Jaguar-Land-Rover-Chef Speth "Ohne Tata gäbe es uns nicht mehr"

Von München in die Midlands: Ralf Speth, deutscher Chef von Jaguar Land Rover, spricht im Interview über die Rettung des Unternehmens in letzter Minute - und den entspannten Managementstil seiner indischen Chefs.
Range Rover: "Das war ein riesiges Engagement"

Range Rover: "Das war ein riesiges Engagement"

Foto: Land Rover

SPIEGEL ONLINE: BMW hatte kein Glück, Ford ist gescheitert. Ausgerechnet der indische Billig-Autobauer Tata hingegen hat es geschafft, die Nobelmarken Jaguar und Land Rover (JLR) wieder zum Erfolg zu führen. Was kann Tata, was BMW nicht kann?

Speth: Es waren einfach andere Zeiten, als BMW und Ford hier das Sagen hatten. Aber sicher ist: Ohne Ratan Tata gäbe es JLR nicht mehr. Der Tata-Chef hat an die beiden Marken geglaubt und Milliarden in das Unternehmen investiert. Gleich nach der Übernahme 2008 kam die Finanzkrise, und JLR war in einer sehr kritischen Situation. Die britische Regierung wollte nicht helfen, so dass Ratan Tata den Konzern im Alleingang gerettet hat. Das war ein riesiges Engagement.

SPIEGEL ONLINE: Sie waren schon unter dem vorherigen Eigentümer Ford für die beiden Marken verantwortlich. Wie würden Sie Tatas Managementstil beschreiben?

Speth: Tata ist ein strategischer Investor, der mittel- und langfristig plant. Er gibt uns den nötigen Spielraum, unsere Produkte zu entwickeln. So können wir die englische Innovationsstärke und Kreativität voll ausspielen.

SPIEGEL ONLINE: Ohne Hilfe von außen scheint es aber nicht zu gehen. Gerade haben sie zwei Deutsche in Schlüsselpositionen geholt: Der neue Produktionschef Wolfgang Stadler und der neue Technikvorstand Wolfgang Ziebart sind wie Sie selbst alte BMWler. Eine zweite schleichende Übernahme durch die Münchner?

Speth: Nein, das ist keine Übernahme. Wir Deutschen sind nur dazu da, den Produktionsprozess zu optimieren. Die Mannschaft ist absolut britisch.

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Jaguar Land Rover: Die Katze schnurrt wieder

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SPIEGEL ONLINE: Nach dem Kauf von Ford gab es eine lange Übergangsphase. Wie viel Ford steckt noch in den neuen Modellen?

Speth: Hauptsächlich die Motoren. Allerdings bauen wir aktuell unsere eigene Motorenfabrik in Wolverhampton, die 2015 eröffnet wird. Da werden wir Vierzylindermotoren bauen. Die größeren Motoren werden wir aber weiter von Ford übernehmen. Die Verträge laufen bis 2017.Wir werden nie alles 100 Prozent allein entwickeln können; wir brauchen Zulieferer wie alle anderen auch.

SPIEGEL ONLINE: Wer bezahlt diese Investitionen?

Speth: Wir können unsere Entwicklungen aus dem eigenen Cashflow finanzieren und haben auch die Investitionen von Tata vollständig zurückbezahlt.

SPIEGEL ONLINE: Ist eine Zukunft ohne Tata vorstellbar?

Speth: Ich habe einen Aktionär namens Tata, und der denkt langfristig und entscheidet schnell. Etwas Besseres könnte ich mir nicht wünschen. Aber wenn Sie nach der Strategie von Tata als Investor fragen, müssen Sie mit dem neuen Tata-Chef Cyrus Mistry sprechen, der Anfang des Jahres die Führung von Ratan Tata übernommen hat. Da bin ich der falsche Ansprechpartner.

SPIEGEL ONLINE: Range Rover verkauft sich bestens, Jaguar nicht ganz so gut. Warum?

