Konkurrenz durch IHK Kammer gegen Kleinunternehmer

Unternehmensberater und Bildungsanbieter protestieren gegen ihre Industrie- und Handelskammern. Denn die machen ihnen mit eigenen Angeboten Konkurrenz - zum Teil bezahlt aus den Pflichtbeiträgen der Mitglieder.
Von Eva-Maria Hommel
Klaus Marwede: Der Berater finanziert seinen eigenen Wettbewerber - die IHK

Klaus Marwede: Der Berater finanziert seinen eigenen Wettbewerber - die IHK

Wendeburg - Klaus Marwede kämpft gegen jene, die eigentlich für ihn kämpfen sollen. Er ist Unternehmensberater in Wendeburg nahe Braunschweig, und er sagt: "Als freier Berater bin ich Pflichtmitglied in der Industrie- und Handelskammer und zahle dafür, dass die Kammer mir Konkurrenz macht." Was ihn so aufregt: Viele Industrie- und Handelskammern (IHKs) bieten Dienstleistungen wie Existenzgründerberatung oder Weiterbildung an - doch damit verdienen auch zahlreiche IHK-Mitgliedsunternehmen ihr Geld. Unter anderem auch Marwedes Beraternetzwerk.

"In den Geschäftsfeldern, in denen die Kammern als Konkurrenten auftreten, sind überwiegend kleine Unternehmen und Mittelständler unterwegs", sagt Kai Boeddinghaus, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands für freie Kammern (BffK) - ein Zusammenschluss von rund 1300 Kammer-Kritikern.

Was sie wütend macht, ist politisch gewollt: "Die IHKs haben den gesetzlichen Auftrag, für die Förderung der regionalen Wirtschaft zu wirken. Sie können dazu selbst tätig werden, aber auch Einrichtungen gründen", erklärt Thomas Renner, Sprecher des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK).

Das heißt aber nicht, dass sie machen können, was sie wollen. Eine interne Entscheidungshilfe des DIHK stellt klar: Das Gesetz "schreibt den IHKs eine Abwägung der Vorteile, die ihr Angebot für die gewerbliche Wirtschaft des Kammerbezirks bringt, gegenüber den wirtschaftlichen Interessen anderer - kammerzugehöriger - Anbieter vor." Kai Boeddinghaus vom BffK verlangt: "Diejenigen, die sich durch solche Aktivitäten benachteiligt fühlen, sollten zumindest aus der Kammer austreten können."

Die IHK darf Angebote von Konkurrenten nicht verschweigen

Das gelte erst recht für Aktivitäten, die nur einzelnen Betrieben nützten. Boeddinghaus nennt ein Beispiel: Im Mai 2011 hatte die IHK für München und Oberbayern ihrem Magazin einen Werbezettel eines Reise-Direktvermarkters beigelegt. Dagegen wehrte sich der Deutsche Reiseverband: Die Kammer trage dazu bei, dass den Reisebüros, die auch IHK-Mitglieder seien, die Geschäftsgrundlage entzogen werde. IHK-Sprecherin Sibylle Bauer betont, es habe sich um ein Angebot eines externen Veranstalters gehandelt, die Kammer habe nicht selbst geworben.

Wo aber ist die Grenze zwischen Wirtschaftsförderung und geschäftsschädigendem Verhalten? Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom April 2009 findet dazu klare Worte. Eine Beraterin hatte geklagt. Sie hatte einen Testanrufer bei der IHK-Zweigstelle in Bocholt nach Vorbereitungskursen für die Bilanzbuchhalter-Prüfung fragen lassen. Die Kammer-Mitarbeiterin empfahl dem Anrufer allerdings nur Angebote der IHK. Das Brisante: Die Kammer nimmt auch die Prüfung ab. Deshalb, so die BGH-Richter, sei sie für Bewerber erste Anlaufstation und genieße ihr Vertrauen. Diesen Wettbewerbsvorsprung dürfe sie nicht noch vergrößern, indem sie Angebote von Konkurrenten verschweige. Sie dürfe ihre "amtliche Stellung" nicht ausnutzen.

Roland Schilling, Ingenieur in Hohen Neuendorf in Brandenburg und ebenfalls Kammer-Kritiker, sieht eine ähnliche Situation bei der IHK FOSA (Foreign Skills Approval): Diese Organisation von 77 Industrie- und Handelskammern entscheidet im staatlichen Auftrag, ob ausländische Berufsabschlüsse anerkannt werden. "Es kann gut sein, dass viele der ausländischen Arbeitnehmer gleich die Weiterbildung der IHKs in Anspruch nehmen", sagt Schilling.

Der BffK verlangt mehr Transparenz

Unternehmensberater Klaus Marwede stört noch etwas: Die Regelung zum Gründungszuschuss. Seit Jahresbeginn haben ihn 18.100 Arbeitslose bekommen. Wer das Geld von der Arbeitsagentur will, braucht eine fachkundige Stellungnahme zu seiner Geschäftsidee. Marwede sagt: "Viele Gründungswillige gehen dafür zur IHK. Da liegt es nahe, sich gleich von der Kammer bei der Gründung beraten zu lassen." Dagegen betont DIHK-Sprecher Thomas Renner: "Auch Steuerberater, Unternehmensberater oder Wirtschaftsprüfer können Beratung und fachkundige Stellungnahme aus einer Hand anbieten."

Marwede fürchtet aber, dass viele Gründungswillige genau das nicht wissen. Deshalb sollen die Kammern seiner Meinung nach zumindest auch auf andere Anbieter hinweisen. Bei seiner IHK in Braunschweig hat er sich deswegen schon beschwert - mit Erfolg: Auf deren Internetseite erfahren Interessenten jetzt, dass Unternehmensberater die Stellungnahme kostenlos anbieten. "Wir sind bereit, weitere Anregungen aufzugreifen", sagt Kammer-Sprecher Jochen Hotop dazu.

Besonders ärgert die Kritiker, dass die Kammern einige Geschäftsaktivitäten aus ihren Pflichtbeiträgen bezahlen. Renner bestätigt das etwa für die Existenzgründerförderung. Andere Aufgaben allerdings müssten die IHKs kostendeckend anbieten. Der BffK verlangt hier mehr Transparenz und getrennte Budgets für hoheitliche und gewerbliche Aktivitäten.

In diesem Punkt macht ihnen der Gesetzgeber allerdings wenig Hoffnung. Gründerberatung, Aus- und Weiterbildung gehörten zu den Aufgaben der IHKs, sagt Adrian Toschev vom Bundeswirtschaftsministerium. "Eine getrennte Budgetierung ist nicht notwendig."

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