Energiewende Massive Öko-Rabatte für Braunkohle-Konzerne

Braunkohle gilt als Klimakiller, dennoch kassieren Energiekonzerne wie RWE oder Vattenfall Industrierabatte bei der Ökostrom-Umlage. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE fallen die Nachlässe weit höher aus als bislang bekannt.
Braunkohle-Tagebau im Revier Garzweiler: Entlastung bei Ökostrom-Umlage

Braunkohle-Tagebau im Revier Garzweiler: Entlastung bei Ökostrom-Umlage

Foto: Ina Fassbender / REUTERS

Hamburg - Deutschlands Energiekonzerne sparen mit ihren Braunkohletagebau-Betrieben weit kräftiger bei der Ökostrom-Umlage als bislang bekannt. Das ist das Ergebnis einer Hochrechnung der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die SPIEGEL ONLINE exklusiv vorliegt.

Den Berechnungen zufolge betrugen die Befreiungen im Jahr 2013 insgesamt rund 166 Millionen Euro. 2014 könnten sie gar auf 197 Millionen Euro steigen. 2012 lagen die Entlastungen demnach noch bei 109 Millionen Euro.

Die Berechnung wird zu einem delikaten Zeitpunkt bekannt: Im Dezember hatte die EU-Kommission wegen der milliardenschweren Ökostrom-Rabatte für stromintensive Betriebe ein Beihilfeverfahren eröffnet. Bis zu diesem Freitag muss die Bundesregierung gegenüber der EU-Behörde reagieren und darlegen, warum sie große Teile der energieintensiven Industrie bei der Ökostrom-Umlage verschont.

"Rabatte bedrohen Akzeptanz für Energiewende"

Gerade die Entlastung des klimaschädlichen Braunkohletagebaus wird scharf kritisiert. "Das ist Subventionsirrsinn für die klimaschädlichste und schmutzigste Form der Stromerzeugung auf Kosten der Privatverbraucher und der nicht befreiten Industrie", sagt Oliver Krischer, Vize-Chef der Grünen-Bundestagsfraktion.

Auch für Jürgen Quentin, Energieexperte bei der Deutschen Umwelthilfe, ist es "absurd, dass Braunkohle-Tagebaue, die Umwelt und Klima zerstören und Tausenden Menschen ihre Heimat rauben, von der Finanzierung der Ökostrom-Förderung befreit werden". Es seien ungerechtfertigte Rabatte wie diese, die die Akzeptanz der Energiewende insgesamt bedrohten.

Bereits bekannt war, dass die Firma Vattenfall Europe Mining gut 68 Millionen Euro EEG-Umlage spart. Der Konzern profitiert dabei von der sogenannten Besonderen Ausgleichsregelung, die Industriefirmen mit hohem Energieverbrauch weitgehend von der Ökostrom-Umlage befreit. Konzerne, die im internationalen Wettbewerb stehen, sollen so entlastet werden - warum der heimische Kohletagebau profitiert, ist indes nicht ersichtlich. Importierte Braunkohle wird in Deutschland kaum verarbeitet.

Strom aus eigenen Kraftwerken für Bagger und Bänder

Die übrigen deutschen Braunkohleförderer außer Vattenfall   - RWE  , die mitteldeutschen Tagebaubetriebe Mibrag und bis zum Dezember 2013 auch E.on   - sind bislang sogar komplett von der Ökostrom-Umlage befreit. Sie profitieren vom sogenannten Eigenstromprivileg. Dieses besagt: Wer seinen Strom selbst verbraucht und ihn nicht ins öffentliche Netz einspeist, muss überhaupt keine Umlage zahlen. Genau dies tun die Konzerne: Sie zwacken Strom aus ihren eigenen Kraftwerken ab und betreiben damit ihre Bagger und Förderbänder.

Nach Hochrechnungen der Deutschen Umwelthilfe wurde so allein der Energiekonzern RWE 2013 mit mehr als 85 Millionen Euro bei der Ökostromumlage entlastet. Die Mibrag sparte sich zwölf Millionen Euro, der Energieriese E.on profitierte bei seinem kleinen Tagebau im Helmstedter Revier immerhin noch mit 1,1 Millionen Euro. Ende 2013 übernahm die Mibrag das Helmstedter Revier von E.on.

Für den Bundesverband Braunkohle sind die erheblichen Entlastungen berechtigt. Auf Anfrage verweist der Lobbyverband darauf, dass der aus Braunkohle gewonnene Strom durchaus im internationalen Wettbewerb stehe. Zudem würden die konventionellen Energieträger Steinkohle, Uran und Erdgas meist im Ausland und damit ohne Zahlung der EEG-Umlage gewonnen.

Betreiber bestätigen Eigenstrom-Privileg

Die DUH betont, dass es sich bei ihren Zahlen um eine Hochrechnung handelt. Diese basiert auf der Schätzung, dass für die Förderung von einer Million Tonnen Braunkohle und Abraum durchschnittlich drei Gigawattstunden Strom verbraucht werden. Die Konzerne selbst halten ihre Ersparnisse unter Berufung auf das Betriebsgeheimnis unter Verschluss.

RWE bestätigte auf Anfrage zwar prinzipiell, das Eigenstromprivileg zu nutzen - wollte sich zu konkreten Beträgen jedoch nicht äußern. "Unser Eigenstromverbrauch erfüllt die Kriterien der bestehenden Regelung des EEG", sagte ein Sprecher. E.on teilte mit: "Das Helmstedter Revier fiel auch unter das Eigenstromprivileg." Allerdings habe dafür eine Altregelung gegolten, E.on habe gar keinen Antrag auf Befreiung stellen müssen. Zum Umfang der Befreiung wolle man keine Angaben machen, da der Betrieb inzwischen an die Mibrag übergegangen sei. Auch die Mibrag teilte mit, ihre beiden Tagebaue mit Eigenstrom "im Sinne des EEG" zu betreiben. Überschüssige Strommengen würden am Markt platziert.

Die Braunkohle steht bei Umweltschützern nicht nur wegen der Verwandlung ganzer Landstriche in Mondlandschaften in der Kritik. Die Kraftwerke, in denen die Kohle verfeuert wird, sind wahre Dreckschleudern. Außer mit klimaschädlichem Kohlendioxid verpesten sie die Umwelt unter anderem mit Schwefeldioxid, Stickoxiden, Feinstaub und giftigen Metallen - und das weitaus stärker als etwa Steinkohle-Kraftwerke.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, die Hochrechnung der Deutschen Umwelthilfe basiere auf der Annahme, für die Förderung von einer Tonne Braunkohle und Abraum werde durchschnittlich drei Gigawattstunden Strom verbraucht. Tatsächlich geht die Deutsche Umwelthilfe für diese Strommenge aber von der Förderung von einer Million Tonnen Braunkohle und Abraum aus. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Mitarbeit: Florian Diekmann
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