
Playmobil: Lass mich dein Piratenschiff sein
Playmobil-Chef Brandstätter "Die Kinder wollen es so"
SPIEGEL ONLINE: Herr Brandstätter, es gibt Playmobil-Polizisten, Playmobil-Piraten und Playmobil-Könige. Warum eigentlich keine Playmobil-Politiker?
Brandstätter: Gibt es, aber nur als Einzelstück. Horst Seehofer hat uns mal besucht und gefragt: Haben Sie auch eine Figur von der Frau Merkel? Dann sind gleich ein paar Mitarbeiter von mir verschwunden und haben eine Figur so verändert an Haaren und Kleidung, dass sie als Angela Merkel durchgeht. Die haben sie dann dem Seehofer mitgegeben. Das habe ich gar nicht mitgekriegt, ich werde nur immer wieder danach gefragt.
SPIEGEL ONLINE: Hat Seehofer die Merkel-Figur noch?
Brandstätter: Wenn er sie nicht wutentbrannt weggeworfen hat - ja. Aber der Sinn einer Playmobil-Figur ist ja eh nicht, dass sie eine bestimmte Person darstellt. Der Charakter einer Figur soll im Kopf der Kinder entstehen.
SPIEGEL ONLINE: So war es vielleicht einmal, als alle Playmobil-Männchen gleich aussahen. Aber inzwischen sind die Figuren doch auf den ersten Blick zu erkennen, zum Beispiel als Pirat mit Holzbein und Augenklappe. Aus dem kann das Kind keinen Polizisten oder Bauarbeiter mehr machen.
Brandstätter: Die Kinder wollen es so. Anders wär's für sie vielleicht besser. Andererseits: So müssen die Kinder zwei Figuren kaufen. Das ist auch ganz schön.
SPIEGEL ONLINE: Und warum nun keine Playmobil-Politiker? So eine Themenwelt "Staatsbesuch", mit winkenden Figuren im offenem Wagen und Motorradeskorte?
Brandstätter: Ach, ich glaube, dass ein Ritter oder Indianer dem Kind dann doch näher ist als ein Politiker.
SPIEGEL ONLINE: Im Unterschied zu Politikern haben Sie als Alleininhaber in Ihrem Unternehmen das letzte Wort. Hören Sie sich eigentlich unterschiedliche Meinungen an, bevor Sie entscheiden?
Brandstätter: Das nehme ich durchaus für mich in Anspruch, ja.
SPIEGEL ONLINE: Und ändern Sie dann auch mal ihre Position?
Brandstätter: Meistens bleibe ich bei meiner Meinung, weil ich dann doch denke, dass das die richtige ist. Aber man muss sich seine Antennen für die Stimmung im Unternehmen bewahren. Von Headhuntern sind mir zweimal Kandidaten als Geschäftsführer vorbeigeschickt worden, die sich in großen Aktiengesellschaften ihre Verdienste erworben haben. In beiden Fällen haben wir rasch gemerkt: Es passt nicht.
SPIEGEL ONLINE: Woran merken Sie so etwas?
Brandstätter: Bei einem der beiden Geschäftsführer ging es damals um die Einführung einer neuen Datenverarbeitung, der Neue wollte auf Biegen und Brechen seine Vorstellungen durchsetzen. Bald kamen langjährige Mitarbeiter zu mir und haben gesagt: Wenn der bleibt, bin ich weg.
SPIEGEL ONLINE: Es gibt in Ihrer Firma den Ausdruck HOB-Quiz, benannt nach den Initialen Ihres Namens Horst Brandstätter...
Brandstätter: ...das habe ich mir auch sagen lassen, dass das so genannt wird. Es gehört ja zu meinen Hauptaufgaben herauszufinden, wer in der Firma was taugt. Und weil ich die meisten Mitarbeiter nicht selbst in ihrer praktischen Arbeit beobachten kann, stelle ich ihnen Fragen.
SPIEGEL ONLINE: Was für Fragen?
Brandstätter: Ach, ganz profane Sachen. Einmal wollte ich wissen, ob man bei einem bestimmten Fahrpreis mit fünf Personen besser mit der Bahn oder mit dem eigenen Auto nach Berlin fahren sollte, wenn die Gesamtkosten für das eigene Auto bei soundso viel Cent pro Kilometer liegen.
SPIEGEL ONLINE: Klingt nach BWL erstes Semester, Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten.
Brandstätter: Aber Sie glauben nicht, wie viele honorige Menschen an so etwas scheitern.
