HSH-Nordbank-Prozess Im Zweifel für die Geldverbrenner

Mit einem Freispruch endet der Mammut-Prozess gegen Dirk Jens Nonnenmacher und fünf weitere Ex-Vorstände der HSH Nordbank. Das Urteil zeigt: Die Verfehlungen der Finanzbranche lassen sich strafrechtlich kaum ahnden.
Ex-Vorstand Nonnenmacher: Als freier Mann aus dem Gericht

Ex-Vorstand Nonnenmacher: Als freier Mann aus dem Gericht

Foto: Daniel Reinhardt/ dpa

Hamburg - Freude? Genugtuung? Jubel? Bei Dirk Jens Nonnenmacher war von all dem nichts zu sehen. Äußerlich regungslos nahm er das Urteil entgegen, das ihn zum freien Mann macht. Am Ende hastete er durchs Treppenhaus des Hamburger Strafjustizgebäudes - verfolgt von Kamerateams, aber ohne ein Wort zu sagen. Nur sein Anwalt sprach von "Erleichterung".

Fast ein Jahr lang mussten sich Nonnenmacher und fünf weitere Ex-Vorstände der HSH Nordbank vor dem Landgericht verantworten. Jetzt wurden sie freigesprochen. Die Angeklagten hätten zwar ihre Pflichten verletzt, befand der Vorsitzende Richter Marc Tully. Die Verletzungen seien jedoch "nicht hinreichend gewichtig".

Damit scheitert ein weiterer Versuch, die Verfehlungen der Bankenbranche aus der Zeit vor der Finanzkrise juristisch aufzuarbeiten. Zuvor waren bereits Verfahren gegen ehemalige Manager der IKB und der Landesbank Baden-Württemberg eingestellt worden.

"Nicht unerhebliche Selbstüberschätzung"

In Hamburg stand zum ersten Mal ein kompletter Vorstand vor Gericht. Offiziell ging es um mögliche Untreue, um ein Geschäft aus den Jahren 2007 und 2008, das der Bank Millionenverluste einbrockte und das die Vorstände nach Ansicht der Staatsanwaltschaft viel zu leichtfertig durchgewinkt hatten. Tatsächlich ging es aber um viel mehr: nämlich um die Frage, ob sich jene Unkultur strafrechtlich fassen lässt, die in vielen Teilen der Bankenbranche herrschte und mitunter noch immer herrscht.

Die HSH Nordbank steht für die Überambitionen einer kleinen Bank, die bei den ganz Großen mitspielen wollte. Für schlechte Geschäfte auf Kosten der Steuerzahler. Und für die mangelnde Bereitschaft vieler Banker, eigene Fehler einzusehen.

All das schwang im Prozess immer mit - auch in der Urteilsbegründung, die über weite Strecken wie eine Anklageschrift klang. So sei etwa der Plan, die kleine, eher schwach aufgestellte HSH an die Börse zu bringen, "Ausfluss nicht unerheblicher Selbstüberschätzung" gewesen, sagte Richter Tully. Dennoch wollten Politik und Vorstand diesen Plan wohl unbedingt durchziehen. Auch deshalb gingen sie das verhängnisvolle Geschäft mit dem Namen Omega55 ein - einen Doppel-Deal mit der französischen Großbank BNP Paribas, bei dem der große Player die kleine HSH offenbar über den Tisch gezogen hat.

Eigentlich sollte das Geschäft die Bilanz der HSH von Risiken entlasten - und so die Bank vor dem geplanten Börsengang besser dastehen lassen. Doch nach Ansicht der Richter schlug das Vorhaben komplett fehl. Die erhoffte Entlastung gab es nicht. Der Deal sei somit für die HSH Nordbank "objektiv sinnlos" gewesen. Die Vorstände hätten ihre Pflicht verletzt, sich vorher umfassend über die Folgen des Geschäfts informieren zu lassen. Dadurch sei der Bank ein Schaden von rund 30 Millionen Euro entstanden.

Richter fordert etwas mehr Demut

Warum dann trotzdem der Freispruch? Weil sich die Fehlgriffe der Banker strafrechtlich nur bedingt ahnden lassen. So abstrus die Bilanzkosmetik wirken mag, mit der sich die HSH in Richtung Börsengang zu retten versuchte, sie war damals weder illegal noch unüblich. Und selbst bereichert haben sich die Vorstände durch das Geschäft eben auch nicht. "Es hat zu keinem Zeitpunkt der Verdacht bestanden, dass sich die Angeklagten gangstergleich oder bankstergleich - wie man so sagt - zu ihrem eigenen unmittelbaren Vorteil am Vermögen der HSH Nordbank vergriffen hätten", stellte Richter Tully klar.

Um die Vorstände unter solchen Umständen dennoch verurteilen zu können, hätten diese ihre Pflichten schon gravierend verletzen müssen - und das sahen die Richter dann doch nicht gegeben. Man habe nicht im Zweifel für den Angeklagten entschieden, sagte Richter Tully, sondern "im Zweifel für die Freiheit" - darunter fällt dann offenbar auch die Freiheit, als Manager auch mal Fehlentscheidungen zu treffen.

Zum Abschied gab Tully den Ex-Vorständen dann aber doch noch etwas zum Nachdenken mit: Vielleicht, so Tully, hätte man das ganze Verfahren schon viel früher beenden können, wenn die Angeklagten etwas mehr Demut gezeigt hätten - und etwas mehr "Einsicht in die Unzulänglichkeit der geleisteten Arbeit".

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