Influencer: 1,0-er-Abi, eigenes Duschgel - und ein Feingeist: Das sind Deutschlands erfolgreiche Influencer
Werbepromis im Netz
Warum der Influencer-Hype bald vorbei sein könnte
Das Internet ist ihre Verkaufsfläche, die Likes ihrer Fans sind ihre Währung: Der Influencer-Markt mit Bibi und Co. boomt. Mehr als drei Milliarden Euro gaben Firmen für Werbung dieser Art zuletzt aus. Doch nun soll der Markt gesättigt sein.
Toan Nguyen, 32, bis auf die weißen Sneaker ganz in Schwarz gekleidet, lächelt und schüttelt den Kopf. "Die Leute haben ein gutes Gespür dafür, ob sich jemand verbiegt. Die eigene Persönlichkeit kann man nicht dauerhaft ändern", sagt Nguyen und lässt das Lächeln aus seinem weichen Gesicht verschwinden.
Dennoch: Wenn jemand weiß, wie man Menschen im Netz vermarktet, dann wohl Nguyen. Er ist Partner bei der Werbeagentur "Jung von Matt/Sports" und hat im vergangenen Jahr für die nach eigener Aussage weltweit größte Studie zu Influencer-Marketing die 1200 bekanntesten unter ihnen analysiert. Das Interesse der Werber war es, einen wachsenden Markt zu verstehen - und seine Potenziale zu ergründen. Was ist Influencern wichtig? Wie werben sie? Wie verdienen sie ihr Geld?
Höhepunkt im Sommer, jetzt geht's abwärts
Nguyens Erkenntnis: Der Boom ist vorbei. Dabei liege der Höhepunkt des Influencer-Marketings, das vor etwa zwei Jahren den Werbemarkt überschwemmte, noch gar nicht so lange zurück; im Sommer dieses Jahres.
Toan Nguyen
Foto: Jung von Matt/Sports
Laut Zahlen der Analyse-Plattform "InfluencerDB" gaben Unternehmen im vergangenen Jahr mehr als drei Milliarden Euro für Werbung aus - allein auf Instagram. Firmen bezahlen Influencer etwa dafür, eine Handtasche, eine Uhr oder Sneaker auf Fotos in Szene zu setzen. Schon die Mittelklasse von ihnen kann dafür heute pro Bild mehrere Tausend Euro kassieren. "Die Ausgaben in Werbung auf Instagram haben in den letzten Jahren stetig zugenommen", sagt Mona Hellenkemper, Sprecherin der Analyse-Plattform. Die Zukunft sieht sie weniger dramatisch als Nguyen. Dass das Geschäft mit den "Einfluss-Reichen" vor einem Wandel steht, glaubt aber auch Hellenkemper. Sie prophezeit, "dass besonders der Erfolg der Influencer, die ein enges Verhältnis zu ihren Followern haben, weiter ansteigen wird."
Influencer: 1,0-er-Abi, eigenes Duschgel - und ein Feingeist: Das sind Deutschlands erfolgreiche Influencer
Fans, die ihre Vorbilder groß machen
Die Fans sind es, die ihre Vorbilder groß machen. Community-born stars nennt die Branche das. Es ist ein anderes Verhältnis als zu den Poster-Vorbildern der Neunzigerjahre. Heute erlebt man ihren Alltag in kurzen Videos, auf Fotos, kann direkt darauf reagieren - wie bei Freunden. Parasoziale Interaktion nennt die Psychologie diese scheinbare Nähe. "Und klar kauft man eher das, was einem Freunde empfehlen", sagt auch Nguyen.
Das haben auch die Unternehmen erkannt. Vor allem die junge Zielgruppe sollte geködert werden. Knapp 42 Prozent der 17 Millionen Instagram-Nutzer in Deutschland sind in den Zwanzigern, auch wenn die Plattform älter wird, bleibt das Potenzial bei mittlerweile einer Milliarde Nutzern weltweit enorm. "Wirtschaftlich gesehen waren Influencer für Marken ein One-Stop-One-Shop-Erlebnis: Konzept, Produktion und Distribution in einem. Alle dachten, das ist das Größte, was es gibt", sagt Nguyen und schiebt nach: "Aber Influencer-Marketing ist ein Verdrängungsmarkt geworden." Ein Markt, der an Grenzen stößt und damit begonnen hat, seine Inhalte zu filtern.
