichtung einer wirtschaftlich tragfähigen Alternative für das Weiterleiten von Erdgas durch ihre Staaten in die zentral- und südosteuropäischen Länder.
Zusammengefasst: Russland und Griechenland könnten in den kommenden Tagen ein Abkommen unterzeichnen, das den Bau einer neuen Pipeline vorsieht - das Projekt heißt Turkish Stream, denn die Leitungen sollen über die Türkei nach Griechenland führen. Der Deal könnte Athen drei bis fünf Milliarden Euro bringen. Allerdings halten einige Analysten das Projekt für unrealistisch.
Die Griechenlandkrise in Zitaten: