Siemens-Chef Kaeser Der Neue gibt den Staatsmann

Mit Spannung war der erste Auftritt des neuen Siemens-Chefs erwartet worden: Kommentiert Joe Kaeser die Schlammschlacht um seinen Vorgänger? Sagt er etwas über den Zickzackkurs von Josef Ackermann? Doch Fehlanzeige - der Konzernchef weicht allen Fangfragen geschickt aus.
Siemens-Chef Kaeser: Der Neue gibt den Staatsmann

Siemens-Chef Kaeser: Der Neue gibt den Staatsmann

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Solche Auftritte erleben normalerweise nur Showstars. Hinter dem Siemens-Forum, einem Veranstaltungszentrum, in dem während des Umbaus der Konzernzentrale auch die Vorstände arbeiten, stehen TV-Übertragungswagen Stoßstange an Stoßstange. Drinnen im Innenhof treten sich TV-Teams und Fotografen auf die Füße. Dann kommt er, doch es ist nicht der Schauspieler Omar Sharif, der pünktlich um halb drei die Bühne betritt, sondern Siemens-Chef Joe Kaeser, wenige Stunden zuvor noch Finanzchef des Unternehmens.

Kaeser sonnt sich nicht im Blitzlicht der Fotografen. Fast ein bisschen schüchtern wirkt er, was sonst so gar nicht seine Art ist. Fein lächelnd lässt er das Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Dann vollzieht der soeben gewählte neue Chef des Weltunternehmens seine erste Amtshandlung - und erläutert die Geschäftszahlen für die Monate April bis Juni.

Er macht das gewohnt souverän in seiner vorbereiteten Rede. Dann wird es wirklich interessant. Wie wird Kaeser die Schlammschlacht um die Ablösung seines Vorgängers Peter Löscher kommentieren? Wird Joe den anderen Joe, nämlich den Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann erwähnen, der mit sich rang, ob er den abrupten Wechsel an der Spitze so mittragen wollte und Kaeser schließlich doch wählte? Pustekuchen. Der Neue, der in Wahrheit altes Siemens-Urgestein ist, gibt sich staatstragend, lobt seinen Vorgänger überschwänglich und preist die Siemens-Mitarbeiter über den grünen Klee.

Kaeser braucht Verbündete

Fast könnte man denken, nicht nur draußen sei Wahlkampf, sondern auch bei Siemens. Ein bisschen ist da sogar dran. Denn auch Kaeser braucht Verbündete, wenn er dem Münchner Multi wieder zu alter Größe und in ruhigeres Fahrwasser führen will, wie die Kanzlerin das forderte. Siemens, Siemens über allem, das ist die Botschaft, mit der er seine Anhänger zu mobilisieren versucht. Wer nicht mitmacht und sich Extratouren erlaubt oder nur den eigenen Vorteil sucht, wird dreimal ermahnt, droht Kaeser. Danach ist er weg.

Dass zwischen ihm und seinem Vorgänger Welten liegen, wird in der Fragerunde deutlich. Wie geht es mit dem Wachstum in China weiter? Wo liegt die Zukunft von Siemens? Wie lassen sich Pannen wie die verspätete Auslieferung von ICE-Zügen künftig vermeiden? Wann kommt der nächste Konzernumbau bei Siemens? Wie ein Sommergewitter prasseln die Fragen auf Kaeser ein. Für die Antworten braucht er keine Sprechzettel, die Bausteine dafür hat er alle auf der Festplatte im Kopf gespeichert. Selbst die berühmte Fangfrage, über die einst sein Vorvorgänger Klaus Kleinfeld stolperte, meistert er souverän.

Foto: SPIEGEL ONLINE

"Haben Sie ein Vorbild? Und, wenn ja, wen?", wurde der kurz nach seiner Ernennung bei einer Dienstreise in Lissabon gefragt. Er nannte einen deutschstämmigen Selfmade-Unternehmer, der fern der Heimat in Asien sein Glück gemacht hatte, in Deutschland aber keine Steuern zahlte. Kaeser erwähnt - politisch zur Zeit ohnehin höchst korrekt: kleine Kinder. "Die lassen sich nicht zwingen", erklärt der neue Siemens-Chef, "die müssen Sie von dem, was Sie wollen, überzeugen". Sollte er auch bei Siemens diesem Grundsatz treu bleiben, gehen die Mitarbeiter goldenen Zeiten entgegen.

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