Probleme vom Algorithmus bis zur Glaubwürdigkeit
Die Gründe für das, was Nguyen beschreibt, sind vielschichtig. Da ist zum einen das Problem mit dem Algorithmus: Vor allem bei Facebook säubert dieser den Newsfeed mittlerweile so konsequent, dass das Spiel um Aufmerksamkeit einer Lotterie gleicht. Facebook ist zwar als Werbefläche nach wie vor relevant, im Personen- und Influencer-Marketing jedoch kaum noch ein Faktor. "Um sich in diesem Markt weiter behaupten zu können, müssen Unternehmen mittlerweile richtig Geld in die Hand nehmen", sagt Nguyen. Wie hoch der Werbewert eines Influencers dabei wirklich ist, lässt sich immer schwieriger ausmachen.
Beispiel Jérôme Boateng. Kein klassischer Influencer, da im Hauptberuf Fußballer, aber ein Sportler, der sich als Marke im Netz und auch außerhalb davon, unter anderem mit einem neuen Lifestyle-Magazin, etabliert hat und mittlerweile auch mit eigens kreierten Taschen oder Brillen sein Geld verdient. Trotz mehr als 3,8 Millionen Fans auf Facebook bekommen Boatengs Posts hier lediglich zwischen zwei- und sechstausend Klicks auf den Gefällt mir"-Button - ein deutliches Missverhältnis zwischen Followerzahl und Interaktionsrate.
Reichweite sowie eben diese Zahl an Likes und Kommentaren, bestimmen am Ende auch den Wert eines Influencers. "Letztendlich sind jedoch alle Knechte des Algorithmus", sagt Nguyen.
Ähnlich sieht es mit der Werbung, vor allem auf Instagram, aus. Diese sorgte dort zunächst für eine Klagewelle wegen vermeintlicher Schleichwerbung. Seit diesem Jahr muss Werbung auf Instagram, wie in Fernsehen oder Tageszeitung, gekennzeichnet werden. Laut einer Studie des Bundesverbandes "Digitale Wirtschaft" aus 2017 halten knapp ein Drittel der über 14-Jährigen Produktempfehlungen von Influencern für glaubwürdiger als Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften (12 Prozent) oder TV-Spots (7 Prozent). Auch andere Studien bestätigen diese Tendenz. "Ob etwas als Werbung gekennzeichnet wird, hat keine Relevanz für die Resonanz eines Beitrags", sagt auch Nguyen.
Laut einer Studie der Influencer-Plattform "sway" , werde nicht einmal mehr jeder fünfte Kommentar zu einem Werbepost von einem Menschen verfasst. Vieles bleibt dem Zufall und Algorithmus überlassen. Auch die Werbung für fragwürdige Zwecke funktioniert bei Nutzern und vor allem Unternehmen kaum noch. Markentreue wird zunehmend wichtiger.
Der Markt wird kleiner und seriöser
"Die Follower und vor allem die Unternehmen lassen sich immer seltener für dumm verkaufen", sagt Nguyen. Das Verständnis für das, was auf Instagram, YouTube und Co. passiert, nehme stetig zu, sagt er. Die Asymmetrie zwischen Influencer, Follower und Auftraggeber, sie gleicht sich zunehmend an. Das gilt auch für einen Influencer-Markt, der heillos überschwemmt ist von Mode-, Fitness-, Reise-, oder Foodbloggern: Die, sofern sie zur Mittelklasse derer gehören, die 2500 Euro aufwärts für einen Post kassieren und um die 150.000 Follower um sich scharren, werden "aussterben", vermutet Nguyen - wegrationiert von einem übervollen Markt.
"Die digitale C- und D-Prominenz wird es schwerer haben. Special-Interest-Themen, wie zum Beispiel Gaming aber, werden wachsen", sagt Nguyen. Entscheidend für die Zukunft also: Nischen nutzen.
Dem stimmt auch Hellenkemper zu. "Nano-Influencer, die sehr eng an der Zielgruppe und auf speziellen Inhalt fokussiert sind, werden zukünftig verstärkt im Zentrum von Unternehmen stehen", sagt sie. Sie würden nicht nur die Glaubwürdigkeit im Influencer-Marketing erhöhen, sondern auch die Interaktion in den Netzwerken verändern: mehr Stories und transportierte Inhalte - weniger einzelne, plakative Posts.
Und die erste Generation Influencer?