SPIEGEL ONLINE: Inzwischen haben Sie das Tagesgeschäft weitgehend an Ihre Co-Geschäftsführerin Andrea Schauer abgeben. Musste die auch solche Fragen beantworten?
Brandstätter: Das war nicht nötig. Frau Schauer ist ja schon vor vielen Jahren als Marketing-Mitarbeiterin zu uns gekommen. Sie gehört zu den wenigen, die ich tatsächlich über lange Zeit hinweg beobachten konnte. Und wer die Fähigkeiten der Frau Schauer nicht erkennt, der ist dumm. Die ist nämlich ganz besonders gut.
SPIEGEL ONLINE: Woran haben Sie gemerkt: Die kann mehr, als nur Werbung für Playmobil zu machen?
Brandstätter: Manchmal kann man einfach nicht erklären, warum man an bestimmte Leute glaubt. Vor vielen Jahrzehnten hatte ich mich endlich gegen meine Onkel durchgesetzt, denen damals noch ein Teil des Unternehmens gehörte, und durfte einen Mustermacher für Spielzeug einstellen. Da meldete sich bei mir ein Herr Beck, Möbelschreiner aus der Ostzone. Also eigentlich gar nicht qualifiziert. Der hat im Gespräch so gut wie nichts gesagt, hat für jede Antwort endlos gebraucht. Aber nach einer halben Stunde habe ich gefragt: Können Sie morgen anfangen? Warum ich an den geglaubt habe - keine Ahnung.
SPIEGEL ONLINE: Und dann hat Ihnen der 2009 verstorbene Hans Beck den Welterfolg Playmobil beschert.
Brandstätter: Der Auftrag, ein Spielsystem zu entwickeln, das sich immer weiter ergänzen lässt, stammte von mir. Beck hat dann 1971 die erste Playmobil-Figur als Modell gebaut, einen Bauarbeiter mit Schubkarren. Und hat mich gefragt: Darf ich daran weiter arbeiten? Wer die Playmobil-Figur zum ersten Mal sieht, ist ja meist nicht beeindruckt, sie sieht sehr simpel aus. Ich habe Herrn Beck weitermachen lassen, weil ich mir gesagt habe: Wenn der was macht, dann hat das Hand und Fuß. Bei der Spielwarenmesse 1974 haben wir dann die ersten Figuren präsentiert: Bauarbeiter, Ritter, Indianer. Deren Erfolg hat uns vor der Pleite gerettet.
SPIEGEL ONLINE: Heute erzielt Ihre Firma 591 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt 3700 Mitarbeiter. Sind Sie eigentlich stolz auf Ihr Lebenswerk?
Brandstätter: Stolz? Nein, das ist keine Kategorie, in der ich denke. Ich komme morgens ins Büro und mache meine Arbeit, fertig.
SPIEGEL ONLINE: Das machen Sie auch mit 80 Jahren noch. Wem soll das Unternehmen nach Ihrem Tod gehören?
Brandstätter: In meinem Alter wäre es fahrlässig, nicht über die eigene Nachfolge nachzudenken. Am Tag x geht mein Erbe auf zwei Stiftungen über, eine Familien- und eine Unternehmensstiftung.
SPIEGEL ONLINE: Und wer hat in den Stiftungen das Sagen?
Brandstätter: Da gibt es einen Stiftungsrat, in dem ich versuche, meine besten Mitarbeiter zu etablieren, die jetzt auch das Geschäft kontrollieren,...
SPIEGEL ONLINE: ...darunter auch Andrea Schauer...
Brandstätter: ...ja natürlich. Und dann fragen mich viele: Hast du denen denn auch eine genaue Gebrauchsanweisung mit auf den Weg gegeben, wie das Unternehmen weiter zu führen ist? Nein, habe ich nicht. Die Herausforderungen der Zukunft kann ich ja noch gar nicht voraussehen.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben zwei Söhne, beide haben auch schon für Geobra Brandstätter gearbeitet. Warum erben die nicht Ihr Lebenswerk?
Brandstätter: Bei meinen Söhnen bin ich mir nicht sicher, dass sie immer einer Meinung wären, und bin auch nicht sicher, dass sie meine Einstellung zum Management teilen.
SPIEGEL ONLINE: Waren Ihre Söhne mit der Stiftungslösung einverstanden?
Brandstätter: Ganz und gar nicht. Aber was wollen die dagegen machen? Und außerdem: Denen geht es gut genug.