Internet-Forschung Grün, wolkig, immer und überall

Google-Handy Nexus One: Mega-Trend mobiles Internet
Foto: Robert Galbraith/ dpaHamburg - Der IT- und Telekommunikationssektor steuert im Eiltempo in eine neue Ära. Manche Handys sind mittlerweile - sie ermöglichen von fast überall aus den Zugang zum Internet, über intelligente Anwendungen verschaffen sich Nutzer auf Knopfdruck umfassende Informationen über ihre Umgebung.
Auch die Art, wie wir Computer nutzen, verändert sich. Daten, Programme, ganze Unternehmensnetzwerke können mittlerweile auf externe Server ausgelagert werden - ist das Schlagwort. Nutzer bekommen jederzeit an jedem Ort Zugang zu ihrer gewohnten Arbeitsumgebung.
Dazu wird das Internet durch wie immer stärker sozialisiert, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz gewinnen auch in Computerfirmen rasch an Bedeutung ("Green IT") - Experten sind sich weitgehend einig darüber, dass diese Megatrends im anbrechenden Jahrzehnt die IT-Branche entscheidend umformen werden. Das Marktforschungsinstitut Gartner hat diese Prognosen nun in einer umfassenden Trendstudie genauer untersucht. Es beleuchtet, welche langfristigen Veränderungen IT-Abteilungen in den kommenden Jahren durchlaufen und wie diese Prozesse die Geschäftswelt und die Gesellschaft verändern.
SPIEGEL ONLINE zeigt die wichtigsten Prognosen für die IT-Zukunft:
2012 - Der Siegeszug von Cloud Computing und Facebook
Die Verlagerung von Daten und Programmen in die digitale Wolke wird sich der Gartner-Studie zufolge in den kommenden Jahren massiv beschleunigen: Bis zu 20 Prozent der Unternehmen könnten bis 2012 ohne eigene Firmen-IT auskommen. Beschleunigt werde dieser Trend durch verbesserte Technik. Hauptprofiteur seien indische IT-Firmen, die entsprechende -Lösungen anbieten. Bis 2012 werde ihr Marktanteil auf gut ein Fünftel steigen.
Für die Firmen hat die Auslagerung von Technik einen entscheidenden Vorteil: Budgets, die bisher an die Wartung und Sicherung hauseigener Server und Programme gebunden waren, werden für neue Projekte verfügbar. Inwieweit Sicherheitsbedenken solchen Kostenkalkulationen entgegenstehen, wird in der Studie nicht beleuchtet.
Großes Wachstumspotential attestieren die Gartner-Experten dem Facebook. Schon jetzt verbucht die Internetseite an einzelnen Tagen mehr Seitenabrufe als Google, zuletzt unter anderem an Weihnachten 2009. Nach Einschätzung von Marktbeobachtern avanciert sie immer mehr zum neuen Hauptkonkurrenten des Suchmaschinenriesen - tatsächlich richten Nutzer eher persönliche Suchabfragen immer öfter nicht mehr an die Suchmaschine, sondern an den persönlichen Freundes- und Bekanntenkreis, der über Dienste wie Facebook und Twitter schnell erreichbar ist.
Bis 2012 wird Facebook der Studie zufolge zur treibenden Kraft für die Sozialisierung des Internets. Schon jetzt ist die Community mit mehr als 350 Millionen registrierten Nutzern das weltgrößte Netzwerk, in den kommenden Jahren wird die Seite laut Gartner rasch weiterwachsen - und damit zusehends andere soziale Netzwerke und Kommunikationskanäle bedrohen.
2013 - Handys überholen PC bei den Internetzugängen
Moderne Handys werden der Studie zufolge in Zukunft eine wichtigere Rolle beim Surfen im Internet einnehmen. "Bis 2013 werden Mobilfunkgeräte den PC als gängigstes Gerät für den Internetzugang überholt haben", prognostizieren die Marktforscher von Gartner: Bis dahin werde die Zahl der Computer weltweit auf 1,78 Milliarden steigen, die der internetfähigen Handys auf 1,82 Milliarden, heißt es.