Und was wird aus der ersten Generation Influencer? Denen, die die Chance der Zeit, das Aufkommen der Smartphones und sozialen Netzwerke, damals nicht nur gesehen, sondern genutzt haben? Den Bianca Heinickes (6,3 Millionen Abonnenten auf Instagram und nur unwesentlich weniger auf YouTube), Toni Mahfuds (3,5 Millionen) und Pamela Reifs (vier Millionen), die pro Jahr siebenstellige Beträge mit Influencer-Marketing verdienen? Gerade der deutsche Markt ist mit seiner Nähe zu Fashion-Metropolen wie Paris, Mailand oder London für Influencer ja eigentlich besonders interessant.
"Sie werden weiterhin wichtige Akteure eines Marktes werden, der kleiner und seriöser werden wird - schon 2019", sagt Toan Nguyen. "Sie werden nicht weggespült", meint Hellenkemper.
Dennoch: Die Einflussreichen, die hocheffizienten Ich-AGs der vergangenen Jahre, werden sich neu erfinden müssen - und fangen schon jetzt damit an. Sie sind in Filmen zu sehen (Stefanie Giesinger, Dagi Bee), schreiben Bücher (Paluten), sogar Beststeller (Pamela Reif), machen (mit überschaubarem Erfolg) Musik und ganz viel anderes (Bianca Heinicke) und werben auf Plakatwänden. Die Einflussreichen des Netzes - sie entdecken die Werbung von gestern.
Im Video: Virale Videos - Das Geschäft mit Klickhits
10 BilderInfluencer: 1,0-er-Abi, eigenes Duschgel - und ein Feingeist: Das sind Deutschlands erfolgreiche Influencer
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Die Zwillinge Lisa und Lena Instagram: 13,9 Millionen Abonnenten
YouTube: 865.319 Abonnenten
Facebook: 199.447 Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Die Stuttgarter Zwillinge Lisa und Lena, beide 16, von ihren Fans nur "Leli" genannt, sind die erfolgreichsten Influencerinnen Deutschlands - klammert man Toni Kroos und Mesut Özil als Fußballer einmal aus. Mit Kurzvideos, in denen sie zu bekannten Popsongs selbst einstudierte Choreographien tanzten und synchron ihre Lippen bewegten, wurden sie auf der Plattform musical.ly (heute TikTok) bekannt. Ihr Erfolg war nicht geplant - vielmehr, sagen sie, seien sie da einfach so "reingerutscht".
Bibis Beauty Palace (früher Bianca Heinicke, jetzt Bianca Claßen) Instagram: 6,3 Millionen Abonnenten
YouTube: 5.474.393 Abonnenten
Facebook: 1.238.001 Millionen Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Auf ihrem YouTube-Kanal "BibisBeautyPalace" berichtet die 25-Jährige von ihren Routinen als junge Mutter, trifft Miley Cyrus in New York oder gibt Schminktipps. Im vergangenen Jahr brachte Claßen auch ihren ersten Song "How it is" auf dem Markt - zuvor erschienen bereits ihr "Bibi Phone" - ein eigenes Smartphone-Modell - sowie ihr eigenes Duschgel. Nicht alles davon war erfolgreich, sorgte aber für viel Aufmerksamkeit. Und damit verdient Claßen ja bekanntlich ihr Geld.
Foto: imago/Lumma Foto
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Dagi Bee (Dagmara Nicole Ochmanczyk) Instagram: 5,5 Millionen Abonnenten
YouTube: 3.939.624 Abonnenten
Facebook: 1.429.812 Millionen Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Ochmanczyk machte nach der Schule erst eine Ausbildung zur Industriekauffrau, fand diese aber nach einem Jahr zu langweilig und startete direkt in der YouTube-Szene durch. Hier plaudert sie über Kosmetik, Shopping, Mode sowie ihre Liebe zu Hunden und ihrem Ehemann Eugen. Auch in Musikvideos und mehreren Filmproduktionen wirkte Dagi Bee bereits mit.
Pamela Reif Instagram: 4 Millionen Abonnenten
YouTube: 761.389 Abonnenten
Facebook: 100.526 Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Ihr Abitur hat Pamela Reif mal mit 1,0 gemacht - heute verdient sie ihr Geld im Netz. Interessierte ihr erster Post im Juli 2012 noch kaum jemanden, folgen ihr heute allein auf Instagram vier Millionen Menschen. Reif verkauft Beststeller und ist auch Markenbotschafterin für Puma - genau wie der große Pélé oder der schnelle Usain Bolt.
