Herkunftsbezeichnung Eine Posse Made in Germany

Die wichtigste Marke der deutschen Wirtschaft ist angeblich in Gefahr: Die EU-Kommission attackiere das Siegel "Made in Germany". Wirtschaftsverbände schreien auf, die Bundesregierung legt Protest ein. Alles nur ein Missverständnis?
"Made in Germany" auf der IFA in Berlin - Identität der deutschen Wirtschaft in Gefahr

"Made in Germany" auf der IFA in Berlin - Identität der deutschen Wirtschaft in Gefahr

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Hamburg - Die deutsche Wirtschaft legt viel Wert auf die Bezeichnung "Made in Germany". Weltweit verkaufen sich Autos und Maschinen mit diesem Label hervorragend - auch wenn sie hierzulande nur aus Tausenden ausländischer Teile zusammengeschraubt werden. Angeblich will die EU-Kommission diese großzügige Auslegung kippen. Deutsche Wirtschaftsverbände und die Bundesregierung protestieren. Dabei hat die EU-Kommission die Meldung schon längst dementiert.

"Wenn künftig Herkunft und Wert der Vormaterialien entscheidend sind, werden viele Produkte nicht mehr als deutsch gelten", wetterte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags Hans-Heinrich Driftmann in der "Welt". Der deutschen Wirtschaft entstünde ein "immenser Schaden", die Verbraucher würden einer wichtigen Orientierungshilfe beraubt. Der Hintergrund: Angeblich plant der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta, dass Firmen nur noch dann "Made in Germany" auf ihre Produkte schreiben dürften, wenn mindestens 45 Prozent des Wertanteils aus Deutschland stammen.

Tatsächlich wird in der EU-Kommission eine Änderung des Ursprungsrechts diskutiert. Allerdings sei das "nicht mehr als ein Plan", sagt Andreas Schwab, CDU-Abgeordneter im Europaparlament. Es gehe darum, ein konkretes Problem bei den Importen zu lösen: Der Litauer Semeta, in der EU-Kommission für Steuern und Zoll zuständig, will verhindern, dass Mitgliedsländer die Ursprungsregeln bei Importen unterschiedlich handhaben können.

Bisher kann es nach Angaben eines Kommissionssprechers dazu kommen, dass ein EU-Staat Schuhe mit dem Label "Made in China" importiert, während ein anderer Staat dasselbe Modell mit dem Ursprungsland Taiwan einführt. Auf erstere werden Strafzölle fällig, auf letztere nicht. Deshalb wolle die Kommission einheitliche Regeln für Herkunftsbezeichnungen von Produkten anregen, die in die EU eingeführt werden, sagte ein Sprecher der Kommission. Für in der EU hergestellte und für den Export bestimmte Waren soll dagegen alles beim Alten bleiben.

Felix Neugart vom DIHK hält an seiner Kritik allerdings fest: "Den Regeln der WTO zufolge müssen Importe genauso behandelt werden wie Exporte. Wenn die gleichen Regeln auf deutsche Waren angewandt werden müssen, gilt zum Beispiel für Maschinen die Regel, dass 45 Prozent des Produktwertes aus Deutschland stammen müssen." Die Änderungen könnten durchaus dazu führen, dass das Label "Made in Germany" in Gefahr gerät, sagte Neugart.

Ähnlich sieht es Oliver Wieck vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): "Als Reaktion könnten auch andere Länder ähnliche Änderungen einführen. Dies würde die Lage der stark exportorientierten deutschen Wirtschaft auf dem Weltmarkt natürlich erheblich erschweren." Allerdings rät der BDI gleichzeitig dazu, erst einmal "abzuwarten", was die EU-Kommission tatsächlich plane.

Die Politik in Berlin stellte sich am Montag allerdings umgehend auf die Seite der Verbände, das Dementi aus Brüssel blieb weitgehend folgenlos: Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ mitteilen, sie stütze "auf jeden Fall den Vorstoß der deutschen Wirtschaft". Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler schrieb am Montag in einem Brief an EU-Kommissar Semeta: "Erfolgreiche Markenzeichen europäischer Exporte, wie beispielsweise Made in Germany, sollten nicht ausgehöhlt werden und müssen weiter in der jetzigen Form genutzt werden." Das Dementi der EU-Kommission deutete das Bundeswirtschaftsministerium selbstbewusst als einen schnellen Erfolg der Protestnote.

So viel Aufregung kann der Europaparlamentarier Andreas Schwab nicht verstehen. Grundsätzlich habe der DIHK zwar Recht mit seiner Kritik, "schießt aber in diesem Fall zu scharf auf einen Plan, der noch keine konkreten Züge angenommen hat." Einen konkreten Vorschlag erwartet Schwab gar nicht, aber "selbst wenn Semeta eine entsprechende Änderung ins Parlament einbrächte, müsste er mit unserem erbitterten Widerstand rechnen - und würde sie hier nicht durchbekommen."

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