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Foxconn: Apple-Zulieferer im Zwielicht

Foto: VOISHMEL/ AFP

iPhone-Hersteller Chinesische Provinz verdonnert Schüler zu Foxconn-Praktikum

Keine Wahl für Berufsschüler: Hunderttausend Chinesen müssen ein Zwangspraktikum beim Skandalhersteller Foxconn machen. So hat es eine Provinzregierung angeordnet. Viele der Auszubildenden fürchten harte Arbeitsbedingungen. Mehrere Foxconn-Mitarbeiter hatten sich kürzlich das Leben genommen.

Millionen chinesische Jugendliche schuften in den Fabriken des Perlfluss- und Yangtse-Deltas, in den Werkhallen der Sonderwirtschaftszonen, auf den Baustellen Pekings oder Shanghais. Die Arbeitszeiten sind lang, die Bedingungen oft beklagenswert - und doch tun sie es: Weil es zu Hause keine Jobs gibt, weil sie sich besseres Leben erträumen als ihre Eltern, weil sie ein Stückchen abhaben wollen von Chinas Wohlstandskuchen.

Die Konsumenten in der Welt profitieren davon. Wenn die jungen Chinesen nicht so billig zu haben wären, müssten die Kunden für T-Shirts, iPods oder Nintendo-Spiele viel mehr Geld bezahlen.

Nun erhält die einmalige Geschichte des von einer Kommunistischen Partei losgeschlagenen Raubtier-Kapitalismus eine weitere Wendung: Chinesische Berufsschüler werden zum Dienst in der "Werkstatt der Welt" zwangsverpflichtet.

Foxconn

Im Mittelpunkt des neuen Skandals steht der taiwanische Konzern . Er geriet jüngst in die Schlagzeilen, weil sich seit Jahresanfang zehn seiner Arbeiter und Arbeiterinnen das Leben nahmen. Über 400.000 Arbeiter beschäftigt das für seine scharfe Disziplin bekannte Elektronikunternehmen im Süden Chinas. Sie fertigen unter anderem Geräte für Apple.

Eine weitere Hauptrolle in der jüngsten Affäre spielt die Regierung von Henan, eine 100-Millionen-Einwohnerprovinz im östlichen Zentralchina. Die Funktionäre verpflichteten jetzt rund 100.000 Berufsschüler des ersten und zweiten Jahrgangs, bei Foxconn zu arbeiten.

"Ich glaube, unsere Schule hat uns verkauft"

"Praktikum" heißt diese Form von Zwangsarbeit. Sie soll drei Monate für die Jüngeren, sechs Monate für die Älteren dauern. Wer sich weigere, bekomme kein Abschlusszeugnis für seine Ausbildung, berichten Berufsschüler in der Henaner Provinzhauptstadt Zhengzhou. Außerdem werde in dieser Zeit der Schulunterricht ausgesetzt, für die Schüler des zweiten Jahrgangs ist damit die Ausbildung vor der Zeit beendet.

"Heute Nachmittag wurde mir mitgeteilt, dass ich ein Praktikum machen muss... sechs Monate lang. Warum eigentlich?", fragte ein Schüler in einem Internetforum. "Im nächsten Semester", berichtete ein anderer, "wird kein Unterricht angeboten."

Immerhin sollen die Zwangspraktikanten wie normale Arbeiter bezahlt werden. Laut einer Foxconn-Ausschreibung, die vom Bildungsamt in Zhengzhou verteilt wurde, bietet das Unternehmen Monatslöhne zwischen 1600 und 2300 Yuan, umgerechnet etwa 192 bis 276 Euro. Es dürften täglich auch nicht mehr als drei Überstunden gemacht werden, ein Tag in der Woche müsse frei sein, heißt es. Unklar ist, ob die Praktikanten Mehrarbeit verweigern dürfen.

Die Firma bietet kostenloses "Essen während der Arbeitszeit" sowie Unterkunft. Mindestalter der Schüler: 16,5 Jahre. Ein Schwimmbecken sei auch vorhanden, heißt es. "Ich glaube, unsere Schule hat uns verkauft", mutmaßte ein Schüler trotzdem im Internet. "Werden wir nicht als kostenlose Arbeitskräfte ausgenutzt?", fragte ein anderer, der offenbar daran zweifelt, bezahlt zu werden.

Hintergrund des Arbeitsdienstes: Foxconn will schon bald einen Teil seiner Produktion aus der Sonderwirtschaftszone Shenzhen unter anderem ins ärmere Henan verlagern. Im chinesischen Süden sind Löhne und Herstellungskosten in den letzten Jahren stark gestiegen. Insgesamt 300.000 Menschen will Foxconn in Henans Provinzhauptstadt Zhengzhou deshalb künftig beschäftigen. Die Berufsschüler dort sollen offenbar schon mal angelernt werden, damit schon genügend potentielle Mitarbeiter vor Ort sind und der Umzug ohne große Einbrüche bei der Produktion funktioniert.

Auch Städte und Dörfer müssen Arbeiter bereitstellen

Die Regierung unterstützt solche Umzugspläne. Sie erlauben es den Firmen, in Teilen des Landes weiter billig zu produzieren, wenn anderswo die Kosten steigen. Nicht nur die Schulen, sondern auch Städte und Dörfer wurden verpflichtet, eine bestimmte Zahl von Arbeitern zwischen 18 und 45 Jahren anzuheuern, berichtet jetzt das englischsprachige KP-Blatt "China Daily".

Foxconn hat eine entsprechende E-Mail von SPIEGEL ONLINE nicht beantwortet. Auch das Bildungsamt von Zhengzhou verweigerte die Auskunft, weil auch die chinesischen Medien mittlerweile nicht über die Sache berichten dürften: "Anordnung von oben".

"China Daily" hatte zuvor einen Zwangspraktikanten kurz vor seiner Abfahrt in den Süden zitiert. Der gewann der Aktion noch etwas Gutes ab: "Jeder geht... Ist doch irre: Nun kann ich herausfinden, warum sich all die Foxconn-Angestellten umgebracht haben."

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