Foto: Hendrik Schmidt/ picture alliance / Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa
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Toni Mahfud Instagram: 3,5 Millionen Abonnenten
YouTube: 150.172 Abonnenten
Facebook:1.057.713 Millionen Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Ist der breiten Öffentlichkeit trotz seiner enormen Reichweite weniger bekannt als die in dieser Liste direkt vor oder hinter ihm platzierten Influencer. Bekannt ist Mahfud vor allem durch seine Kunst. Bereits mit 16 Jahren hat der Hamburger sein Kunststudium begonnen. Seine realistischen Porträts von Stars wie Cara Delevingne oder Rihanna machten ihn im Netz populär. Zu kaufen gibt es seine Bilder nicht.
Foto: imago/Gartner
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Stefanie Giesinger Instagram: 3.4 Millionen Abonnenten
YouTube: 210.568 Abonnenten
Facebook: 1.000.799 Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Gewann 2014 mal bei "Germany's Next Topmodel" und ist weder verwandt noch verschwägert mit dem Sänger Max Giesinger, in dessen Video zur Single "80 Millionen" sie 2016 mitwirkte. Allein in diesem Jahr war die 22-Jährige in zwei Kinofilmen zu sehen, spielte aber auch schon vorher in Leinwandproduktionen mit, etwa von Matthias Schweighöfer. Auch in der Liebe spielt das Influencer-Sein bei Giesinger eine wichtige Rolle: Seit 2016 ist sie mit dem britischen YouTuber Marcus Butler liiert.
Foto: Kay Nietfeld/ picture alliance / Kay Nietfeld/dpa
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Leonie Hanne Instagram: 1,8 Millionen Abonnenten
Facebook: 25.621 Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Stammt aus Norderstedt bei Hamburg, studierte mal BWL und arbeitete dann als Strategieberaterin für den Handelskonzern Otto. Heute ist Leonie Hanne 30 Jahre alt, Influencerin und lebt - ja, wo eigentlich genau? Die mehr als 1200 Fotos, die ihr Instagram-Profil schmücken, erzählen von Hannes großer Reiselust. Und auch davon, dass sie ihr Geld mittlerweile damit verdient, sich in teuren Marken an schönen Plätzen zu vermarkten.
Foto: imago/Runway Manhattan
8 / 10
Caroline Daur Instagram: 1,7 Millionen Abonnenten
Facebook: 116.022 Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Caroline Daur ist nicht nur in den sozialen Netzwerken, sondern auch als Bloggerin mit ihrer eigenen Homepage sehr erfolgreich. Etwa 250.000 Leserinnen und Leser holen sich monatlich bei ihr Modetipps. Ihr Aussehen und Sinn für Mode haben die die 22-Jährige aus dem niedersächsischen Seevetal in die Welt gebracht. Bei Marken wie Dior, Cartier oder Tommy Hilfiger heißt es mittlerweile: Daur-Werbesendung.
Foto: Ian West/ picture alliance/dpa
9 / 10
Sarah Harrison Instagram: 1.5 Millionen Abonnenten
YouTube: 850.309 Abonnenten
Facebook: 199.124 Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Sarah Harrison kennt man nicht ausschließlich aus den sozialen Medien, sie buhlte auch mal im Fernsehen um den "Bachelor" und zog sich für den Playboy aus. Heute lässt sie die Welt über die sozialen Kanäle an ihrem und dem Leben ihrer Familie teilhaben; im November 2017 kam ihre Tochter Mia Rose auf die Welt.
Foto: imago/Spöttel Picture
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Sami Slimani Instagram: 1,4 Millionen Abonnenten
YouTube: 1.630.565 Abonnenten
Facebook: 672.069 Personen gefällt das.
(Stand: November 2018)
Sami Slimani kennt man auch als "Herr Tutorial", weil er mit seinen Erklärvideos für (fast) jede Lebenssituation zu einem der erfolgreichsten YouTuber Deutschlands wurde. Darüber, wie man so erfolgreich wird, schrieb er gemeinsam mit seinen Schwestern Dounia und Lamiya dann ein Buch: "Das Slimani-Prinzip". Sein erstes YouTube-Video drehte er im März 2009, da war er noch Abiturient. Thema damals: Tipps fürs erste Date.
Foto: Gregor Fischer/ picture alliance / Gregor Fischer/dpa