Speth: Jaguar hat in den vergangenen Jahren eine neue Designsprache entwickelt. Das ist ein guter Anfang. Aber die Produktpalette ist noch sehr begrenzt. Erst in diesem Jahr haben wir sie etwas erweitert - mit dem Sportwagen F-Type. Jaguar bietet jetzt auch erstmals Modelle mit Allrad, Vierzylinder-Motor und Kombi-Heck. Ich bin zuversichtlich, dass der Umsatz dieses Jahr ordentlich wächst.

SPIEGEL ONLINE: Wie soll Jaguar sich entwickeln? Verfolgen Sie eher eine Nischenstrategie, so wie Bentley, wo man bewusst auf hohe Preise und geringe Stückzahlen setzt? Oder streben Sie eher Richtung Masse zu BMW und Mercedes?

Speth: Wir sind in einer ganz anderen Dimension unterwegs. BMW und Mercedes verkaufen Millionen von Fahrzeugen. Wir sind in der Nische für Premium-Fahrzeuge mit der gewissen Britishness. Ein Jaguar ist ein sehr gutaussehendes Auto, das schnell fährt. Auch ein Landrover hat ein sehr spezielles Design. Beide lassen sich nicht zu einer Massenmarke ausbauen.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem setzen Sie auf globale Expansion. Neben den drei Werken in Großbritannien eröffnen Sie erstmals auch Standorte in Schwellenländern.

Speth: Wir expandieren sehr verhalten. Wir planen eine Fertigung in China und haben eine Montage in Indien. In Brasilien und Saudi-Arabien verhandeln wir mit den Regierungen über den Bau neuer Fabriken. Der Standort Saudi-Arabien ist für uns auch deshalb interessant, weil dort mitten in der Wüste gerade die größte Aluminiumschmelze und -Walzanlage der Welt entsteht. Unsere Fahrzeuge haben einen sehr hohen Aluminiumanteil. Deshalb müssen wir die Rohstoffversorgung sicherstellen - besonders, wenn in Zukunft auch die Fords und Opels dieser Welt auf Aluminium umschwenken. Da wird es schwierig für einen kleinen Kunden wie uns, Material zu vernünftigen Preisen zubekommen.

SPIEGEL ONLINE: Sie wollen in China produzieren, weil das Land in nur drei Jahren zum größten Markt für Range Rover geworden ist. Was mögen Chinesen an diesen Autos?

Speth: Sie schätzen die Größe und den Komfort der Fahrzeuge. Die sind ideal für das große Land. Da kann man auch lange Strecken auf schlechten Straßen fahren.

SPIEGEL ONLINE: Ein dicker Range Rover macht sich auch gut als Statussymbol. Ist der Neureichen-Boom in den Schwellenländern der entscheidende Faktor für das Comeback der Marke?

Speth: Zunächst einmal brauchen Sie gute Autos. Wenn Sie diese Basis haben, ist es natürlich ausgesprochen hilfreich, wenn die Schwellenländer gleichzeitig anziehen.

SPIEGEL ONLINE: In Deutschland klagen derzeit alle Manager über den Fachkräftemangel. Finden Sie in Großbritannien eigentlich genug qualifizierte Mitarbeiter?

Speth: Es gibt auch hier einen gravierenden Fachkräftemangel, sowohl was das Fachwissen als auch was die Zahl der Arbeitskräfte angeht. Die englischen Universitäten sind sehr stark in der Grundlagenforschung, gewinnen Nobelpreise in Medizin und Chemie. Aber bei den praktischen Berufen hapert es. Es gibt kein duales Ausbildungssystem wie bei uns in Deutschland.

SPIEGEL ONLINE: Tun Regierung und Unternehmen genug dagegen?

Speth: Das Klima für Ingenieure ist schon viel besser geworden. In England war ein Ingenieur bis dato wenig anerkannt. Die besten Absolventen der Hochschulen wurden Banker. Das hat sich geändert. Produktion und Maschinenbau gewinnen an Ansehen. Jetzt kommen die Besten zu uns.

Das Interview führte Carsten Volkery
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