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Metro-Goldwyn-Mayer: Götterdämmerung in Hollywood

Foto: MIKE NELSON/ AFP

Hollywood-Studio MGM Filmriss in der Traumfabrik

"James Bond", "Rocky", "Vom Winde verweht": Das Filmstudio Metro-Goldwyn-Mayer hat legendäre Kinoerfolge produziert - jetzt ist es am Ende. Angesichts von fast vier Milliarden Dollar Schulden suchen die Bosse nach einem Käufer. Das glamouröse Hollywood stirbt.

Hobbingen lebt. Das neuseeländische Filmset der Trilogie "Der Herr der Ringe" ist seit Ende der Dreharbeiten vor fast zehn Jahren eine Touristenattraktion, doch seit einiger Zeit wühlen dort wieder Bagger und Bauarbeiter. Sie graben neue Hobbithöhlen, pflanzen neue Hecken, verbreitern Wege, säubern Teiche.

Starregisseur Peter Jackson hatte gute Gründe, die Open-Air-Kulisse seines Hobbitdorfes in Hollywood stehen zu lassen, nachdem er das "Ringe"-Epos abgedreht hatte, die erfolgreichste Kinoserie aller Zeiten. Denn bald sollen dort die Arbeiten an "The Hobbit" beginnen, der zweiteiligen Vorgeschichte zum "Herr der Ringe", unter Obhut von Jackson und Regisseur Giullermo de Toro ("Pans Labyrinth"). Eines der zwei Drehbücher ist bereits fertig. Kinostart der 300 Millionen Dollar teuren Produktion: Weihnachten 2011.

Metro-Goldwyn-Mayer

Für das Filmstudio selbst dürfte dieser garantierte Kassenhit leider etwas zu spät kommen. (MGM), Hollywoods einst bekanntester Name, ist zur Hälfte am "Hobbit" beteiligt. Doch es ist zugleich hochverschuldet und kommt jetzt unter den Hammer - womöglich droht ihm die Zerschlagung durch einen meistbietenden Neubesitzer, der eher an der Verramschung der lukrativen MGM-Teilbestände interessiert ist als an dessen cineastischen Traditionen.

Das Studio mit dem brüllenden Löwen-Maskottchen gab Mitte November auf. Eine erste Bieterrunde soll ab dieser Woche starten, über eine interne Website, auf der Interessenten die MGM-Bücher einsehen können - ein "virtueller Raum", wie es MGM nennt. Rund 20 Konzerne haben sich angeblich schon formlos erkundigt, dazu nach Informationen der "Business Week" und anderer US-Medien die direkten Rivalen Warner Brothers und 20th Century Fox.

Parabel aufs heutige Hollywood

Der Filmriss bei MGM - das Legenden wie Greta Garbo und Clark Gable hervorbrachte - ist eine Parabel auf das heutige Hollywood, wo Wall-Street-Zocker und Finanzinvestoren das Sagen haben, während Tradition und Kinokunst nur noch Statistenrollen spielen. Die Studios sind längst in riesigen Medienkonzernen aufgegangen: Universal gehört General Electric (und bald Comcast)*, 20th Century Fox gehört Rupert Murdochs News Corp., Warner Brothers gehört Time Warner, Paramount gehört Viacom, Columbia gehört Sony, und Disney macht sein Geld mit Vergnügungsparks und Realityshows.

MGM ist der letzte Stallwächter des alten Studiosystems, der bisher nicht von einem Shareholder-fixierten Börsenmoloch geschluckt wurde. Aber selbst diese Unabhängigkeit war zuletzt nur noch Attrappe: Seit 2005 wird MGM von einem Konsortium aus Kapitalinvestoren (Providence Equity Partners, Quadrangle, TPG) sowie Sony und Comcast gesteuert. Seitdem hat das Studio keinen Kassenschlager mehr in die Kinos gebracht, mal abgesehen vom erfolgreichen Facelift des MGM-Hausspions James Bond.

Stattdessen stiegen die Schulden. 3,7 Milliarden Dollar sind es inzwischen, weshalb MGM seine insgesamt 140 Gläubiger angefleht hat, bis Ende Januar 2010 auf Zinszahlungen verzichten zu dürfen. Die willigten grummelnd ein - unter der Bedingung, dass MGM "strategische Alternativen" auslote. Klartext: Aufsplittung, Partnerschaft, Fusion, Verkauf.

Seitdem testet MGM den Markt. Die bisher zitierten Preisvorstellungen schwanken demnach zwischen 1,5 und höchstens drei Milliarden Dollar. Das ist ein Klacks für diese letzte große Hollywood-Institution, die ein Filmarchiv mit mehr als 4000 Titeln besitzt - darunter der unverwüstliche James Bond und, ja, der rosarote Panther.

MGM wurde zu behäbig

Dabei ist die Ära, in der der Name MGM noch Erinnerungen an Glanz und Glamour weckte, sowieso vorbei. 1924 gegründet, war es einmal die Heimat der größten Stars: Joan Crawford, Judy Garland, Vivian Leigh, Stan Laurel und Oliver Hardy, Grace Kelly, Bing Crosby, Fred Astaire, Gene Kelly. MGM-Filme wie "Vom Winde verweht", "Der Zauberer von Oz", "High Society", "Ein Amerikaner in Paris" und "Singin' in the Rain" markierten die Blütezeit eines mächtigen Hollywoods, das es nicht mehr gibt.

