IG-Metall-Kritik an GM "Das erinnert an Staatssozialismus"

Tausende Jobs in Gefahr, Werken droht die Schließung - bei Opel herrscht Angst nach der Kehrtwende von GM. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE erklärt Armin Schild, IG-Metall-Bezirksleiter und Aufsichtsrat bei dem Autobauer, warum er glaubt, dass der Mutterkonzern bei der Sanierung versagen wird.
IG Metall-Bezirksleiter Schild: Berichtswesen erinnert an Staatssozialismus

IG Metall-Bezirksleiter Schild: Berichtswesen erinnert an Staatssozialismus

Foto: DDP

SPIEGEL ONLINE: Herr Schild, GM wird Opel nicht an Magna verkaufen, sondern selbst sanieren. Was kommt jetzt auf die Mitarbeiter zu?

Schild: General Motors wird die Unternehmenspolitik fortsetzen, die bereits in den vergangenen 20 Jahren zum Niedergang des Konzerns geführt hat. Der Druck auf Arbeitnehmer und Politik wird allerdings noch erhöht werden.

SPIEGEL ONLINE: Was könnte GM fordern?

Schild: GM wird in etwa die gleichen Unterstützungsleistungen fordern, die Magna zugestanden worden wären. Im Gegenzug warten sie mit einem Sanierungskonzept auf, das auf den ersten Blick dem von Magna ähnelt, bei genauerer Betrachtung aber in keiner Weise hält, was es verspricht. Die Marke Opel würde sogar in ihrer Existenz gefährdet, jedenfalls bewusst schwer beschädigt.

SPIEGEL ONLINE: Wo liegen die Unterschiede beider Konzepte?

Schild: GM spricht von 10.000 Arbeitsplätzen, die abgebaut werden sollen. Eine ähnliche Zahl nannte auch Magna. Doch Magna setzte auf ein Konzept ohne Werksschließungen und Entlassungen. Arbeitsplatzabbau geht ja auch über Nichtersatz natürlicher Fluktuation. Die GM-Bosse wollen mehrere Standorte schließen und die Leute in Massen auf die Straße schicken. Es ist ein brutaler Unterschied, ob abstrakt 10.000 Arbeitsplätze eingespart, oder konkret 10.000 Menschen entlassen werden.

SPIEGEL ONLINE: Experten sehen Vorteile darin, wenn ganze Werke geschlossen werden - statt die Belegschaft gleichmäßig auszudünnen.

Schild: Es gehörte zur Strategie von Magna, den Jobabbau auf alle Werke zu verteilen. Das hat aber nichts mit gleichmäßigem Ausdünnen zu tun. Es ging darum, die bestehenden Kapazitäten auszulasten. Es ging um eine neue Strategie, Marktanteile auszubauen und zu erobern - durch das Vorziehen neuer Modelle, die Produktion von Nischenprodukten und die Erschließung neuer Märkte.

SPIEGEL ONLINE: Aber GM will doch auch Autos verkaufen.

Schild: Die Erfahrung der letzten 20 Jahre hat gezeigt, dass die GM-Manager vorwiegend auf Renditezahlen und weniger auf Stückzahlen achten und sich entsprechend wenig um die Konzeption neuer innovativer wettbewerbsfähiger Produkte kümmern. Das hat doch jeder gesehen bei Opel. Sie haben das Ingenieurs-Knowhow und das technologische Potential nie wirklich genutzt. Stattdessen wurde die Marke kaputt gespart und neue Modelle kamen erst auf den Markt, wenn man sich sicher wähnte, dass sie maximale Gewinne abwerfen. Das aber hat nie funktioniert und wird auch nicht funktionieren. Seit der Insolvenz ist ja auch kein einziges neues GM-Modell auf dem US-Markt erschienen.

SPIEGEL ONLINE: Das Problem ist also das GM-Management?

Schild: Das Problem sind die Strukturen und die grundsätzliche Ausrichtung des insolventen Giganten GM. Das Berichtswesen von einer Hierarchieebene zur nächsten erinnert an Staatssozialismus, in dem Erfolgsmeldungen abgesetzt werden, selbst wenn der Tanker schon absäuft.

SPIEGEL ONLINE: Wird GM in Opel investieren?

Schild: Schauen Sie sich die Summe an, die GM aufbringen will: Sie liegt mit voraussichtlich drei Milliarden Dollar deutlich niedriger als das was Magna aufwenden wollte. Ein bisschen wird sich selbstverständlich auch damit machen lassen. Aber eine Vorwärtsstrategie, zu der die Eroberung von Märkten gehört, ist damit nicht denkbar - und sie ist auch nicht beabsichtigt.

SPIEGEL ONLINE: Was heißt das für die Marke Opel?

Schild: Die Marke Opel wird so kaum eine Chance haben, die nächsten Jahre in einem heiß umkämpften Automarkt zu überleben. Die gesamte Branche kämpft weltweit mit 30 Prozent an Überkapazitäten. Wer dabei nicht auf die ambitionierte Verteidigung und den Ausbau seiner Position setzt, wird dieses Rennen verlieren. Es ist vielleicht das letzte Gefecht, das Opel jetzt führt. Und das geht nicht mit einer minimalen Ausstattung, wie GM sie plant.

SPIEGEL ONLINE: Sie lassen wirklich kein gutes Haar an den GM-Bossen. Die Zusammenarbeit dürfte sich schwierig gestalten.

Schild: Natürlich ist die Situation emotional aufgeladen. Besonders wenn man hautnah miterlebt, wie tausende Arbeitnehmer hingehalten um letztlich um ihre Zukunft betrogen werden. Trotzdem halte ich eine pauschale Verurteilung der GM-Führung für falsch. Ein Teil des GM-Managements hat sehr wohl erkannt, dass eine Zusammenarbeit mit Magna eine Riesenchance gewesen wäre. Aber es gehört schon etwas dazu, eine gesamte Belegschaft und die Regierungen vieler Staaten in Europa in dieser Weise gegen sich aufzubringen.

Das Interview führte Michael Kröger
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