Ob das Handy damit wirklich den PC als wichtigstes Zugangsmedium für das Internet ablöst, ist fraglich - schließlich verbringen viele Menschen acht bis neun Stunden pro Tag im Büro. Unstrittig ist allerdings, dass die Bedeutung des mobilen Internets rapide wachsen wird.
Entsprechend erwarten die Experten, dass sich die Aufmachung von Webseiten stark verändern wird. Sie würden künftig stärker auf die Nutzung auf kleinen, mobilen Bildschirmen zugeschnitten werden. Wer als Anbieter diesem Trend nicht folge, müsse mit Wettbewerbsnachteilen rechnen.
2014 - Online-Boom verschärft CO2-Debatte
Das Netz wird im kommenden Jahrzehnt rapide neue Nutzer gewinnen - durch günstige Laptops und internetfähige Handys erwarten die Experten vor allem in Entwicklungsländern einen regelrechten Online-Boom. Schon jetzt sind in vielen Regionen Afrikas Handys das wichtigste Zugangsmedium für das Internet. Branchenführer Nokia hat angekündigt, seine Aktivitäten in diesem Geschäftsfeld schnell auszubauen.
Gartner erwartet, dass bis 2014 rund drei Milliarden Erwachsene einen Online-Zugang haben. Die Zahl der mobilen Geräte, ob internetfähig oder nicht, werde auf 6,5 Milliarden steigen - wobei die Nutzerzahl von Kontinent zu Kontinent stark schwanken dürfte. So werde sie in Asien (ohne Japan) auf gut zwei Drittel steigen und in Afrika bis 2014 auf geschätzt 56 Prozent. Neue Geschäftsfelder wie das Bezahlen per Handy (mobile Payment) gewännen so stark an Bedeutung.
Ein zweiter großer Trend bis 2014 ist den Marktforschern zufolge das Thema "Green IT" - also die Frage, wie Informationstechnik weniger Energie und Ressourcen verbraucht. Die jährlichen CO2-Emissionen aller Rechenzentren weltweit belief sich schon 2007 grob geschätzt auf 62 Millionen Tonnen (siehe Infobox links), Tendenz stark steigend.
Laut Gartner wird die Reduzierung des CO2-Ausstoßes in den kommenden Jahren auch in der IT immer mehr zum Wettbewerbskriterium: "Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass sie den CO2-Verbrauch ihrer Geräte transparent machen müssen - andernfalls droht ihnen der Verlust von Marktanteilen."
2015 - Triumph der personalisierten Super-Suche
Ein weiterer großer Umbruch steht den Experten zufolge Mitte des Jahrzehnts an. Neben der klassischen Suche wird sich vor allem im mobilen Internet zusehends die kontextrelevante Informationsbeschaffung als Geschäftsmodell etablieren - sprich: Mit einem Klick aufs Handy bekommt man Informationen zu fotografierten Objekten oder Dingen in der Nähe seines Standorts. Das Gerät wird zum Welt-Wissensfenster.
"Die Möglichkeit, per Handy ortsbezogene Informationen abzurufen, ist schon jetzt ein bedeutsames Wettbewerbsmerkmal", sagte Nokia-Entwicklungschefin Mary McDowell SPIEGEL ONLINE dazu im November. Die direkte Einblendung dieser Informationen an Ort und Stelle sei die logische Weiterentwicklung der Dienste. Branchenkenner attestieren der Kontextsuche große Potentiale: "Der Unterschied zwischen Werbung und Inhalt ist Relevanz", sagte der Web-Visionär Nova Spivack SPIEGEL ONLINE im Interview.
Die Marktforscher von Gartner sehen die größten Erfolgschancen in dem neuen Geschäftsbereich bei den Anbietern kontextrelevanter Inhalte: Für soziale Netzwerke, Service- und Software-Anbieter dürfte das mobile Internet zur riesigen Profitchance werden. Gerätehersteller und Internetseiten, die ihren Nutzern keine solchen Dienste bieten, laufen dagegen Gefahr, mit Wucht aus dem Markt gedrängt zu werden.