Preisturbulenzen Mittelgroßen Städten droht Immobilienblase

Wohnblöcke in Freiburg: Immobilien-Nachfrage in einigen Uni-Städten ist ungewiss
Foto: Patrick Seeger/ picture-alliance/ dpa/dpawebBerlin - Die Kaufpreise steigen über längere Zeit deutlich stärker als die Mieten: Diese Entwicklung gilt auf dem Wohnungs- und Häusersektor als möglicher Indikator für eine Immobilienblase. In der Gesamtbranche in Deutschland ist dieses Risiko derzeit zwar gering. In Teilbereichen aber wächst laut dem Dienstleister Immobilienscout24 die Gefahr einer Marktüberhitzung. Und einige mittelgroße Städte in der Bundesrepublik sind dem Portal zufolge derzeit anfälliger für eine Immobilienblase als Metropolen.
Potenziell gefährdet sind demnach etwa Regensburg, Freiburg und Erlangen, aber auch Augsburg sowie Ingolstadt. Zudem fallen in der Analyse Städte wie Bonn, Münster, Mainz oder Wiesbaden auf. Der wohl wichtigste Grund dafür: In Städten mittlerer Größe ist, anders als in beliebten Ballungszentren, keinesfalls sicher, dass bei steigenden Preisen auch die Nachfrage stetig weiter wachse.
Für die Analyse überprüfte Immobilienscout24 alle deutschen Städte ab 100.000 Einwohnern. Die Untersuchung betrachtet die Differenz zwischen dem jeweiligen Anstieg von Kaufpreis und Mietpreis: Am höchsten liegt diese Differenz in Regensburg, nämlich bei knapp 42 Prozent. Bei den mittelgroßen Städten folgen Erlangen mit rund 36 Prozent, Freiburg mit rund 34 Prozent und Augsburg mit rund 26 Prozent. Zum Vergleich: In Berlin beträgt diese Differenz der Studie zufolge rund 19 Prozent.
Hier finden Sie die Top 20 der Städte mit der höchsten Differenz von Kauf- und Mietpreisanstieg:
Entwicklung Kaufpreis- und Mietenanstieg
Stadtkreis | Miete m² aktuell | Mieten-Entwicklung zwischen 2007 und 2014 | Kaufpreis Wohnung aktuell m² | Kaufpreis-Entwicklung zwischen 2007 und 2014 | Differenz Kaufpreis- und Mietenanstieg |
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Regensburg | 8,35 | 23,8 | 2827 | 65,8 | 41,9 |
München | 13,01 | 23,3 | 4287 | 61,2 | 38,0 |
Erlangen | 8,86 | 29,6 | 2705 | 65,7 | 36,1 |
Freiburg im Breisgau | 9,91 | 24,4 | 3060 | 58,8 | 34,4 |
Hamburg | 9,27 | 26,3 | 2818 | 54,9 | 28,6 |
Düsseldorf | 8,96 | 20,2 | 2443 | 48,1 | 27,9 |
Nürnberg | 7,89 | 25,5 | 2100 | 51,7 | 26,2 |
Augsburg | 7,71 | 28,6 | 1985 | 54,6 | 26,1 |
Würzburg | 8,13 | 31,7 | 2178 | 56,9 | 25,2 |
Stuttgart | 10,01 | 20,8 | 2758 | 44,6 | 23,8 |
Ingolstadt | 8,77 | 46,9 | 2603 | 70,0 | 23,1 |
Münster | 7,95 | 23,0 | 2139 | 43,1 | 20,2 |
Mainz | 9,09 | 16,8 | 2322 | 36,3 | 19,5 |
Berlin | 7,70 | 40,2 | 2067 | 59,5 | 19,3 |
Köln | 8,72 | 16,7 | 2279 | 34,9 | 18,2 |
Offenbach am Main | 8,01 | 19,4 | 1914 | 37,3 | 17,8 |
Frankfurt am Main | 10,39 | 20,1 | 2773 | 37,8 | 17,7 |
Bonn | 8,19 | 16,4 | 2192 | 33,7 | 17,3 |
Potsdam | 7,64 | 21,6 | 2031 | 37,0 | 15,4 |
Wiesbaden | 9,21 | 17,6 | 2.309 | 32,4 | 14,8 |
Nachfrage nach Wohnraum in Uni-Städten wird sinken
Eine Marktüberhitzung in mittelgroßen Städten hält auch Tobias Just, Immobilienanalyst an der Universität Regensburg, für möglich. "Es handelt sich bei diesen Städten überwiegend um Universitätshochburgen", sagte Just SPIEGEL ONLINE. Dort seien die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum und damit die Immobilienpreise zuletzt übermäßig gestiegen, etwa durch die Verkürzung der Schulzeit im Zuge der G8-Umstellung und die Abschaffung der Wehrpflicht. Dadurch seien plötzlich viel mehr junge Menschen in die Universitätsstädte gekommen.
Zum anderen seien während der Finanzkrise vermehrt Immobilien in Universitätsstädten gekauft worden: "Sie galten mit ihrem großen Dienstleistungssektor als weniger konjunkturanfällig und damit als sicherer als Industriestädte."
Doch die Nachfrage nach Wohnraum in Universitätsstädten wird sich nach Justs Einschätzung in den kommenden Jahren wieder verringern. Denn die Auswirkungen von Schul- und Wehrpflichtreform betreffen nur einen Jahrgang: "Sobald diese jungen Menschen ihr Studium abschließen, wird sich die Zahl der Studenten normalisieren." Außerdem hat sich die Konjunktur im Land erholt.
"Preisrückgänge sind zwar nicht sofort, wohl aber in ein paar Jahren möglich", sagt Just. Will heißen: Bestimmten Städten könnte dann eine Immobilienblase drohen.
Als problematisch für den Immobilienmarkt gelten neben der Auseinanderentwicklung von Kauf- und Mietpreisen auch dauerhafte Niedrigzinsen. Kürzlich hatte auch der Wirtschaftsweise Volker Wieland die Zinspolitik der EZB kritisiert: Sie führe zu "Übertreibungen bei den Vermögenspreisen, vor allem bei Immobilien", sagte Wieland SPIEGEL ONLINE.
Als flächendeckender Trend lasse sich in Deutschland derzeit hingegen keine Überhitzung des Immobilienmarkts erkennen, schreibt Immobilienscout 24: Denn im Bundesdurchschnitt bewegen sich Mieten und Kaufpreise für Bestandswohnungen parallel - mit einem Plus von jeweils 5,3 Prozent im Jahresvergleich.