Das Studiomotto "Ars Gratia Artis" (Kunst um der Kunst willen) war bald nur noch eine Phrase. MGM wurde zu behäbig, verlor in den sechziger Jahren den Anschluss an die Trends. Es folgte ein Reigen von Mehrheitsbesitzern und Großaktionären, jeder mit eigener Agenda: Spirituosen-Milliardär Edgard Bronfman, der Time-Verlag, Investorenhai Kirk Kerkorian.

Kerkorian stoppte die Filmproduktion von 1973 bis 1980 sogar ganz, versuchte den Laden dann aber durch Zukauf des Traditionsstudios United Artists und der James-Bond-Marke neu zu beleben. Aber die Schulden explodierten, wieder wechselte MGM mehrmals den Besitzer, in einer Folge fataler Deals, die den Charakter des Hauses endgültig zerstörten. Nach einem Bieterkrieg ging es 2005 für fast drei Milliarden Dollar an das genannte Privatkonsortium.

Die turbulenten Jahre haben denn auch nur noch wenige MGM-Kinohits hervorgebracht: "2001: Odyssee im Weltraum", "Thelma & Louise" "Rocky", "Poltergeist", "9 1/2 Wochen", "Fame" (das Original), "Mad Max", "Hannibal". Ironie der Geschichte: Der einzige große MGM-Film des Jahres 2009, das Remake von "Fame", war ein Misserfolg.

Internet lässt Umsätze wegbrechen

Schlimmer noch als die kreativen Flops waren aber die finanziellen. Seit Jahrzehnten sind die MGM-Bilanzen auf Schulden gebaut, und die Hin-und-Her-Deals haben die Last nur vergrößert. So brisant ist die Lage mittlerweile, dass die stets gut informierte Hollywood-Bloggerin Nikki Finke kürzlich meldete, den Vertragspartnern sei es bei ihren Geschäften mit MGM "extrem unbehaglich" zumute: "Sie glauben nicht, dass sie noch bezahlt werden."

Hinzu kommt, dass sich das Business in Hollywood grundlegend geändert hat. Der klassische DVD-Markt - dem MGM 2007 immerhin noch 558 Millionen Dollar Umsatz verdankte - ist dank der Online-Konkurrenz branchenweit eingebrochen. Das einstige Zauberwort "Content" wird zum Alptraum für die Studios, da sie von der Verwertung ihrer Produkte immer mehr ausgeschlossen bleiben - ein Problem, das auch die Musikindustrie seit langem hat und zum Ende vieler Labels führte.

Jetzt geht es darum, wer sich den Krisenkonzern schnappt. Das Time-Warner-Konglomerat soll die besten Aussichten haben, sich MGM zu schnappen, da es von allen Interessenten die größten Bar-Reserven hat. Auch ist Warner Brothers bereits am "Hobbit"-Abenteuer beteiligt. Rupert Murdochs News Corporation - dessen 20th Century Fox schon jetzt MGM-Filme vertreibt - sei unter anderem auf James Bond scharf, hieß es. Ebenso Lionsgate, ein kleineres Studio, dessen Vize Michael Burns MGM neulich im TV-Sender CNBC "selbstverständlich interessant" nannte.

Letzter Ausweg Insolvenz

Doch Lionsgate - das erfolgreichste Independent-Studio in Hollywood - hat nicht genügend Kapital und würde MGM womöglich aufbrechen, um sich nur das Filmarchiv und die Bond-Rechte unter den Nagel zu reißen. Mit im Gespräch ist außerdem Peter Chernin, der frühere Präsident von News Corporation - ein Hollywood-Veteran, der zu den mächtigsten Medienmännern der USA zählt.

Dann gibt es auch noch Carl Icahn, den berüchtigten Firmenjäger. Der kaufe plötzlich MGM-Schuldverschreibungen auf "wie eine Fledermaus aus der Hölle", schreibt Finke. Er wolle MGM möglicherweise als Geschenk für seinen 29-jährigen Sohn Brett Icahn. Icahn ist außerdem Aktionär bei Lionsgate. Manche Insider bezweifeln, ob irgendeines dieser potentiellen Gebote zum Ziel führt. Als letzte Lösung bliebe am Ende nur das Insolvenzverfahren.

Unterdessen produziert MGM unbeirrt weiter. Dank des Zinsaufschubs kann es für nächstes Jahr drei Filme fertigstellen, allerdings sieht keiner davon wie ein Hit aus. Auch das "Hobbit"-Großprojekt läuft auf Hochtouren. Die Koproduktion von MGM mit der Time-Warner-Tochter New Line Cinema hat schon jetzt eine wilde Entstehungsgeschichte: Prozesse, Regisseurwechsel, etliche Fehlstarts. Doch die Erfolgsaussichten sind so enorm, dass MGM diese Fantasy-Saga sogar als Köder für künftige Käufer nutzen kann.

Zumindest in Hobbingen wird also gebuddelt.

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