Ifo-Index fällt erneut Lieferengpässe drücken Stimmung in deutschen Unternehmen

Die deutsche Wirtschaft blickt wieder skeptischer in die Zukunft als zuletzt. Dem Münchner Ifo-Institut zufolge machen Lieferprobleme den Firmen zu schaffen, nicht jedes Weihnachtsgeschenk könne noch lieferbar sein.
Container im Hamburger Hafen: Auch der Handel klagt über Lieferprobleme

Container im Hamburger Hafen: Auch der Handel klagt über Lieferprobleme

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Fabian Bimmer / REUTERS

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich mit anhaltender Knappheit wichtiger Rohstoffe und Güter weiter verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Oktober auf 97,7 Punkte gefallen, nach 98,9 Punkten im September. Damit stellt das Wirtschaftsforschungsinstitut in seiner monatlichen Umfrage unter 9000 Führungskräften bereits zum vierten Mal in Folge einen Rückgang fest.

Fachleute hatten mit einem etwas geringeren Rückgang auf 97,9 Punkte gerechnet. »Lieferprobleme machen den Firmen zu schaffen«, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie sinke. »Sand im Getriebe der deutschen Wirtschaft hemmt die Erholung.« Die Managerinnen und Manager beurteilten ihre Lage, besonders aber die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate skeptischer als zuletzt.

Wachstum der Wirtschaft bedroht

Die deutsche Wirtschaft war wegen der Coronakrise Anfang des Jahres um zwei Prozent geschrumpft, dann aber im Zuge der Lockdown-Lockerungen im Frühjahr um 1,6 Prozent gewachsen. Trotz Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten gehen viele Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum im abgelaufenen Sommerquartal beschleunigt haben dürfte.

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft etwa erwartet , dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2 Prozent zum Vorquartal zulegt. Wegen der globalen Materialknappheit und steigender Coronainfektionen dürfte die Konjunktur im laufenden Schlussquartal allerdings wieder Schwung verlieren. Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe prognostiziert, die deutsche Wirtschaft könnte im laufenden Herbstquartal wohl nur noch um rund 0,5 Prozent wachsen.

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht den vierten Rückgang des Ifo-Index als Warnsignal. »Die Unternehmen ahnen, dass die Politiker auf die stark ansteigenden Coronainfektionen mit neuen Beschränkungen reagieren werden.« Zudem führe die neue Coronawelle vor allem in Asien zu Fabrikschließungen, was den Materialmangel hierzulande verschärfen werde. »Die deutsche Wirtschaft dürfte im vierten Quartal kaum noch wachsen.« Zumindest für Ende 2021 zeichne sich eine »Stagflation« ab – also eine Mischung aus stagnierender Konjunktur und steigender Inflation.

Lage im Baugewerbe verbessert

Die schlechte Stimmung in deutschen Unternehmen schlägt sich je nach Wirtschaftszweig jedoch unterschiedlich stark nieder. Im verarbeitenden Gewerbe sind die Firmen mit ihrer aktuellen Geschäftsentwicklung etwas weniger zufrieden – und auch die Erwartungen trüben sich weiter ein. Besonders deutlich schlage die Knappheit in der Autobranche durch, der etwa Halbleiter fehlen. Hier sei die Kapazitätsauslastung von zuletzt 85,2 auf aktuell nur noch 78,2 Prozent gesunken.

Im Dienstleistungssektor hat sich das Geschäftsklima ebenfalls wieder verschlechtert, die Unternehmen blicken auch weniger optimistisch auf die kommenden Monate. Ihre aktuelle Lage jedoch bewerten sie etwas besser.

Im Handel ist der Index wegen der Lieferengpässe deutlich gesunken. Die Händler sind merklich weniger zufrieden mit ihren laufenden Geschäften. Zudem nimmt der Pessimismus mit Blick auf die kommenden Monate weiter zu. »Es gibt Lieferprobleme im Einzelhandel, nicht jedes Weihnachtsgeschenk wird lieferbar sein«, sagte Ifo-Experte Wohlrabe. Mehr als jeder zweite Einzelhändler strebe Preiserhöhungen an.

Deutlich besser ist das Geschäftsklima im Baugewerbe, die Lage sei besser – und die Erwartungen an die Zukunft stiegen zum sechsten Mal in Folge. Entsprechend hoch bleibt die Nachfrage nach Bauleistungen: Die Auftragseingänge im Bauhauptgewerbe legten von Juli bis August preisbereinigt, kalender- und saisonbereinigt um 7,3 Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Der Wert der Auftragseingänge betrug im August demnach 7,8 Milliarden Euro. Das ist der höchste jemals gemessene Wert in einem August. Hauptsächlich sind laut Statistischem Bundesamt  dafür die stark gestiegenen Baupreise verantwortlich.

apr/Reuters/AFP
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